KAPITEL 7 - SLEEPLESS

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Lautstark und aggressiv klopft es an meine Zellentür.

„Aufstehen", höre ich mehrere Wärter durch den Flur brüllen. Das plötzlich eingeschaltete Licht blendet mich so sehr, dass ich erstmal meine Decke über den Kopf ziehe. Am liebsten würde ich heute einfach in meinem Bett liegen bleiben. Nur für mich alleine und ohne Fortress. Die letzte Nacht war schrecklich, ich konnte kaum schlafen, wälzte mich hin und her und wenn ich schlief, träumte ich schlecht. Ich bin müde, mein Kopf tut weh und ich klebe vom nächtlichen Schweiß. Der gestrige Tag möchte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Dieses Bild von dieser wehrlosen Maus möchte nicht verschwinden.

Im Flur höre ich, wie die Wärter ihr Geschrei und die aggressiven Hiebe gegen die Türen sich immer weiter von mir entfernen. Ich frage mich, wie spät es wohl ist. Das Zeitgefühl verliert man hier ohne Uhren und Informationen komplett. Vielleicht ist es sechs Uhr morgens, vielleicht aber auch schon Mittag oder Abend. Wie lange ich schon hier bin, kann ich auch nicht mehr sagen. Alles ist versunken.

Über diese Ungewissheit nachzudenken, macht mich depressiv, also raffe ich mich auf und schaffe es zu dem roten Spiegel, der über dem gleichfarbigem Waschbecken hängt.

Meine Augen kann ich kaum offenhalten und meine Sicht ist noch leicht verschwommen. Gähnend strecke ich meine Arme weit aus, sodass ich spüren kann wie sich meine Muskulatur dehnt. Mein Blutdruck erhöht sich, sodass ich einen Schub aus Kraft und Energie bekomme. Doch als ich, mit nun geschärftem Blick, in den Spiegel schaue erschrecke ich fast vor meinem Ebenbild. Ich betrachte mein zerzaustes Haar, meine dunklen Augenringe und meine blasse, fast schon eingefallen wirkende, Haut. Mich so erschöpft zu sehen macht mich traurig und ein kalter Schauer überrollt mich. Ich atme tief aus, reibe mir meine Augen und schrecke mein Gesicht mit kaltem Wasser ab. Im Gegensatz zu mir hat Jin wahrscheinliche bestens geschlafen. Der Gedanke, dass er mit einem Lächeln aufgewacht sein könnte, stört mich zutiefst.

Auch wenn er sich so lieb und ehrlich bei mir entschuldigt hat, weiß ich nicht, ob ich ihn heute sehen möchte. Doch habe ich eine Wahl?

Unzufrieden mit der gesamten Situation klammere ich mich an den positiven Gedanken, gleich duschen zu können und endlich den fiesen Belag von meinen Zähnen putzen. Ich möchte einfach all die Last von mir spülen, den kaltklebrigen Schweiß von mir loswerden und so neu aufatmen.

Für den Weg zu den Duschräumen ziehe ich mir meine Fortressuniform von gestern an, da ich wie üblich eine neue ausgehändigt bekomme.

Brav warte ich vor meiner Zellentür auf einen Wärter, der mir hoffentlich bald öffnet. Doch es tut sich nichts. Ich höre wie die anderen Insassen schon auf den Fluren umherlaufen, sich in einer Schlange aufstellen und gemeinsam zu den Duschräumen gehen. Wurde ich etwa vergessen?

„Hallo?", rufe ich vorsichtig, ohne zu wissen, ob mir dies Ärger einbringen könnte.

„Du musst noch warten, gedulde dich", antwortet ein Wärter, der scheinbar in der Nähe meines Zimmers steht.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken, schaue an die weiße Decke meines kleinen Raumes und warte. Ich warte und warte. Geduld ist nicht meine Stärke. Nicht hier. Nicht an diesem Ort, wo es keine Zeit gibt. Vielleicht warte ich Sekunden, Minuten oder auch Stunden. Ich weiß es nicht und ich werde es nicht erfahren.

Der Satz „Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an", bekommt hier in Fortress einen ganz anderen Stellenwert, da ich jeden Tag damit zu kämpfen habe. Ich weiß, dass ich diesem Ort hier viel gebe. Frau Doktor Fortress schwärmt von mir und meinen Fähigkeiten. Aber was gibt mir dieser Ort zurück? Ich bin allein unter Menschen, die so sind wie ich und dennoch können sie mich niemals verstehen. Vor Fortress hatte ich ein normales Leben, ohne von meinen Fähigkeiten zu wissen und ohne diese erdrückenden Gedanken. Einerseits bin ich wütend, dass meine Mutter mir alles verschwiegen hat, aber andererseits bin ich ihr auch dankbar, da ich zumindest einen Teil meines Lebens glücklich sein durfte.

B L A C K / D E M O NWo Geschichten leben. Entdecke jetzt