KAPITEL 4 - BOUNDLESS TEIL 1

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Eine Woche bin ich nun schon in Fortress gefangen. Mein Gemütszustand sinkt stark ins Negative und ich bekomme allmählich das Gefühl verrückt zu werden. Die strahlend weißen Wände erdrücken mich. Die Nächte sind zu kurz und die Tage viel zu lang. Ständig fühle ich mich beobachtet. Aus Angst ein Wärter würde nach dieser feindlichen Fernbedienung greifen, versuche ich mich so langsam zu bewegen, wie es nur geht. Obwohl mein Magen dauerhaft knurrt, bekomme ich kaum einen Bissen hinunter. Dieser Freiheitsentzug und diese Ungewissheit was als nächstes geschehen könnte machen mich müde und nervös. Ich sehne mich nach frischer Luft und das Gefühl der warmen Sonne auf meiner Haut.

Nur die täglichen Strukturen hier in Fortress bieten mir einen gewissen Halt, der mich noch aufrecht stehen lässt. Einmal täglich Duschen, drei Mahlzeiten am Tag einnehmen und wöchentlich eine medizinische Untersuchung bilden einen strikten Zeitplan. Dazwischen kann jeder sich die Zeit selbst einteilen. Der Speisesaal ist grundsätzlich immer geöffnet und bei Anfrage begleitet ein Wärter einen dort hin. Die meiste Zeit hocke ich jedoch, gemeinsam mit meinen negativen Gedanken, in meiner Zelle. Wie Aasgeier kreisen sie über mir, in der Hoffnung ich würde bald an ihnen zu Grunde gehen. Ich denke an den Tod meiner Mutter, an den Brief und die Worte von Zudic. Sie sprach davon Antworten zu haben und täglich kämpfe ich mit mir selbst sie nicht nach diesen anzubetteln. Diesen Triumpf wollte ich ihr nicht gönnen. Zudem wusste ich, dass sie meine Antworten so viel mehr benötigte als ich ihre. Sieben Tage reichten, um mich ans Ende meiner psychischen Kräfte zu bringen, doch das ist nun mein Leben.

Einsam sitze ich an einem der Kantinentische und schaue mein Frühstück auf das weiße Tablet an. Seufzend fahre ich mit meiner Fingerspitze den Rand an meiner Tasse entlang und gähne vor Erschöpfung. Mit meiner Hand schiebe ich das noch volle Tablett von mir weg. Die grell rote Farbe des Tisches blendet meine müden Augen. Die Nächte kaum geschlafen nehme ich einen großen Schluck des Kaffees. Er schmeckt grauenvoll. Als hätte man ihn über Nacht in einer Kettenraucherbude stehen gelassen. Dennoch symbolisiert er mir ein Stück Normalität und heimisches Ritual. Bevor ich meinen Tag begann trafen sich meine Mutter und ich zu einem gemeinsamen Frühstück. Jeden Morgen saßen wir da, hörten dabei die Nachrichten aus dem Radio und redeten über allerlei Themen. Das Ritual wurde zu einem heiligen Versprechen und so trafen wir uns, auch wenn wir mal stritten oder anschwiegen.

Diese schöne Erinnerung zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Ordentlich stelle ich meine Tasse auf das Tablett und bringe es in eine dafür entsprechenden Wagen.

Aus der Ferne hallt auf einmal ein Pfiff durch den Saal.

„Ab zu den Duschen Nummern", ruft einer der Wärter laut.

Eine Nummer... Ich bin nur noch eine Nummer...

Wie ein dressierter Hund stelle ich mich mit den anderen Insassen in einer Reihe auf. Mehrere schwarz gekleidete Wärter begleiten uns auf den Weg zum großen Waschsaal. Mein Körper scheint derweil von meinem Geist getrennt zu sein. Er läuft von automatisch zu der mir zugewiesenen Dusche, gehorcht jedem Befehl und beginnt sich zu entkleiden.

Es ist immer noch ein merkwürdiges und beschämendes Gefühl sich vor all diesen fremden Personen entblößen zu müssen. Mein Recht auf Privatsphäre habe ich hier komplett verloren.

Trotz dessen stelle ich mich unter das dampfende Wasser und versuche diesen Moment der aufprallenden Tropfen zu genießen. Das Gefühl von sämtlichen Wärtern angestarrt zu werden verhindert es jedoch mich richtig entspannen zu können. Während ich mit einer Hand mein bestes Stück verstecke, streife ich mit der anderen durch mein Haar und schäume es großzügig ein. Beim Massieren meiner Kopfhaut schließe ich meine Augen. Ich kann das Wasser auf die Bodenfliesen aufschlagen hören. Neben mir höre ich wie zwei Typen über den ekelhaften Kaffee scherzen. Es lässt mich schmunzeln.

B L A C K / D E M O NWo Geschichten leben. Entdecke jetzt