KAPITEL 12 - BLINDLESS

70 7 54
                                    


ACHTUNG!:

Dieses Kapitel ist aus der Sicht von Lumine geschrieben, ab dem nächsten Kapitel geht es wie normal, aus der Sicht Paynes, weiter.

Abertausende Gedanken schwirren in meinem Kopf umher. Sie sind dunkel und kalt, wie eine wolkenverhangene Nacht, die alles Licht verdrängt. Es sind Gedanken, die nicht meine eigenen sind und dennoch brechen sie immer wieder wie eine Sturzflut über mich herein. Sie lassen mich erstarren und füllen mich mit der elenden Trauer, den Ängsten und dem großen Schmerz ihrer eigentlichen Besitzer. In mir bleibt einzige Furcht zurück, dass sie mein eigenes Dasein vollkommen überschwemmen könnten.

Tagtäglich höre ich die Stimmen, die lauten Hilfeschreie und Gebete von denen, die mir gleichen. Auch sie sind verlorene Seelen, für die Fortress keinen Wert mehr sieht. Hier in dem Untergrund kommen Insassen, die Einschränkungen aufweisen, zu gefährlich werden oder ganz einfach keinen Nutzen bringen.

Meine Mutter wollte mich vor genau diesem Ort bewahren und handelte aus diesem Grund einen Deal mit Frau Doktor Fortress aus. Solange ich ihr Spitzel wäre und ich ihr reichlich Informationen über die anderen Insassen zukommen lassen würde, wäre mein Leben gesichert. Denn klar war, dass ich mit meinen körperlichen Einschränkungen, gemäß nach den Regeln von Fortress, in den Untergrund gehört hätte. Trotz meiner Blindheit und der Unfähigkeit zu gehen, sah mich die Einrichtung als etwas Besonderes an, weshalb ich am Leben gelassen wurde. Schnell wurde ich ein Teil des Ganzen und entwickelte sogar ein Gefühl von Geborgenheit.

Doch nur ein einziges Versagen meiner Begabung, im Falle von Payne Dust, bewirkte, dass ich als schwach und nutzlos angesehen werde. Dieser einzige Aussetzer bewirkte, dass ich in den Augen von Frau Doktor Fortress als eine große Verschwendung angesehen werde. An einem Ort wie diesem ist mein Dasein nun nichts mehr wert, sodass ich wie stinkender Abfall entsorgt werden kann.

Willkommen in Fortress. Willkommen in der Hölle.

Mein Magen schmerzt und knurrt vor Hunger. Lediglich ein Stück Brot haben mir die Soldaten in die Zelle geworfen. Eigentlich möchte ich mich dieser Entwürdigung widersetzen und mit meinem Hunger in eine Art Streik gehen, doch die lauten Vibrationen in meinem Bauch machen es mir unmöglich. Letztendlich zwingt mich die beißende Leere in mir, wie ein Maulwurf über den Boden zu kriechen und nach dieser harten Scheibe Brot zu suchen.

Als ich sie finde und in ihr hineinbeiße, bekomme ich die trockene Konsistenz eines Kohlestücks zu spüren, dessen Überreste sich in all den Zwischenräumen meiner Zähne einkacheln. Um es erträglicher runterwürgen zu können, tauche ich es in den Wassernapf neben mir und lasse es aufweichen.

Nach ein oder zwei Tagen trifft mich dann die schockierende Erkenntnis, dass ich zwar immer wieder neues Brot zugeworfen bekomme, jedoch der Napf nicht mehr aufgefüllt wird. Trotz mehrfachem Bitten und Flehen um mehr Wasser, schenken mir die Soldaten nur stille Ignoranz.

Mittlerweile ist noch eine kleine Pfütze des wohltuenden Nass vorhanden, mit der ich nun sehr sparsam umgehen muss. Vorsichtig lege ich mir winzige Tropfen auf meine Zungenspitze, während ich in der Vorstellung versinke, dass kühles Wasser meine trockene Kehle hinunterfließt.

Erst jetzt lerne ich das Privileg zu schätzen, täglich warmes Essen und andauernden Zugang zu verschiedener Getränke zu haben, die sogar die verschiedensten Geschmacksrichtungen vorweisen. Ich vermisse mein weiches Bett, das Nutzen einer heißen Dusche, sowie meine schützende Kleidung.

Ja selbst meine Kleidung haben sie mir genommen!

Ich denke an den Tag zurück, an dem mich die Soldaten aus dem Speisesaal rausgeschliffen haben. Sie verfrachteten mich etliche Etagen nach unten, wie ich wie ein alter, kaputter Gegenstand in dieses Kellerloch geworfen wurde. Wie wildgewordene Tiere haben sie mir die Kleider vom Leib gerissen, mich bespuckt und darüber gelacht.

B L A C K / D E M O NWo Geschichten leben. Entdecke jetzt