Als nächster war Aed dran. Heath schüttelte seufzend den Kopf als sie die Wunde an der Schläfe sah. Sie schob die blutverklebten, blonden Locken weg und tastete alles ab. Gut. Soweit nur Blut. "Hast du Kopfschmerzen?" Heath sah ihm mit einem scharfen Blick in die Augen. Aed verneinte. So bekam er nur einen leichten Verband um den Kopf herum und noch einen um die Wunde am Arm. Danach entließ Heath ihn. "Pass das nächste Mal auf, Novize", riet Heath ihm mit schiefgelegtem Kopf und wandte sich dann Cade zu. Die Wunde an der Schulter war schwer zu verbinden, also benutzte Heath ihren pflanzlichen Klebstoff um den Verband zu fixieren. Die Wunde am Bein konnte sie umso besser verbinden. Dann entdeckte die Ärztin die Wunde auf seiner linken Handfläche. Cade hielt die Hand zurück und starrte finster auf den Boden des Behandlungsraumes. Heath hielt auffordernd ihre offene Hand hin. "Zeig deine Hand." Cade sah auf. Dann blickte er seine verwundete Handfläche an. "Das ist nichts", wehrte er sich missmutig und schloss die Hand. Heath griff kurzerhand nach seinem Handgelenk und öffnete die Hand wieder. Dann musterte sie die Wunde ganz genau. "Von wegen nichts...", murmelte sie, woraufhin Cade missmutig das Gesicht verzog. Heath ließ seine Hand los und lief zu einem der Schränke, in denen sie Kräuter, Verbände und andere ärztliche Sachen lagerte. Zurück kam sie mit einem feuchten Tuch, einer Nadel, einem Faden und einem schmalen Verband. Vorerst legte sie alles auf den Tisch neben sich zu den Kräutern. Nur das Tuch behielt sie in der Hand. Sie griff wieder nach Cades Handgelenk und säuberte die Wunde bis auf den letzten Rest Blut. Cade biss sich auf die Lippe. Man konnte nicht sagen, dass die Ärztin mit ihren Patienten sanft umging. Irgendwann war sie fertig. "Tiefer als gedacht.... Mein Lieber, was hast du nur angestellt?" Heath seufzte und nahm ein paar Kräuter, um sie in einer kleinen Schale zu einer Paste zu rühren, die sie auf die Wunde auftrug. Es brannte und Cade sog scharf die Luft ein. Er war durchaus abgehärtet gegen Schmerz - aber an der Hand wurde er nicht oft verletzt. Nach und nach wirkte die Paste und die Stelle um die Wunde herum wurde taub. Cade bewegte leicht seine Finger. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Dann nahm Heath Nadel und Faden und schloss die Wunde nach und nach damit. Cade spürte es, wenn die Nadel auf die Haut traf. Aber es war nicht mehr als ein kurzes Piksen. Irgendwann beendete die Ärztin ihr Tun und verband die genähte Wunde. Sie sagte Cade, dass er nun gehen könne. Er trat zur Tür. "Ach - und dass du mir sowas nicht nochmal anstellst", warnte ihn Heath mit scharfem Ton. Er nickte nur leicht und lief aus dem Raum. Er musste jetzt endlich schlafen... Plötzlich lief Aed neben ihm her. Wo kam die Nervensäge jetzt schon wieder her? "Na, wie fandest du meine Rettung in letzter Sekunde?", fragte Aed mit neckendem Ton und grinste. Cade lief schweigend weiter. Wie er diesen Idioten hasste. Vor Kurzem erst war er zum Orden gekommen und jetzt war er schon bald ein vollwertiger Assassine... Aed ignorierte sein Schweigen. "Was wollten die Templer von Faith?", fragte er plötzlich nachdenklich. Cade grübelte schon länger über diese Frage nach. Ja, was? Sie war nur ein Mädchen. Sie hatte keine Ahnung von der Welt. "Ich weiß nicht", antwortete er leise. "Und wieso haben die Templer uns immer so leicht gefunden?", fragte Aed weiter. Cade atmete genervt aus. "Ich weiß nicht", wiederholte er mit Nachdruck. Sie bogen in den Gang mit den Assassinengemächern ein. Bald war er Aed los... "Und wieso hat Kadir ihren Namen gekannt?" Cade erreichte die Tür seines Gemachs. "Ich weiß es nicht", zischte er wiederholt, funkelte Aed genervt an und verschwand dann in seinem Raum. Aed seufzte und setzte seinen Weg fort. Wieso war Cade nur immer so schlecht drauf? Mit einem weiteren Seufzen lief er die Treppe nach unten, wo er sich mit zwei anderen Novizen ein Zimmer teilte. Beide schliefen schon, das konnte er nun endlich auch tun. Leise legte er sich in sein Bett und schlief bald darauf ein.
"Faith, wach auch!", trällerte eine Stimme. Faith wurde wach und blinzelte. Was? Wie? Sie öffnete die Augen ganz. Wo war sie? Sie sah sich um. Der Raum kam ihr nicht bekannt vor. Sie war wohl zu müde gewesen, um sich was zu merken... Oder hatte sie schon geschlafen? Sie spürte, dass sie andere Kleidung trug, schlug die Decke zurück und setzte sich auf die Bettkante. Sie trug weißes Leinen. Seit wann? Sie sah sich um und blickte in Eadgyths lächelndes Gesicht. "Gut, du bist wach. Es ist schon Mittag und wir müssen uns unbedingt um deine Kleidung kümmern. Immerhin ist heute deine Zeremonie", flötete sie nun und trat einen Schritt zurück. Sie sprach schnell und schien hellwach zu sein. Faith dagegen fühlte sich schrecklich müde... Warte - Mittag? Kleidung? Zeremonie?! Nach und nach sickerte der Sinn ihrer Worte zu ihr hindurch. "Was? Eadgyth, Zeremonie?", fragte Faith verwirrt nach. Sie sah sich um. Es war ein großer Raum, hier und da standen hohe Regale in denen sich Bücher, kleine Waffen, die nur zum Schmuck dienten, und ein paar andere Sachen wie Karten befanden. Eadgyth stand direkt vor dem Bett, Faith erkannte aber Kadir, der am Türrahmen lehnte und die Arme verschränkt hatte. Bei dem Eifer seiner Schwester musste er grinsen. Faith sah, dass seine Kleidung wieder weiß war, nicht mehr dreckig oder blutig - und weder zerschnitten noch sonst irgendwie beschädigt. Trotzdem sah sie genau gleich aus wie die vorherige. "Nenn mich Gyth. Ich werde die Kleidung vorbereiten...", erwiderte Eadgyth nur und verhaspelte sich fast in ihrem Satz, so schnell redete sie. Dann verschwand sie auch schon durch die Tür nach draußen. Kadir stieß sich vom Türrahmen ab und trat zu Faith. Kurz musterte er sie. "Darf ich mein Zimmer nun zurückhaben?", fragte er grinsend und sah kurz aus dem einzigen Fenster, das der Raum besaß. Wenn man hinausblickte sah man die Wand der Höhle. Dann sah er aber wieder Faith an, die ein entgeistertes Gesicht machte. "Das ist... Euer Raum? Oh, ich wusste nicht.... ", stotterte Faith aber Kadir winkte ab. "Aber ich wusste es. Und jetzt geh zu Gyth, sie hat ein paar interessante Sachen, die du noch vor der Zeremonie tun musst." Faith war erst erleichert, dann aber wieder verwirrt. "Zeremonie?" Kadir nickte. "Du wirst zur Novizin. Und über Nacht haben wir beschlossen, dass Cades Leistungen mehr als genügen, um zum Meisterassassinen ernannt zu werden, also musst du nicht ganz allein hin." Faith war etwas perplex, stand dann aber auf und lief zur Tür. Okay, dann war sie ja wenigstens nicht allein... Auch wenn Cade nicht gerade der war, den sie zur Aufmunterung brauchte. Fragend wandte sie sich nochmal Kadir zu. "Ehm... Wohin?" Kadir lachte kurz leise auf. "Ich vergaß... Den Gang entlang, dann nach links und die Treppe runter. Da müsste Gyth momentan noch irgendwo herumstreunen." Er grinste. Kadir war nett zu ihr gewesen seit sie ihn kannte. Das schätzte sie sehr an ihm. "Ach - und noch etwas", ergänzte sie dann noch. "Ja?" Kadir sah sie erwartungsvoll an. "Ist Eadgyth Eure Schwester?" Sie wusste nicht, ob es ihr erlaubt war, das zu fragen. Sie hoffte es einfach. Aber Kadir schien das nicht schlimm zu finden. "Ja, das ist sie. Aber nenn sie Gyth, ihren ganzen Namen kann sie nicht leiden....", riet er ihr grinsend. Aber er hatte sie doch gestern so... - okay, die beiden waren Geschwister. Faith verschwand nun in den Gang und schloss die Tür hinter sich. Was hatte der Großmeister gesagt? Den Gang entlang, dann links und die Treppe runter? Faith seufzte. Dieses Gebäude war verdammt groß. Wie passte das nur alles nur in die eine Höhle? Und - Faith stockte. Wie hatte Sonnenlicht in Kadirs Zimmer scheinen können? Sie war sich sicher, dort Sonnenstrahlen gesehen zu haben. Sobald sie im Gang war waren die einzigen Lichtquellen Laternen, Fackeln und Öllampen. Sie folgte Kadirs Anweisungen - und wirklich - links gab es eine Treppe. Sie lief nach unten. Hier roch es leicht modrig, jedoch nicht unangenehm stark. Faith sah sich unsicher um. Wo war Eadgyth? Plötzlich tauchte die Frau vor ihr auf. Sie wirkte immer noch so aufgeregt wie vorher. Gyth griff nach Faiths Hand und zog sie hinter sich her. "Komm, Faith, ich zeige dir den Einkleideraum." Faith stolperte ihr verwirrt hinterher. Einkleideraum? "Aber was ist mit meiner eigenen Kleidung?", fragte sie verwirrt. Eadgyth schüttelte hastig den Kopf. "Nein, nein. Assassinenkleidung. Das meine ich", betonte sie und sprach nun nicht mehr so schnell. Sie schob Faith in einen großen Raum. Staunend sah Faith sich um. Der Raum hatte keine Fenster und wurde nur von einigen Laternen beleuchtet. Offenes Feuer wäre zugegeben auch etwas ungünstig... Im Raum hingen vielerlei Arten verschiedener Roben, Umhänge, Gürtel und anderer Kleidungsstücke, für die die Assassinenmonturen bekannt waren. Es gab weiße, graue, braune und schwarze Roben, dazu noch aus verschiedenen Materialien und in verschiedenen Formen. In einer Ecke sah Faith verschiedene Manschetten, manche aus Leder, manche aus Metall. Hier und da fanden sich einzelne Stücke von Rüstungen - so wie Cades Schulterpanzerung. Gyth lächelte bei dem Anblick mit funkelnden Augen und wandte sich dann an Faith. "Na, los. Such schon." Sie stupste Faith etwas an. Das Mädchen konnte den Blick kaum abwenden von den vielen Kleidungsstücken. Wie sollte sie sich da nur etwas aussuchen? Das war unmöglich! Gyth verließ den Raum. Als sie gerade noch auf dem Gang stand drehte sie sich nochmal um. "Ich komme dann wieder, um dich in die Waffenkammer zu bringen." Sie zwinkerte Faith kurz zu und verschwand dann. Faith stockte der Atem. Waffen auch noch? Sie hatte schon immer eine Schwäche für Klingen aller Art gehabt. Aber jetzt erstmal die Kleidung. Barfuß und nur in Leinenhemden konnte sie nicht herumlaufen. Sie lief im Raum auf und ab. Nun wurde auch sie hibbelig. Sie durfte sich Assassinenkleidung aussuchen! Und nachher Waffen! Okay, ob sie sich die Waffen auch aussuchen durfte wusste sie nicht...
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Red Snow
AdventureDer Boden dieses Landes wird seit Jahrhunderten vom Blut eines endlosen Krieges getränkt. Zwei Fraktionen, Assassinen und Templer, beide überzeugt von ihren Idealen, kämpfen seit jeher mit dem Ziel, Frieden auf Erden zu erreichen. Die junge Faith ah...