Kapitel 11

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AGENT DEREK CONNOR:

Die Adresse, welche Ice mir geschickt hat, leite ich sofort an Hotch weiter. Auch wenn er mich dann mit Fragen löchern wird, hat die Befreiung von Amy Tellerway höchste Priorität. Meine Haare raufe ich mir aus und nehme meine Waffe in die Hand und befestige sie in meinem Gurt.

Mit einer fließenden Bewegung stehe ich von meinem Bett auf und ziehe wieder meine Schuhe an.
In meinem Kopf wiederhole ich immer wieder das Gespräch mit Ice. Wie in Dauerschleife spielt sich dieses in meinem Hirn ab.

Meine Augen reiße ich auf. Der USB-Stick. Warum auch immer Ice diese Information von mir wollte, aber sie würde definitiv nicht von einem Einbruch zurückschrecken. Panik. Fast stolpere ich in mein Badezimmer und reiße den Deckel vom Toilettendank auf.

Eigentlich habe ich nicht einmal bemerkt, dass ich meine Luft angehalten habe, doch jetzt lasse ich diese aus meinem Lungenflügel entweichen.

Er ist noch da. Meine Augen schließen sich wie von selbst und ich versuche meinen Puls wieder runter zu bringen. Niemals darf irgendjemand außer mir den Inhalt von diesem USB-Stick abrufen.

Mit zittrigen Händen öffne ich die Plastiktüte und entnehme den USB-Stick. Mit einem Festen griff umklammere ich diesen. Meine Augen suchen ein neues Versteck, doch keines würde sicher genug sein.

Meine Gedanken rasen. Wenn jemand etwas über mich erfahren wollen würde, dann würde man im Tresor nachsehen. Dort wäre der Stick aber nicht sicher.

Der einzige Ort, welchen ich für geeignet halte, ist bei mir selbst. Ich öffne meine Silberkette und schlaufe diese durch die Öffnung von der Kapsel des Sticks.

Niemals werde ich mein größtes Geheimnis und auch meinen Alptraum jemanden anvertrauen. Ich bin der einzige der diese Informationen hat und dies sollte auch für immer so bleiben. Somit werde ich den USB-Stick nicht mehr ablegen.

Den Gegenstand sicher um meinen Hals gebunden, verlasse ich meine Wohnung und steige in meinen Dienstwagen ein. Die Leute auf dem Gehsteig sehen aus wie immer. Gestresst vom Alltag. Keiner schenkt seinem Gegenüber auch nur einen einzigen Blick. Kein freundliches Lächeln, wenn jemand einem am Straßenrand entgegenkommt. Man könnte meinen, jede Person wäre blind.

Die Menschheit verbringt lieber Zeit mit sich selbst und mit deren Internet-Freunden, als sich mit dem Hier und Jetzt auseinander zu setzen. Mein Fuß drückt das Gaspedal durch. Mein Ziel?

Der Standort von Amy Tellerway. Die Adresse habe ich bereits in mein Navi eingegeben. Es ist zwanzig Minuten von mir entfernt. Mit meiner überhöhten Fahrgeschwindigkeit kann ich es aber vielleicht in fünfzehn Minuten schaffen.

Die Häuser, Menschen und Landschaften ziehen an meiner Autoscheibe vorbei. Der Himmel ist dunkel. Es wird in Kürze zu regnen beginnen. Mit Sicherheit.

Mit all meiner mentalen Kraft versuche ich meine Gedanken auf Frank Lorentino, dem Serienmörder, zu lenken, doch in meinem Kopf hat gerade nur eines Platz.

Ice!

Die Fragen ,Warum ich' beschäftigt mich sehr. Ja, warum ich und warum jetzt? Was ist der Plan? Eine Sache, die ich mehr hasse als Serienmörder und Frauenvergewaltiger ist es, ein Rätsel nicht zu lösen oder den nächsten Zug einer Person nicht zu kennen.

Bei Schach ist es dasselbe. Die Körperhaltung kann so viel über eine Person sagen. Die Bewegungen verraten eine Person, ebenso die Mimik. Bei Schach bin ich unschlagbar. Wenn mein Spielgegner denkt, er sei mir einen Schritt voraus, so habe ich schon die nächsten drei Züge geplant.

Eine Sache von Überlegung und Strategie, doch das ich jetzt nicht weiß, was der nächste Zug von ihr ist, macht mich wahnsinnig. Nicht nur, weil ich anscheinend eine Rolle in ihrem krankhaften Plan spiele.

Das Navi reißt mich aus meinem Tagtraum. Ein Wunder, dass ich nicht im Straßengraben gelandet bin, denn meine Konzentration liegt ganz woanders.

Leicht klatsche ich mir selbst auf meine Wangen und zwinge mich, all meine Aufmerksamkeit auf den Fall zu fokussieren. Es stehen bereits die Dienstwägen von meinen Teamkollegen hier. Ein Krankenwagen, wo eine Frau in eine Decke gewickelt wird.

Sie haben sie gerettet.

Meine Schultern lasse ich sinken. Amy Tellerway ist am Leben und in Sicherheit.

Meine Autotür wird geöffnet.

,,Agent Connor!"

Agent Hotch steht davor. Was soll ich ihm nur sagen?

,Hey Chef, Ice hat mir das gesagt, du weißt schon, die Auftragsmörderin. Meine Gegenleistung war es, von meinem größten Geheimnis zu erzählen, welches du nicht weißt.'

Schwachsinn!

Immerhin würde mein Chef dann wissen, dass mein psychologisches Gutachten, welches bei der Aufnahme vom Team vollzogen werden muss, gefälscht und erlogen ist.

Agent Hotch sieht mich nur an, doch ich weiß, dass er auf eine Antwort wartet.

,,Eine anonyme Nachricht hat mich auf eine Spur gebracht. Sobald ich mir sicher war, dass die Nachricht kein Fake ist, habe ich sie sofort an dich weitergeleitet!"

Mein Vorgesetzter kneift die Augen zusammen und sucht nach einer Regung in meinem Gesicht. Es ist schwierig, jemanden psychologisch zu lesen, wenn man selbst weiß, wie man sich verhalten muss, um nicht auffällig zu sein.

Nach ein paar Sekunden der Musterung, nickt er und deutet auf den Tatort hin. Er scheint mir zu glauben. Gut so.

,,Wer auch immer deine Quelle war, eine Stunde länger und es wäre zu spät gewesen. Frank Lorentino ist festgenommen worden. Seine Verlobte hatte keine Ahnung."

Gerade habe ich wieder meinen Vorgesetzten angelogen. Ich verschweige ihm eine sehr wichtige Information, doch wenn ich diese verraten würde, so müsste ich auch von meiner Vergangenheit erzählen.

Dies würde ich nicht machen, koste es, was es wolle.
Mein Lügenstapel wird immer höher. Wollen wir mal hoffen, dass der Stapel niemals einstürzen wird!

𝚄𝙽𝙲𝙾𝙽𝚃𝚁𝙾𝙻𝙻𝙰𝙱𝙻𝙴Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt