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Ein Raunen ging durch die Menge der Assassinen, alle waren gespannt und gleichermaßen geängstigt. Was konnte das für eine Waffe sein? Wollte der Templeranführer sie ihnen nur vorstellen und damit angeben oder sie auch einsetzen? Alistair griff an seinen Gürtel und zog etwas hervor. Plötzlich hielt er in seiner Hand etwas Krummes, der Griff war aus dunklem, edlen Holz gemacht und der Lauf aus stabilem Metall. Der Abzug war fein verziert worden, sicher extra für den Lord. Als Alistair die staunende und gleichzeitig auch gefahrabwägende Stille seiner Feinde realisierte lachte er leise. "Faszinierend, nicht?" Kadirs Stimme klang misstrauisch, als er eine Gegenfrage stellte. "Was ist das?" Der Templer strich sachte über das Metallstück der Waffe, dann zog er hinten daran sodass es kurz klickte. Dann sah er wieder zum Großmeister. "Man nennt es eine Pistole, mein Guter. Lasst sie mir Euch vorführen..." Sein diabolisches Lächeln verstärkte sich bei seinen Worten, er hob die Waffe, legte einen Finger auf den Abzug und schoss. Ein lauter Knall ertönte. Faith zuckte zusammen. Das hatte sie schon einmal gehört. Als Asha gestorben war. Hatten die Templer damals dieselbe Waffe benutzt? Und bei Vaughn... War dieses Metallstück aus einer dieser... Pistolen? Noch bei ihren Gedanken sah sie sich gehetzt um. Auf wen hatte er gezielt? Wer würde fallen? Kurz dachte sie, der Schuss wäre ins Leere gegangen, als sie plötzlich bemerkte, wie Kadir sich an die Brust griff. Unterdrückte, verwirrte Laute entfleuchten seiner Kehle und nach und nach breitete sich an der Stelle, wo seine Hände lagen, ein tiefroter Fleck auf seiner Montur aus. Erst als der Großmeister in die Knie sackte und dann umkippte wurden die umstehenden Assassinen darauf aufmerksam. Gyth, die neben ihm gestanden hatte, schrie auf und kniete sich neben ihn. "Nein! Kadir!" Faith war nicht fähig, den Lauf der Dinge einzuordnen, sodass die Geräusche und die Handlung um sie herum von weit weg zu kommen schien. Gyth griff mit einer Hand nach Kadirs Kopf, damit der nicht auf dem Steinboden lag, während sie mit der anderen nach der Wunde tastete. Tränen liefen ihre Wangen hinab und tropften zu Boden. Sie rief nach einem Arzt. "Kadir. Nein. Wieso hast du das getan?", fragte sie schluchzend und mit einem vorwurfsvollen Unterton. Kadir lächelte nur schwach, wobei ihm ein kleines Rinnsal Blut aus dem Mund lief. "Was getan? Für die Bruderschaft einstehen? Für sie zu fallen? Ich glaube, das war mein einziges Ziel, meine einzige Aufgabe." Cade stand teilnahmslos daneben, jedoch hatte ihn der Angriff auf den Großmeister innerlich ziemlich in Aufruhr gebracht. Nebenbei lauschte er Kadirs Worten. Während Gyth auf dessen Antwort hin nur hilflos schluchzte und mitansehen musste, wie das Leben weiter aus Kadir hinausfloss, winkte er Cade zu sich. Der kniete sich nun auch neben den Großmeister hin und zog die Kapuze ab. "Ja, Meister?" Cade konnte ihm kaum in die Augen sehen, deshalb sah er respektvoll zu Boden. "Du bist ein wahrer Meisterassassine, vermutlich sogar der einzigwahre Assassine unter uns allen. Verzeih mir meine Blindheit..." Cade schüttelte den Kopf. "Es gibt nichts zu verzeihen." Der Großmeister lächelte, es sprach eine große Dankbarkeit daraus. Er tastete nach etwas und zog dann Cades versteckte Klinge hervor. "Hier. Die habe ich dir fälschlicherweise genommen." Er streckte Cade die Waffe hin, und während der sie entgegennahm und wieder befestigte löste Kadir seine eigene Klinge und gab sie ihm ebenfalls. "Gib sie an Faith weiter. Und Cade..." Kadir sah kurz zu Gyth, die nun nur noch stumm trauernd und mit gesenktem Kopf neben ihrem sterbenden Bruder kniete, sodass ihre Haare ihre Sicht bedeckten. Kadir griff nach Cades Arm und zog ihn näher heran. "Bring Faith hier raus. Sofort. Alistair wird angreifen, und er wird keinen übrig lassen. Flieht, solang ihr könnt." Cade sah ihn kurz mit hilfesuchender Miene an. Was verlangte er da von ihm? Wieso sollte er gerade Faith retten? Doch nicht etwa wegen ihrer 'außergewöhnlichen Begabung'... "Wo sollen wir rauskommen? Alistair hat vermutlich die Wahrheit gesagt, als er meinte dass er den ganzen Berg umstellt hat." Kadir nickte erschöpft. Cade sah, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. "Über das Plateau solltet ihr die Ställe erreichen können, nehmt ein Pferd und verschwindet." Cade durchdachte den Weg, den sie dann gehen mussten, und nickte knapp. "Versprich mir, dass du sie hier herausbringst." Kadir sah ihn mit flehendem Blick an. "Ich verspreche es, Meister. Ruht in Frieden, ich werde Euren Wunsch erfüllen." Cade hatte noch Kadirs versteckte Klinge in der Hand, die er nun sinken ließ. Der Großmeister schien nun alles Wichtige geregelt zu haben. Wie befreit von einer schweren Last erschlaffte er und atmete ein letztes Mal aus. Als Gyth bemerkte, dass er nun endgültig tot war, schluchzte und klagte sie erneut. Cade erhob sich, warf einen letzten Blick auf die Leiche des Großmeisters und lief dann zu Faith, die nur wenige Schritte abseits stand.
Zu Faith sickerte das Ganze nur sehr langsam durch. Kadir war tot. Der Grund, wieso sie den Assassinen überhaupt erst beigetreten war. Sie spürte eine tiefe Trauer in sich, die noch größer war als die über Ashas Tod. Alistair hatte strategisch gehandelt, ohne einen Anführer unterlagen die Assassinen keinem Befehl und würden in Chaos ausbrechen, sobald es zum Kampf kam. Gyth saß weiter trauernd neben ihrem verstorbenen Bruder. Faith beobachtete sie. Es versetzte ihr einen Stich ins Herz. So viele musste Gyth schon verloren haben, nur ihr Bruder war geblieben. Und nun hatte ein Templer ihr den letzten aus ihrer Familie genommen. Faith spürte, wie sich nun auch Tränen in ihren Augen sammelten. Doch sie wollte nicht weinen. Sie konnte nicht. Was, wenn die Templer nun angriffen? Plötzlich stand Cade vor ihr. Er drückte ihr etwas in die Hand und zog sie durch die Menge wieder zurück hinein ins Quartier. Im Gehen zog er sich wieder die Kapuze über. "Komm, schnell." So schnell wie Faiths Tränen gekommen waren verschwanden sie auch wieder. Sie blinzelte kurz verwirrt. "Wohin gehen wir?" Cade lief zielstrebig und mit langen Schritten die Treppe hoch. "Es war Kadirs letzter Wunsch, dass ich dich sofort von hier wegbringe." Faith zögerte. "Aber..." Dann fiel ihr Blick auf den Gegenstand in ihrer Hand. Es war eine versteckte Klinge. Kadirs versteckte Klinge. Ihre Augen wurden groß, sie öffnete verblüfft den Mund. "Wieso hast du mir seine Klinge gegeben?" Sie sah fragend in Cades Richtung, der eine Fackel in die Hand nahm und in den Höhlengang hineinlief. "Er wollte, dass du sie bekommst." Faith starrte erneut die Waffe in ihrer Hand an. Dann befestigte sie die versteckte Klinge einfach an dem Arm, an dem sie noch keine trug. Nun hatte sie zwei. Ob sie damit zurechtkommen würde? Sie wurde abgelenkt, als sie Cade fluchen hörte. "Was ist? Sind da draußen Templer?", wisperte sie. Cade sah kurz über die Schulter zu ihr und dann wieder nach vorn. "Nein. Mir ist nur aufgefallen dass ich meine Waffen ja nicht mehr habe. Nur die Klinge..." Faith dachte an den Moment seiner Gefangennahme zurück, als Kadir befohlen hatte ihm die Waffen abzunehmen. Cade trat im nächsten Augenblick ins Freie. Es war nun bitterkalt draußen, der Himmel war schwarz - denn es war immer noch Nacht. Es schneite nicht, doch das musste es nochmal getan haben, denn eine dicke Schneeschicht bedeckte alles um sie herum. Die einzige Lichtquelle hier oben war die Fackel. Und die löschte Cade nun, indem er sie in den Schnee steckte. Es zischte kurz gedämpft, dann war es wieder still. So konnte man bis hier oben hören, wie Alistair nun zum Angriff rief und unten der Kampflärm begann. Darunter mischten sich immer wieder die ohrenbetäubenden Schüsse der Pistolen. Faith wollte gar nicht wissen, wieviele Assassinen von der Templerarmee abgeschlachtet wurden. Wieviele Bekannte und Freunde darunter waren... Sie wollte nun auch nur noch weg von hier. "Okay, wir klettern jetzt runter. Wie in der einen Trainingsstunde. Erinnerst du dich?" Faith sah in die Richtung, aus der Cades Stimme gekommen war. Zu schade, dass er ihren entgeisterten Blick nicht sehen konnte. "Was? Spinnst du? Im Dunkeln?" Cade lachte nur leise auf, es klang jedoch eher weniger amüsiert. "Warte noch, der Mond sollte genug Licht spenden..." Faith wartete. Und irgendwann gewöhnten sich ihre Augen von dem hellen Licht des Feuers zu dem fahlen Mondlicht um, das heute Nacht herrschte. Sie sah ungefähr die Klippe, und sie erkannte Cade, der gerade darüberkletterte und sich nach unten bewegte. Sich seufzte leise und kletterte hinterher. Momentan ging kein starker Wind, doch die Felsen waren trotzdem eiskalt. Faith musste sich dazu zwingen, nicht loszulassen.
Sobald sie beide sicher unten angekommen waren sahen sie sich um. Der Wald ließ nicht so viel Mondlicht durch, sodass sie es schwerer hatten, etwas zu erkennen. Doch in einer Richtung schimmerte etwas Licht. Das mussten die Laternen am Stall sein. Sie schlichen näher, darauf bedacht in dem Schnee keine allzu lauten Geräusche zu machen, während sie liefen. Als sie nah genug an die Ställe herangetreten waren erkannte Faith Templer mit Fackeln und Laternen in der Hand, die die Pferde und den Ausgang daneben bewachten. "Faith?" Kurz noch in Gedanken verloren gewesen blinzelte sie jetzt und sah in Cades Richtung. "Was?" Ihre Stimmen waren nicht laut, sodass keiner der Templer sie bemerkte. "Schalte mit der Armbrust die weiter weg vom Ausgang aus, ich werde mich um die anderen kümmern." Faith nickte und schlich weg von dem Ausgang zu den wenigen Templern, die dort auf die Pferde achteten. Die Tiere schienen zu spüren, dass etwas nicht stimmte, und schnaubten nervös. Langsam schlich Faith weiter, bis ihre Deckung - die dichten Nadeln der Bäume - ihr den Blick auf den am Rand stehenden Templer freigaben. Sie nahm die Armbrust vom Rücken, legte an, spannte und schoss. Das Geräusch, das die Armbrust machte, war kaum hörbar. Der Templer machte nichtmal ein überraschtes Geräusch sondern kippte direkt in den weißen Schnee um ihn herum. Der Bolzen steckte ihm tief in der Stirn, sodass nun langsam Blut aus der Wunde floss und in den Schnee tropfte. Es dauerte kurz, dann bemerkte sein Nachbar, dass etwas nicht stimmte. Sofort lief er hinüber, entdeckte seinen Freund tot im Schnee und wollte gerade die anderen alarmieren, da schoss Faith den nächsten Pfeil. Er verstummte, kippte ebenfalls mit einem leisen Geräusch in den Schnee und blieb reglos liegen. Faith nahm die Armbrust zurück, wenn Cade diesen beiden gemeint hatte würde er sich wohl um die anderen zwei kümmern. Erst geschah nichts, dann liefen beide in die Richtung, in der eigentlich die beiden anderen stehen sollten. Nur einer von ihnen hatte eine Laterne. Gerade, als er diese über den einen Leichnam hob, huschte ein Schatten hinter ihn und stieß ihm die versteckte Klinge in den Nacken. Es war der mit der Laterne, sodass diese nun zu Boden fiel, zersprang und das Licht vom Schnee gelöscht wurde. Der andere sah sich hektisch um und wollte gerade sein Schwert ziehen, als ihm dieselbe Klinge in den Rücken gestoßen wurde, sodass er kurz aufkeuchte und dann erschlaffte. "Schnell, hol eins der Pferde raus!" Faith sah verwirrt in seine Richtung. "Ohne Sattel? Oder Zaumzeug?" Cade ließ seine versteckte Klinge ausgefahren und schaute wachsam zum Höhleneingang, aus dem ununterbrochen die Geräusche einer Schlacht drangen. "Halfter und Strick reichen vollkommen, los, mach!", erwiderte er mit einem energischen Zischen in der Stimme. Faith sah ihn nur kurz genervt an. Er war nicht mehr ihr Mentor, wieso ließ sie sich eigentlich noch von ihm herumkommandieren? Gut, er hatte mehr Erfahrung... Sie lief in eine der Boxen und warf dem Pferd dort ein Halfter mit Strick über, welchen sie wie einen Zügel befestigte. Cade durchsuchte währenddessen die Wachen und nahm ihnen ein paar Waffen ab, die er noch gebrauchen könnte. Es waren nicht die am besten geschmiedetsten Waffen, doch sie würden ihren Zweck schon erfüllen.
Ein Templer, der gerade aus dem Höhleneingang trat, bemerkte nach wenigen Sekunden, dass etwas nicht stimmte und zog sein Schwert. Cade drehte sich reflexartig zu ihm um, und in dem Moment bemerkte der Templer ihn. Jedoch war der kein guter Kämpfer, Cade parierte mit seinem neu erworbenen Schwert, trat ihm die Klinge aus der Hand und stieß ihm das Schwert in die Brust. "Faith! Wie lang noch?", rief er, nun ohne den Höhleneingang aus den Augen zu lassen. "Bin ja schon fertig", erwiderte die Assassine mit einem Knurren und zog das Pferd aus der Box. Cade steckte das Schwert weg und übernahm den improvisierten Zügel. Er strich dem Pferd kurz beruhigend über die Nüstern, dann stieß er sich kräftig ab, sodass er ohne Sattel auf den Rücken des Pferdes kam. Faith sah nun auch für einen Moment zum Tunnel, der zurück ins Quartier führte. Dort musste gerade die Hölle über die Assassinen hereinbrechen. Sie biss sich auf die Unterlippe. Zu gerne würde sie ihnen beistehen. Für sie kämpfen. Und wenn es das Letzte war was sie tat. Doch Kadir hatte etwas anderes befohlen. Nun sah sie zu Cade. "Ich glaube nicht dass ich da hochkomme...", bemerkte sie skeptisch und mit unsicherer Stimme. Cade stöhnte genervt und streckte ihr eine Hand hin, während die andere den Strick hielt. "Ein Assassine, der nicht auf ein Pferd hochkommt... Ob es das schon gab?", erwiderte er mit ironischer Stimme. Faith unterdrückte es, ihm Schimpfwörter an den Kopf zu werfen, und wollte stattdessen gerade nach seiner behandschuhten Hand greifen, als plötzlich schnelle Schritte vom Höhleneingang kamen. Sie sah wachsam über die Schulter. Die Schritte wurden lauter. Sie waren leichtfüßig, es musste ein Assassine sein. "Nein!", rief die Stimme eines Jungen. Faith erstarrte in ihrer Bewegung. Eine Gestalt rannte aus der Höhle hinaus, stolperte jedoch im Schnee und fiel hin. Seine Kapuze war ihm vom Kopf gerutscht, und im Mondlicht erkannte sie Bélac. Doch schon schüttelte er sich den Schnee aus den Haaren und versuchte, sich wieder hochzustützen, als ein Templersoldat, der ihn verfolgte, ebenfalls aus der Höhle trat. Faith erkannte, dass Bélac unbewaffnet und verletzt war. Sein Blut tropfte in den kalten Schnee, der bereits die Wärme aus den Händen des Novizen zog. Man hörte seinen keuchenden Atem, als er sich gehetzt umdrehte, sobald er seinen Verfolger bemerkte. "Nein!", rief er nochmal, dann stieß ihm sein Gegner ohne zu Zögern das Schwert ins Herz. Faith drückte sich beide Hände auf den Mund, um kein entsetztes Geräusch zu machen. Bélac machte ein ersticktes Geräusch, Blut lief aus der Wunde sowie aus seinem Mund und seiner Nase. Der Templer zog sein Schwert wieder heraus, Bélac fiel zu Boden. Eine weitere Stelle, an der der Schnee in dem Rot des Blutes gefärbt wurde. Im nächsten Moment wurde der Templer auf Cade und Faith aufmerksam. "Faith!", rief der Meisterassassine nun ungeduldig. "Mach jetzt!" Sie schluckte ihre Tränen herunter, griff nun endlich nach seiner Hand, stieß sich etwas ab und wurde dann von Cade auf den Rücken des Pferdes gezogen. "Halt dich fest, wir müssen so schnell wie möglich hier weg." Faith spürte den Blick des Templers in ihrem Nacken. "Hey! Hier sind noch mehr!", rief der Soldat nun laut. Faith dachte nicht nach, sie hielt sich an Cade fest wie er es ihr geraten hatte, dann stieß der dem Pferd die Fersen in die Seite sodass es laut wieherte und losgaloppierte. Rufe hinter ihnen wurden laut. Cade spornte das Pferd weiter an, und im gestreckten Galopp suchte es sich einen Weg durch den Wald. Der Schnee wurde von den Hufen aufgewirbelt und glitzerte im Mondlicht. Der Atem des Pferdes bildete große Atemwolken. Sobald sie aus dem Wald kamen konnte das Pferd auf der Ebene seine wirkliche Bestgeschwindigkeit zeigen. Sie hetzten durch die Nacht, die wenigen Lichter des Dorfes vor sich. Die stechend kalte Luft schlug ihnen ins Gesicht. "Cade? Wohin reiten wir?", wollte Faith wissen. Sie versuchte, etwas zu erkennen, doch der Gegenwind trieb ihr Tränen in die Augen sodass sie sie die meiste Zeit geschlossen halten musste. "An einen sicheren Platz. Einen, den die Templer nicht erwarten würden. Du wirst schon sehen..." Faith fragte nicht weiter nach. Sie war zu müde. Je öfter sie die Augen schloss desto seltener wollte sie sie wieder öffnen. Erschöpfung und Müdigkeit machten sich in ihr breit. "Ist es noch weit bis da hin?" Cade schien kurz ein amüsiertes Geräusch zu machen, doch der Gegenwind verfälschte es. "Es dauert schon noch, je nachdem wieviel Ausdauer das Pferd hat."

Faith wurde wach. Das Pferd war kurz gestolpert, es schien erschöpft zu sein. Es lief inzwischen auch nur noch Schritt. Die Assassine blinzelte müde. Sie war eingenickt, und sie wusste nicht für wie lang. Es war immer noch dunkel, doch am Horizont erkannte sie einen dunkelroten Streifen. Sie löste eine Hand um sich verschlafen über die Augen zu wischen. "Aha, wieder wach?", fragte Cade mit einer ruhigen Stimme. Er schien die ganze Zeit wach gewesen zu sein. "Ja..." Faith sah sich nun weiter um. In der Richtung, in die sie geschaut hatte, erkannte sie bei näherem Hinsehen, dass die Landschaft abbrach. Es mussten Klippen sein, an denen sie gerade entlangritten. Auf der anderen Seite erkannte sie einen dichten Laubwald, dessen Bäume jedoch kahl und schneebedeckt waren. Es hatte inzwischen auch wieder Schneefall eingesetzt, wie sie bemerkte. Jedoch wehte immer noch kein starker Wind, sondern nur leichte Böen. Die Luft roch ein wenig salzig. "Wo sind wir?" Cade lachte kurz monoton auf. "Bald da", erwiderte er nur knapp. Das Pferd ritt weiter. Faith sah nach vorn. War es das, wo Cade hinwollte? In der Ferne, dort, wo die Klippen etwas nach oben gingen, erkannte sie ein alleinstehendes, großes Gebäude. Es war mehrstöckig und wirkte verlassen. Je näher sie kamen, desto mehr Einzelheiten konnte Faith erkennen. Es war eine schmucke Villa mit einigen Verzierungen, einem stabilen Dach und einer Veranda. Alles daran wirkte gemütlich, gepflegt und schlicht genauso wie schön, doch ein Schleier schien über all dem zu liegen. Der Schleier der Verlassenheit und, dass sich seit vielen Jahren niemand mehr um dieses Haus gekümmert hatte. Die Blumen in den Blumenkästen davor waren vetrocknet, obwohl sie vor Sonne und Schnee geschützt waren, die Bäume nebendran und der Garten dahinter wirkten verwildert. Farbe blätterte ab, die Fensterläden waren verschlossen und überall rieselte Staub und Dreck. Cade hielt das Pferd an und stieg ab, Faith sprang ebenfalls vom Pferderücken. Zweimal ertönte das leise Geräusch, das ihre Füße auf dem Schnee machten. Mit den Zügeln in der Hand lief Cade näher. Er schwieg und sah zu den oberen Fenstern hinauf. Faith folgte ihm. Sie konnte nicht sagen, woher Cade diesen Ort kannte oder wieso er ihn ausgewählt hatte, aber die Templer schienen ihn wirklich nicht zu kennen. Einige Meter entfernt von der Tür blieb er stehen. "Cade, wo sind wir hier?" Als er ihre Stimme hörte drehte er den Kopf und sah sie mit einem Blick an, der sie verwirrte. Er sah beinahe schon traurig aus. Cade. Traurig. "Das ... ist das Haus in dem ich meine Kindheit verbracht habe."

Red SnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt