KAPITEL 2 - RECKLESS

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„Setz dich mein Junge und iss eine Kleinigkeit", lächelt mich der glatzköpfige Herr an.

Er bemerkt, dass ich bei ihm nach einem Namensschild suche. Freundlich legt er seine Hand auf meine Schulter:

„Mein Junge ich bin hier dein Ansprechpartner. Alles was du hier siehst habe ich erschaffen. Ich bin Doktor Fortress und Direktor dieser Einrichtung. Die reizende Dame, die dich heute befragt hat, ist meine Frau."

Reizende Dame? Sie kam mir eher streng und furchteinflößend vor, aber nun gut, ihr Mann scheint stattdessen reizender zu sein. Mit seinem Zeigefinger macht er mich auf die Kantine aufmerksam. Ich schaue mich um und erkenne, dass ich nun hier feststecke, also warum nicht das Beste draus machen?

Unsicher stiefel ich also auf die Kantinenfrau zu, die mir netterweise erklärt, wo sich das Geschirr befindet. Verdutzt bemerke ich, dass im Besteckfach nur Löffel vorhanden sind. Sind Messer und Gabeln zu gefährlich? Im Hintergrund höre ich wie über mich getuschelt wird. Wörter wie der Neue, Hungerhaken und Ähnliches schnappen meine Ohren auf. Es ist mir unangenehm. In mir kommt die Angst hoch, dass mich vielleicht jemand blöd ansprechen oder gar anfassen würde.

Doch an jeder Tür stehen zwei große Wärter, bereit um einen Angriff oder eine Flucht abzuwehren.

Ohne großen Hunger nehme ich mir ein Tablett und einen harmlosen Löffel. Mit großen Augen schaue in die befüllten Behälter, die hinter einer dicken Glaswand der Kantine liegen. Wie es scheint gibt es Kartoffelsuppe, die mir fast schon mütterlich auf meine Schüssel gehäuft wird. Diesen Moment habe ich mir anders vorgestellt. In Filmen werden die Kantinenfrauen meist als griesgrämige Schrullen beschrieben. Dies ist hier nicht der Fall. Unter den Augen der anderen Insassen suche ich mir einen Tisch für mich alleine. Die Blicke durchlöchern mich und machen mich nervös. Ich bekomme kaum einen Bissen hinunter. Plötzlich erschrecke ich mich durch einen lauten Knall. Ich sehe auf und erkenne wie jemandes Teller auf dem Boden liegt. Zwei Typen, die gegenübersitzen drücken sich gleichzeitig vom Tisch auf und schauen sich wütend an. Die Atmosphäre wird plötzlich unruhig. Einige Insassen scheinen erwartungsvoll. Andere scheinen verängstigt. Einer der Typen holt aus und gibt dem anderen eine ordentliche Schelle. Sein Kopf prallt gegen den Tisch und als er grade zum Gegenschlag ausholt mischt sich einer der Wärter ein. Er hebt eine kleine weiße Fernbedienung und plötzlich werden die streitlustigen Bullen sanft wie kleine Lämmer. Sie setzen sich wieder und schauen beschämt mit geneigtem Kopf auf den Tisch. Der Wächter steckt die Fernbedienung wieder in seine Hosentasche und läuft langsam und schmunzelt zu seinem Platz zurück. Den Blick zu den Streitlustigen verliert er dabei nicht. Ich frage mich was das für eine Fernbedienung ist und warum die beiden solche Angst davor zu haben scheinen? War es wie in diesen Filmen, in denen man einen Stromschlag bekommt, wenn man Mist baut, wie es manche Tierquäler mit Hunden machen?

All das Getuschel erlosch und einen kurzen Moment lang lag Stille in der Luft. Wenig später jedoch fing die Menge wieder an routiniert ihre Suppe zu löffeln. Trotz meiner Verunsicherung tat ich ihnen gleich. Die Suppe ist ok, doch Mutters Essen war natürlich um Längen besser. Bei jedem Schlürfen betrachte ich die Menschen um mich herum. Alle samt tragen diesen weißen Jogginganzug. Mir fällt auf, dass alle schwarze Haare haben, bis auf eine Ausnahme. Gegenüber von mir sitzt ein blondhaariges Mädchen in einem Rollstuhl. Ihre milchig weißen Augen verraten mir, dass sie blind ist. Sie sitzt einfach da. Ich frage mich welche Geschichte sie zu erzählen hat und wie sie herkam?

Sie wirkt so allein und in sich gekehrt. Fast so wie ich. Ihr Anblick macht mich traurig und es weckt in mir ein tiefes Mitgefühl, gar eine gewisse Verbundenheit, hervor.

Durch ihre ins Nichts blickenden Augen wirkt es fast so als wäre sie gar nicht da. Was hört sie? An was denkt sie? Irgendwie fasziniert sie mich. Sie erinnert mich an mich selbst. So wie sie da sitzt beruhigt sie mich. Soll ich zu ihr rüber gehen? Nein, ich bleibe sitzen, esse weiter und vertiefe mich in meine Gedanken. Wie geht es nun weiter?

B L A C K / D E M O NWo Geschichten leben. Entdecke jetzt