KAPITEL 14

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Wincent

Wincent wusste nicht, worauf er stolzer war – auf die Goldene Henne, die er sich so sehr gewünscht hatte, weil es ein Publikumspreis und er bereits zweimal nominiert gewesen war, dass er nicht nur Alvaro, sondern auch Künstler wie Roland Kaiser, Herbert Grönemeyer, Rammstein, sogar Sarah hinter sich gelassen hatte, oder seinen Auftritt auf der Bühne der Verleihung, als er Einmal im Leben gesungen hatte. Vermutlich war es der ganze Abend, den Wince so sehr genoss, weil Alvaro und Jeanette da waren, weil er bei Jeanettes liebevoller Laudatio beinah Tränen in den Augen gehabt hatte, weil er sich so unfassbar freute. Es war der Lohn für die harte Arbeit der letzten Jahre, die Bestätigung von den Fans, und das war Wincent am allerwichtigsten.
Er genoss die Aufmerksamkeit auf dem roten Teppich wieder, die Anfragen nach Interviews, die jubelnden Fans. Er sah Alvaro ebenfalls bei einem Reporter stehen, Jeanette hatte er aus den Augen verloren. Aber sie würden sich auf der After-Show-Party noch einmal sehen und natürlich gemeinsam nach Berlin fahren, wo in zwei Tagen schon das Konzert auf der Waldbühne stattfinden sollte.

»Ach, Winnie, ich freue mich so für dich«, umarmte Jeanette ihn, nachdem Wincent wenig später auf der After-Show-Party Glückwünsche von vielen anderen Preisträgern, Nominierten und Gästen entgegen genommen hatte.
»Danke für deine Laudatio, das waren so schöne Worte«, sagte Wince, fühlte sich gleich wieder ein wenig ergriffen.
»War ja nur die Wahrheit, mein Lieber«, meinte Jeanette. »Herzlichen Glückwunsch. Die Henne kommt gerade genau richtig, oder?«
»Oh ja«, sagte Wincent. »Ey, ich freu mich so sehr. Immerhin war ich schon zweimal nominiert.«
»Und jetzt hast du sie endlich«, klopfte Jeanette ihm auf die Schulter. »Komm, lass uns etwas trinken gehen. Wo steckt denn dein Mann?«
»Ey, Alvaro ist nicht…«, begann Wincent, aber Jeanette lachte nur und schob ihn in Richtung des Veranstaltungssaals, in welchem die After-Show-Party stattfinden sollte.
»Bin schon da«, vernahm Wince da Alvaros Stimme hinter sich, fuhr herum und ließ sich umarmen. »Noch mal… herzlichen Glückwunsch«, raunte Alvaro an seinem Ohr. »Danke«, strahlte Wincent. »Gehen wir was trinken?«
»Unbedingt«, stöhnte Alvaro.

Er sah ein wenig zerknirscht aus und Wince warf ihm einen Blick zu, während sie sich in der Lounge eine Sofaecke suchten.
»Alles okay?«, fragte er. »Bist du doch enttäuscht oder so?«
»Nein, absolut nicht, wirklich«, versicherte Alvaro. Jeanette drängte sich zur Bar durch um Drinks zu besorgen.
»Aber irgendwas ist doch?«, beharrte Wincent.
Alvaro räusperte sich verlegen. »Ich… äh, hab vielleicht Mist gebaut«, gestand er und sah dabei so beschämt aus, dass Wincent sich ein Kichern verkneifen musste.
»Was hast du angestellt?«, wollte er dann aber wissen.
»Ich hab mich eben beinah verplappert«, gestand Alvaro und Wincent zog eine Augenbraue hoch. »Wegen… uns. Also, ich konnt‘s retten, aber die werden bestimmt spekulieren die nächsten Tage. Tut mir leid, ich… hab’s verbockt.«

Kurz starrte Wincent Alvaro ungläubig an, aber eher, weil er sich deshalb solche Gedanken machte und Wince schon gedacht hatte, es sei etwas Ernstes vorgefallen. Dann kicherte er tatsächlich. »Dein Ernst? Deshalb machst du so n Aufstand? Ey, wir wollen uns doch eh bald outen. Alles cool, wirklich.«
»Ich weiß, ich wollte es dir trotzdem sagen«, erwiderte Alvaro. »Die werden bestimmt spekulieren und…«
»Sollen sie halt«, grinste Wince. »Vielleicht ist das sogar ganz gut, dann kommt unser Outing nicht so überraschend.«

Natürlich gab es schon ein paar Stunden später Artikel über Alvaros Versprecher und Wincent kicherte erneut, als er das Video von Alvaros Interview später in ihrem Hotelzimmer anschaute. Jeanette hatte das Zimmer neben ihnen, am nächsten Tag wollten sie gemeinsam zurück nach Berlin fahren.
»Süßer Patzer vor laufenden Kameras – was verbindet Alvaro Soler und Wincent Weiss wirklich?«, lautete nur eine der Schlagzeilen und Alvaro stöhnte, als Wince ihm lachend den Artikel zeigte.
»Das war so klar, ne«, fuhr Alvaro sich genervt mit einer Hand durch die Haare.
»Ach, komm, Schatz«, lachte Wince. »Ey, wir wissen doch, wie die sind. Hast du echt gedacht, ich wär sauer deswegen?«,
»Ich weiß nicht, ärgere mich einfach nur über mich selbst«, seufzte Alvaro. »So n blöder Versprecher. Es tut mir leid.«
Schmunzelnd stand Wincent auf, trat zu seinem Freund, schlang beide Hände um Alvaros Hals und küsste ihn endlich – was er schon den ganzen Abend hatte tun wollen. »Ich find‘s eigentlich total süß«, raunte er an Alvaros Lippen. »Mach dir keinen Kopf, okay? Alles ist gut.«

Nur Ein Herzschlag entferntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt