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Faith erzählte ihr alles über das Amulett. Dass Kadir sie beauftragt hatte, es zu finden, dass sie ihre Tante und ihre Mutter danach gefragt hatte und nie eine Antwort erhalten hatte. Dass Benji damals ein Freund von Gavin gewesen war und dass er laut Kadir von Templern ermordet worden war, genauso wie seine Frau und seine Tochter. Und dass sie nun eigentlich keinen Plan mehr hatte, wo sie noch suchen sollte. "Wir müssen Kadir darauf ansprechen. Vielleicht hat Benji es in seiner Wohnung versteckt, bevor die Templer ihn getötet haben!" Faith seufzte nur. Sie hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, der ebenfalls an dem Tisch stand, und das Gesicht in den Händen vergraben. "Und wenn die Templer die Wohnung durchsucht haben?" Asha zog ihr die Hände weg und sah ihr entschlossen in die Augen. "Es ist einen Versuch wert." Faith sah ihr kurz in die grünen Augen, dann ließ sie den Kopf sinken, sodass sie ihn müde auf die Arme legen konnte. "Ich weiß nicht... Vielleicht haben sie es abgebrannt, wie dein Dorf...", murmelte Faith nur pessimistisch. Asha schwieg auf einmal. Faith hatte einen wunden Punkt getroffen, und das ganz ohne Absicht. Sie brauchte einige Sekunden, um das zu bemerken. Erschrocken hob Faith den Kopf und sah Asha an. Die Novizin saß auf ihrem Stuhl, ihr Blick wirkte abwesend. "Es tut mir Leid...", murmelte Faith und betrachtete ihre Schwester mit einem besorgten Blick. Asha schien langsam wieder aus ihrer Starre zu erwachen. Sie winkte nur ab. "Muss es nicht, du hast ja Recht. Das könnten sie wirklich getan haben..." Faith nickte und stand auf. "Dann lass uns Kadir suchen, vielleicht besteht die Chance ja doch noch..." Asha erhob sich. "Okay, vergiss die Papiere nicht." Faith grinste und griff nach dem frisch beschriebenen Blatt und dem Stapel Papiere. Sie durfte die Notizen auf keinen Fall verlieren. "Das darf niemand in die Hände bekommen, solange wir nicht wissen wem wir vertrauen können", wandte Faith sich an Asha, nachdem ihre Gedanken wieder leicht zu dieser Spion-Sache abgedriftet waren. Asha nickte entschlossen. Die beiden liefen aus der Bibliothek. "Hoffentlich hat uns da drin niemand gehört...", meinte das hellhaarige Mädchen noch unsicher und biss sich auf die Unterlippe. Was, wenn ein anderer Lesender sie gehört hatte? "Ich denke nicht... War doch ziemlich leer, oder?", erwiderte Asha nur mit zuversichtlichem Ton. Die beiden hatten nun ein Ziel: Kadir zu finden und ihm das Gefundene zu zeigen. Jedoch fanden sie ihn nicht in seinem Gemach und auch nicht im Saal. Als ihnen irgendwann Heath über den Weg lief fragten sie ihn nach seinem Verbleib. "Den Großmeister habe ich schon länger nicht mehr gesehen, soweit ich weiß ist der auf einer Mission im Süden." Faith sah die Ärztin entgeistert an. "Und wie lang ist er noch weg?" Heath zuckte nur unbeteiligt mit den Schultern. "Weiß ich nicht. Kommt darauf an." Faith hakte nach: "Kommt worauf an?"
"Wie schnell sie die Mission hinter sich bringen und wie stark sie verletzt werden..." Mit diesen Worten und einem warnenden Blick, der vermutlich ein Verbot war, noch weiter zu fragen, verschwand Heath wieder in den nächsten Gang. Faith sah hilfesuchend zu Asha, die erwiderte ihren Blick aber nur besorgt. Dann würden sie wohl warten müssen. Es war sowieso bereits Abend und morgen fand die Mission statt.

Die Nacht war vorüber und der Morgen begann. Über Nacht hatte sich die Landschaft draußen verändert. Es war die letzten Tage schon kalt gewesen, aber heute Nacht war es kalt genug gewesen für Schnee. Es hatte noch nicht viel geschneit, aber trotzdem waren viele der inzwischen kahlen Bäume mit einer feinen Schnee- und Frostschicht bedeckt. Der Boden glitzerte vor Eiskristallen, Pfützen waren zugefroren und selbst die Tiere waren in eine Art Schweigen verfallen, sofern sie keinen Winterschlaf hielten. Der Nadelwald war ein Ort, der das letzte Grün beherbergte. Auf den Nadeln lag ebenfalls Schnee, sowie auf den Vorsprüngen des Berges. In der Ferne schimmerten die schneebedeckten Dächer des Dorfs und Synva sah von hier aus wie ein Diamant aus. Die längst abgeernteten Felder waren nur noch weiße Flächen. Der Tag war jedoch sonnig, nur wenige Wolken versperrten dem Tageslicht den Weg. Es wurde nicht warm, aber doch warm genug um den ersten Schnee des Jahres wieder tauen zu lassen. Jetzt am Morgen lag der Schnee noch wie eine reine Decke über dem Land, aber schon die ersten Tropfen fielen von den Bäumen.
Faith und Asha hatten früh aufstehen müssen. Noch vor Sonnenaufgang hatte Viola sie geweckt, sodass sie sich umziehen und vorbereiten konnten. Nun standen sie mit Viola und Cade draußen bei den Unterständen der Pferde. Lange bewundern konnten sie die nächtliche Wandlung der Natur nicht, sie sattelten und zäumten alle vier jeweils ein Pferd. Die ersten Tropfen fielen auch vom Dach des Unterstandes. Trotzdem bildeten sich Atemwölkchen vor den Gesichtern der Assassinen und den Nüstern der Pferde. Alle schwiegen konzentriert. Sobald jeder bereit war saßen sie auf. Cade und Viola schienen zu wissen, wo es hinging, deshalb ritten sie voraus. Faith und Asha ließen ihre Pferde nebeneinander traben, während sie die kalte Schönheit um sich herum bestaunten. Es sah wunderschön aus, jedoch hatte der kommende Winter auch andere Seiten. Jeder der vier trug einen dicken, warmen Umhang über seiner Montur und Handschuhe an den Fingern. Trotzdem wurde ihnen schon nach kurzer Zeit kühl. Besonders die Haut im Gesicht würde schnell taub. Zum Glück lag das Dorf nicht weit weg. Gut, Dorf konnte man kaum mehr sagen. Es war beinahe schon eine kleine Stadt. Die Häuser am Rand des Dorfes bestanden noch aus Holz, Lehm und anderen einfachen Materialien, aber sobald man sich wirklich im Dorf befand umgaben einen nur noch Steinhäuser. Teilweise waren diese Häuser sogar zwei- oder mehrstöckig. Es gab eine große Kirche und viele Läden, sowie ein schlicht verziertes Rathaus. Die Mentoren hielten auf eine Gaststätte zu, bei der sie die Pferde anbinden konnten. Da es nun kein Gras mehr gab hatte man den Pferden dort Heu in eine Krippe gelegt. Sobald alle Pferde an dem Balken angebunden waren führten die Mentoren ihre Schüler ins Gasthaus. Es war später Vormittag, und sie hatten heute alle noch nichts gegessen. Viola und Cade bezahlten, nachdem jeder etwas bestellt hatte. Noch war nicht viel los im Gasthaus, da es noch vor Mittag war. "Eure Mission ist es, den Templer-Informanten Frédéric de Riot zu finden und zu eliminieren. Wir haben die Informationen bekommen, dass er heute seinen freien Tag hat und er sich da meist in seinem Garten aufhält", erklärte Viola und sah die beiden ernst an. "Es sollte leicht werden. Wir werden auf euch achten, aber nur helfen wenn es wirklich nötig ist. Ihr werdet uns kaum bemerken..." Ein Grinsen schlich sich auf Violas Lippen. Die Novizen nickten. Jeder aß sein Essen auf, danach begann die Mission an sich. Asha und Faith bekamen die Angaben, um de Riots Haus und somit dessen Garten auch zu finden. Den Rest mussten sich die beiden selbst erarbeiten. Die Mentoren hielten sich wirklich zurück, und sobald die Schwestern die Dächer erklommen hatten fühlten sie sich, als seien sie allein. Die Dächer waren ihre erste Wahl gewesen, da man von dort aus einen guten Überblick hatte, obwohl die Menschen unten in den Gassen einen nicht bemerkten. Außerdem hatten die beiden dann eine Chance auf ein Luft-Attentat. Wer das Attentat durchführte wussten die beiden noch nicht, aber das war auch noch nicht wichtig. Sie liefen zielstrebig in die Richtung, in der Frédérics Haus lag. Sie mussten teilweise außen herumgehen, große Sprünge wagen und schmale Balken und Seile entlangbalancieren, bevor sie das Dach des besagten Hauses erreicht hatten. Nirgendwo waren Schützen zu sehen, auch auf den Straßen schien sich nur die normale Stadtwache aufzuhalten. Der Templer-Informant schien keinen Angriff zu befürchten. Asha und Faith saßen auf dem Dach. Da die Sonne den wenigen Schnee bereits größtenteils geschmolzen hatte war es auf dem Dach nass und glitschig. Seit einigen Minuten hatte sich die Anzahl der Wolken wieder erhöht, sodass man keine genauen Schatten erkennen konnte. Das war ein Vorteil für die beiden Novizen. Frédéric würde nicht durch ihre Schatten vorgewarnt werden. Asha und Faith warteten an der Dachkante darauf, dass de Riot aus seinem Haus trat. Cade und Viola hatten sie seit vorhin wirklich kein einziges Mal mehr gesehen. Vielleicht waren sie ja doch fort? "Willst du das Attentat durchführen?", fragte Asha leise. Faith überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. "Das solltest du machen." Faith hatte durchaus schon ein paar Mal Missionen für Attentate gehabt, teilweise sogar ohne Aufsicht ihres Meisters. Schließlich war das eines der Ziele der Ausbildung. Asha nickte und sah wieder konzentriert nach unten. Eine Windböe ließ ihre Monturen leicht flattern, jedoch war der Wind eiskalt. Sie warteten geduldig einige Minuten, bis letztendlich wirklich eine Gestalt im Garten erschien. Viola hatten ihn als schmal gebauten Mann Mitte 40 beschrieben, der keine typische Templerkleidung trug sondern normale Händlerklamotten, und das passte auf diese Person. Asha beobachtete ihn ruhig und wartete auf die perfekte Gelegenheit für ein Luftattentat. Als der Mann an den nun leeren Blumenbeeten nah der Hauswand vorbeilief ließ Asha sich fallen, fuhr im Fall die versteckte Klinge aus und stieß sie dem Templer in den Nacken während sie ihn gleichzeitig mit der Wucht ihres Aufpralls zu Boden warf. So war seinem Leben ein schnelles Ende gesetzt. Kaum hatte Asha "Requiescat in Pace" gemurmelt, traten plötzlich weitere Templer aus dem Haus und drängten die überraschte Asha zurück, die sofort ihr Schwert zog und es in die Richtung der Templer hielt, die ihrerseits Speere und Schwerter auf sie gerichtet hatten. Faiths Herzschlag setzte einen Moment aus, als sie die Templer sah. Sie war überrascht und konnte sich keinen ausführlichen Plan B ausdenken, sie handelte instinktiv. Sie sprang auch vom Dach und führte ein Luftattentat auf den nächstbesten Soldaten aus. Die anderen sahen sich sofort verwirrt um, was Asha wiederum nutzte um den ersten abgelenkten Templer anzugreifen. Wo kamen die Templer auf einmal her? Hatten sie im Haus gelauert? Hatte Frédéric mit dem Attentat gerechnet? Woher hatte er es gewusst? Faith schwirrten diese Fragen wie nervöse Bienen im Kopf herum, doch nun musste sie sich voll und ganz auf den Kampf konzentrieren. Sie schaltete ihre Gedanken beinahe automatisch ab und erinnerte sich innerlich an die Trainingsstunden zurück, so wie bei jedem Kampf. Asha war bereits dabei, den einen Soldaten weg von den anderen zu drängen. Auch Faith, die nun ihr Ninjato zog, schlug ohne Unterlass auf ihren Gegner ein, so dass er sich von den anderen entfernen musste. Gegen einen hatte sie eine Chance, wenn sie alle umzingelten nicht. Die anderen versuchten einzugreifen, konnten sich aber nicht entscheiden wo, wann und wie, sodass sie teilweise nur verwirrt dastanden. Andere nutzten es als Taktik, warteten entspannt und ließen den anderen den Vortritt, um die beiden Assassinen zu schwächen. Faith wechselte die Hand, in der sie das Ninjato hatte, und griff mit der anderen nun nach einem Dolch, den sie dem Templer in die Brust stach. Noch in derselben Bewegung drehte sie sich um und trat einem anderen Templer in den Bauch, sodass er aufkeuchte und sich zusammenkrümmte, wodurch sie ihm das Schwert aus der Hand treten und ihm die Kehle mit dem Ninjato aufschlitzen konnte. Das Gurgeln des Mannes ging unter in den anderen Geräuschen. Kampfschreie, Schmerzenschreie, das Klingen der Waffen... Aber es schienen Templer nachzukommen, denn es nahm kein Ende. Faith parierte mit ihrem Ninjato - den Dolch hatte sie wieder weggesteckt - und drehte sich dann an ihrem Gegner vorbei, um ihm kurz danach die versteckte Klinge in den Rücken zu stoßen. Kurz erhaschte sie einen Blick auf Asha. Das rothaarige Mädchen hielt sich wacker, doch Faith erkannte, dass ihre Bewegungen aufgrund einer Verletzung am Bein unsauber waren. Auch Faith war inzwischen verletzt worden, eine Schnittwunde an der Wange und dem Arm bluteten unaufhörlich. Sie stieß dem nächsten den Ellenbogen vor's Kinn und rammte ihm direkt danach die kurze Klinge des Ninjatos in die Brust. "Faith! Wie kommen wir hier weg?", hörte sie Ashas beinahe schon verzweifelte Stimme. "Ich weiß nicht!" Fieberhaft suchte Faith eine Lösung. Sie könnten nicht alle töten, es kamen immer neue nach, wie es schien, und sie waren jetzt schon müde. Und einfach über die Dächer wieder verschwinden konnten sie nicht, die Templer würden sie nichtmal bis zur Hauswand kommen lassen. Konnten sie sie vielleicht irgendwie ablenken? Wenn sie ihnen folgten, würde das nicht nur ihr Leben sondern die ganze Bruderschaft gefährden, und das war gegen das Credo. Faith sah sich um und bemerkte den Templer neben ihr deshalb nicht, der gerade seine Hellebarde hob um damit Faith umzulegen. Plötzlich ertönte ein überraschtes, unterdrücktes Geräusch von eben diesem Mann. Erschrocken sah Faith sich um und starrte in das Gesicht des Mannes, dessen Mund ungläubig zu einem ersterbenden Schrei aufgerissen war. Eine Klinge ragte aus seiner Brust. Mit glasigem Blick sah der Mann auf sie hinab. Die Hellebarde entglitt seinen Fingern und er tastete mit zitternden Fingern nach der Klinge. Dann wurde sie mit einem Ruck wieder herausgezogen, sodass der Templer nur noch zusammensackte. Hinter dem Mann erschien Cade, dem auch die Klinge gehörte, die den Templer getötet hatte. Er hatte seine beiden Kurzschwerter in der Hand. Faith starrte ihn kurz ebenso überrascht an wie der Templer gerade die Klinge. Einige Zeit lang hatte sie gar nicht mehr gedacht, dass die Mentoren nochmal auftauchen würden. "Ein Danke hätte auch gereicht", bemerkte Cade mit ironischer Stimme und streckte mit einer flüssigen Bewegung noch einen Templer nieder, der gerade von hinten auf ihn zugelaufen kam. Faith verkniff sich ein abschätziges Geräusch und musste sich direkt wieder gegen einen Angreifer verteidigten. Aus dem Augenwinkel sah sie auch Viola, die ihrer Novizin ebenfalls zur Hilfe geeilt war. Trotzdem war Faith immer noch nicht klar, wie sie von hier wegkommen sollten. Sie stach gerade einem Templer ihre versteckte Klinge in den Hals als Viola etwas in die Mitte des Kampfplatzes schmiss. Ein zischendes Geräusch ertönte und plötzlich wurden die Kämpfenden von dichten Rauchschwaden umgeben. Faith sah kaum ihre eigene Hand vor Augen. "Los, weg hier", zischte Cade im nächsten Moment, griff nach ihrem Arm und zog sie hinter sich her aus dem Rauch hinaus. Die wenigen Sekunden Vorsprung, die sie durch Violas Rauchbombe bekamen, reichten, um auf das Dach des Hauses zu klettern. Alle vier fanden sich auf dem Dach zusammen, und ohne ein weiteres Wort lief Cade sofort weg vom Geschehen, noch bevor sich die Rauchschwaden unten im Garten ganz gelichtet hatten. Cade nahm den direkten Weg von hier aus zum Gasthaus, Faith folgte ihm ohne zu zögern, Asha fiel es mit der Verletzung am Bein etwas schwerer, jedoch kam auch sie hinterher. Viola bildete das Schlusslicht. Die Wolken waren inzwischen wieder dick und grau. Im Dorf herrschte Stille. Heute wollten sicher nicht viele aus dem Haus. Auch die Assassinen schwiegen. Gedankenverloren. Verbissen. Benommen. Konzentriert. Nicht in der Lage, herauszufinden, wieso die Mission so schiefgelaufen war. Irgendwann erreichten sie das Haus gegenüber der Gaststätte. Cade begann, nach unten zu klettern, ließ sich von einer Kante fallen und rollte sich geschmeidig ab. Unten sah er sich um und wartete auf die anderen. Faith folgte ihm nach unten, wenn auch ohne den großen Sprung und das Abrollen. Jede Bewegung ließ die Wunde an ihrem Arm brennen. Als sie unten angekommen war sah sie abwartend nach oben zu Asha und Viola. Ashas Blick war erschöpft. Sie ließ sich mehr oder weniger nach unten fallen und kletterte nur halb konzentriert. Sie tat Faith Leid. Immerhin war es ihre erste Mission. Andererseits war das die Lektion. Viola fand ihren Weg nach unten recht schnell und ohne Zögern. Asha lief sofort zu den Pferden, während Faith ihr nur langsam folgte. Hinter ihr liefen Cade und Viola. Faiths Mentor schwieg immer noch. Vermutlich war seine Miene so düster wie der Schatten, der sein Gesicht bedeckte. Viola spürte den Unmut unter den vieren. "Habe ich da etwa deine Kampftaktik bei Faith wiedererkannt?", fragte die rotblonde junge Frau mit einem amüsierten Lächeln. Faith lauschte, während sie ihr Pferd losband. Cade seufzte. "Was soll ich ihr denn beibringen, wenn nicht das?" Viola lachte leicht. "Das war doch keine Anschuldigung. Dein Kampfstil war schon immer ausgezeichnet." Viola nahm ihre Kapuze ab und strich sich eine durch Schweiß feuchte Strähne aus dem Gesicht, während sie ihr Pferd ebenfalls losband. Auch Cade zog die Kapuze herunter und strich sich kurz durch die verschwitzten Haare. Jetzt war keinem der Assassinen mehr kalt. Ganz im Gegenteil. Der Kampf hatte viel Energie gekostet. "Das sagst du nur, weil du damals bei den Nox Pugnat gegen mich verloren hast", erwiderte Cade ohne jede Scherzhaftigkeit, jedoch verriet ein Funkeln in seinen Augen, dass er es nicht ernst meinte. Als Viola lachte konnte sich auch Cade ein leichtes Grinsen nicht mehr verkneifen. Faith blinzelte ungläubig. Er... grinste. Er konnte das wirklich? So ganz ohne negative Hintergründe?
Nachdem alle aufgesessen waren ritten sie los. Faith bedachte ihre Schwester mit einem besorgten Blick. Asha wirkte nicht nur erschöpft, sie sah vollkommen ausgelaugt aus. Nicht nur körperlich sondern auch mental. Ihr Pferd schien von allein zu laufen, Asha trieb es nichtmal mehr an. Sie hing kraftlos und schlaff im Sattel. "Asha? Alles klar? Bist du dir sicher, dass du bis zum Hauptquartier durchkommst?", fragte Faith vorsichtig. Sie ritt wieder neben Asha, während die Mentoren vorn ritten. Asha hob müde den Kopf und sah zu ihr. "Ja ja, ich werd's schon überleben... Ich darf nur nicht einschlafen." Die Novizin grinste ihre Schwester halbherzig an und sah dann wieder nach vorn. Faith setzte eine hilflose Miene auf. Sie wusste nicht, wie sie Asha helfen konnte. Hoffentlich kippte sie wirklich nicht vom Pferd, bis sie ankamen.

Sie waren nun wieder längere Zeit unterwegs gewesen. Asha hatte sich bis jetzt auf dem Pferd gehalten. Es hatte begonnen, zu schneien, und die feinen Eiskristalle legten sich nicht nur wie eine Decke über das Land, sondern auch auf die Kleidung der Assassinen und auf das Fell der Pferde. Noch schneite es nur leicht, doch es war sehr wahrscheinlich, dass es noch stärker werden würde. Die Temperatur sank gefühlt jede Minute. Die Kälte machte Faith wieder etwas wacher als eben noch. Sie zitterte sogar bereits leicht. Ein kurzer Blick auf Asha verriet ihr, dass sie noch im Sattel saß. Noch. Cade und Viola hatten, seit der Schneefall eingesetzt hatte, wieder ihre Kapuzen aufgezogen. Sie unterhielten sich. Faith verstand die Worte nicht, doch anhand der Stimmen konnte sie erahnen, dass es um etwas Unterhaltsames ging. Sie hätte nie gedacht, dass Cade und Viola sich so gut verstanden oder sogar befreundet waren. Was war nur passiert, das Cade so offen gegenüber Viola gemacht hat? Oder anders, was war passiert dass er zu allen anderen so verschlossen war?
Das Zwielicht des Tages wurde immer düsterer, sodass Faith annahm, dass die Sonne unterging. Der Schneefall hatte wirklich zugenommen. Immer wieder hatte sie die dünne Schneeschicht, die sich auf ihren Händen und Armen angesammelt hatte, weggestrichen, damit es nicht durch die Körperwärme schmolz und die Kleidung nass wurde. Der Weg, dem sie folgten, war nun mit einer dicken Schicht Neuschnee bedeckt wodurch die Pferde nur noch langsamer vorankamen. Zum Glück konnten sie bald den Nadelwald ausmachen, der sich um den Fuß des Berges herum ausbreitete, in dem das Hauptquartier lag. Im Wald fiel der Schnee nicht mehr so dicht, da die Nadeln viele Schneekristalle auffingen. Als sie den Unterstand für die Pferde erreichten war es bereits so dunkel, dass Cade eine Laterne entzündete, die genug Licht spendete, um den Pferden die Sättel und Zaumzeuge sicher abnehmen zu können. Faith stützte Asha auf dem Weg ins Hauptquartier etwas, da die Rothaarige geistig schon halb weggetreten war. Cade und Viola schienen das längst bemerkt zu haben, denn sie steuerten die Zimmer der Ärzte an. Sofort kam eine Ärztin herbeigehuscht, die Asha in eines der Zimmer brachte. Die anderen drei folgten ihnen. Sobald Asha auf dem Behandlungsstuhl saß musste sie sich schwer bemühen, nicht die Augen zufallen zu lassen und einzuschlafen. Die Ärztin behandelte ihre Wunden schnell und wies dann Viola an, ihre Schülerin ins Zimmer hinunter zu begleiten. Cade sah den beiden hinterher. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Wand während die Ärztin nun ebenfalls Faiths Wunden versorgte. Faiths Blick war glasig. Auch sie spürte die Müdigkeit in ihren Gliedern, sobald sie sich gesetzt hatte. Sie bemerkte kaum, dass Cade noch anwesend war. Vermutlich wartete er auf irgendwas. Hatte er auch eine Wunde? Als die Ärztin fertig war stand Faith auf und bedankte sich kurz, dann sah sie zu Cade. "Was? Willst du mich auch runter ins Zimmer schleifen oder wartest du darauf, dass ein Wunder passiert?", fragte Faith, die ihren Sarkasmus trotz Müdigkeit nicht verloren hatte. Cade machte ein halb amüsiertes, halb genervtes Geräusch, stieß sich von der Wand ab und sah Faith schief an. "Könnte ich schon machen, falls du den weiten Weg bis nach unten nicht schaffst. Aber eigentlich wollte ich nur sagen, dass wir morgen nach dem Mittagessen trainieren. Vergiss das nicht bis dahin. Und verschlaf nicht." Das meinte er jetzt doch nicht ernst? Wieso sollte sie verschlafen? Das hatte sie bis jetzt noch nie, da immer irgendwer vorher wach wurde und sie dann beim Aufstehen weckte. Cade verließ den Raum, nachdem er das gesagt hatte, sodass Faith ihm nur hinterhersehen konnte. Sobald ihr Mentor aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, lief auch sie aus dem Raum und hinunter zu den Novizenräumen. Was die Ärztin sich wohl dachte?
Elora und Zoé schliefen beide schon. Donna war nicht zu sehen. Die ganze letzte Woche war sie nicht mehr da gewesen. Vielleicht hatte sie ein anderes Zimmer bekommen... Erschöpft nahm Faith ihre Waffen ab, tauschte die Montur gegen die nun dickere Schlafkleidung und legte sich ins Bett. Der Schlaf übermannte sie schnell, sodass sie sich kaum noch Gedanken über den Tag machen konnte. Ihr Kopf war einfach zu schwer, und ihre Augen schlossen sich wie von selbst.

Red SnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt