KAPITEL 10 - SIGHTLESS

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Wie ein Zombie schwanke ich gekrümmt von meiner Zimmertür in Richtung meines Bettes. Die Schwerelosigkeit scheint meine Arme wie Steine hinunterzuziehen, sodass sie leblos neben mir her baumeln. Ich erschrecke, als der Wächter hinter mir die Tür zu wirft, aber bin gleichzeitig erfreut endlich allein zu sein. Jeder einzelner Schritt ist unglaublich schwierig zu bewältigen und löst höllische Schmerzen in mir aus. Das Verlassen der schwarzen Masse aus meinem Körper, sowie der erneute Eintritt, hat mich enorm erschöpft. Die Qualen, die ich verspüre, scheinen von meinem Inneren zu kommen, doch genau lokalisieren kann ich sie nicht, da sich der Schmerz bis zu meinen Fingerspitzen und Zehen ausbreitet. Es fühlt sich in etwa an, als hätte ich an und in meinem gesamten Körper starken Muskelkater. Diese Art von Schmerz habe ich so noch nie empfunden. Ich kann kaum damit umgehen.

Zu all diesen körperlichen Leiden, fühle ich mich insbesondere von Frau Doktor Fortress benutzt, gedemütigt und misshandelt. Sie hat den Vertrag, den ich unterschrieb, gebrochen und damit jedes kleine Stückchen Vertrauen, welches ich noch hatte, zerstört. Wie soll ich jemals vergessen oder darüber hinwegsehen können, was sie mir angetan hat? Sie ist ein reines Monstrum - Nicht mehr und nicht weniger.

Dieser Tag wirkt so dermaßen irreal, dass ich mir fast schon, wie ein unwissentlicher Schauspieler in einem Horrorfilm vorkomme. Der Film hätte für seine Brutalität definitiv einen Preis verdient.

Zwar wusste ich vor dem Eingriff schon, wie menschenverachtend diese Einrichtung sein kann, doch der heutige Tag hat mein Wissen darüber allemal übertroffen. Wo soll das alles hinführen und wo wird es enden? Ich sehe mich schon leblos in irgendeiner Ecke oder auf irgendeinem kalten OP-Tisch liegen.

Ich bin wie diese arme Maus, die durch Jins Gift qualvoll verstorben ist: ein belangloses Forschungsobjekt, dessen Gefühle keine Wichtigkeit haben.

Das schlimmste daran ist nicht mal die Erkenntnis, sondern die Tatsache, dass ich nichts dagegen tun kann. Meine Angst vor Frau Doktor Fortress hat nun die Spitze des Gipfels erreicht. Wer weiß, was sie mir noch antun wird? Dabei hatte ich doch schon genug!

In meiner Furcht versunken stütze ich mich an meiner Zimmerwand ab, um kurz eine Atempause einzulegen. Am liebsten würde ich schreien, doch selbst dafür bin ich zu schwach. Mein Sehsinn ist übersensibel, sodass mich das grelle Deckenlicht dazu zwingt, meine Augen zuzukneifen. Um mich herum nehme ich das rote Mobiliar teils verschwommen war, was mir zusätzlich ungeheure Kopfschmerzen bereitet. Doch trotz all der Qualen versuche ich den Weg zu meinem Bett zu meistern. Mit einem letzten tiefen Seufzer lasse ich mich wie ein Sack Kartoffeln auf meine Matratze fallen. Durch meine Erschöpfung wirkt sie ungemein bequemer als sonst. Es scheint fast, als hätte sie nur auf mich gewartet und als könnte ich für immer in ihr versinken. Ich greife nach meiner Bettdecke und wickle mich in ihr ein, bis nur noch mein Kopf hinausschaut. Ich beschließe meine Kleider einfach anzulassen und mit ihnen zu schlafen, wodurch mir schnell warm und muckelig wird.

Der Tag war schrecklich und ich bin überglücklich ihn überstanden zu haben. Das Verhalten von Frau Doktor Fortress hätte mich schließlich auch das Leben kosten können.

Beschwerlich drehe ich meinen Kopf zu der ans Bett angrenzenden Wand und drücke den dort angebrachten Lichtschalter. Pure Dunkelheit kehrt ein und ich spüre, wie meine Augen sich endlich entspannen. Sie werden schwer und fallen von alleine zu.

Ich denke daran, wie Zudic mir zur Hilfe eilte und sich gegen ihre eigene Vorgesetzte stellte. Ein Teil von mir möchte ihr vertrauen und hofft, dass ihre Tat keine schlimmen Folgen haben wird, doch ein anderer Teil von mir glaubt immer noch, dass Zudic kein guter Mensch sein kann. Wieso sonst würde sie hier überhaupt arbeiten?

Mit diesem letzten Gedanken versuche ich schließlich zu schlafen, meinen Körper in einen kompletten Ruhezustand zu bringen und nur für einige Stunden aus dieser Welt zu verschwinden. Doch als ich plötzlich leise Schritte wahrnehme, die sich immer lauter auf meine Zimmertür hinzubewegen, kann mein Körper nicht anders als Adrenalin auszuschütten. Die Angst erwacht in mir und ich bange davor, dass mir heute ein erneutes Trauma zustößt. Ich drehe mich zur Tür, werfe die Bettdecke von mir ab und setze mich auf. Ein Schatten bricht den schmalen Lichtstrahl, der unter dem Türschlitz in mein Zimmer weicht. Mein Herz pocht so schnell, dass ich es in dieser ruhigen Stunde hören kann. Hastig schalte ich das Licht wieder ein und als meine Panik kurz davor ist die Spitze des Gipfels zu erreichen, bleibt plötzlich einzig große Verwirrung zurück, als lediglich ein gefalteter Zettel unter meiner Tür hindurch geschoben wird. Der Schatten entfernt sich ebenso schnell wie er aufgetaucht ist und ich sitze regungslos in meinem Bett. Was ist gerade geschehen, wer war das und was ist das für ein Zettel?

B L A C K / D E M O NWo Geschichten leben. Entdecke jetzt