Kapitel 10

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♠Ion♠

"Ist es wahr?" Eigentlich ist die Frage mehr an mich selbst gerichtet, denn wenn das alles wahr ist, was zum Teufel hat mich dazu gebracht so wahnsinnig schlecht über Adam zu denken?

"Was genau von dem allem, was ich erzählt habe, meinst du? Glaubst du ich verarsch dich?", antwortet Adam aufgebracht und schüttelt dann den Kopf. „Aber eigentlich auch egal, denn alles was ich sagte ist wahr." Ich weiß nicht was ich denken soll. Ich bin verwirrt und traue mir gerade selbst nicht. Was hat meine Gedanken getrübt und mir falsche Samen eingepflanzt? Ich war schon immer ein objektiver Mensch und habe stets nur geglaubt was ich mit eigenen Augen gesehen gesehen oder selbst gehört habe. Doch nicht in diesem Fall.

Ich bin gleich vom Schlimmsten ausgegangen und habe Adam verurteilt einzig aufgrund dessen, was ich über Adam von anderen gehört habe. Doch wenn ich mir seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen lasse, war es auch für Adam nicht leicht und im Grunde alles nur ein Missverständnis, oder einfach unglücklich gelaufen.

"Verzeih mir, wenn ich nachfrage, aber einfach Vertrauen ist etwas, dass ich seit diesem Fall nicht mehr kann. Nicht dem FBI und denen, die dazugehören, und auch sonst niemandem. Selbst in meinem privaten Umkreis vertraue ich nur einem – nein, mittlerweile sind es sogar drei Personen, doch selbst dass hat lange gedauert, bis es soweit war."

Ich sehe, dass ihn diese Aussage verletzt, aber ich kann es nicht ändern. Selbst wenn alles nur ein Versehen war, ändert es nichts an meinen Erfahrungen und dem damit zusammenhängenden, absoluten Vertrauensverlust.

„Was mich immer noch brennend interessiert ist, ob ihr mittlerweile wisst was an dem Tag schief gelaufen ist." Fragend sehe ich Adam an und beobachte ihn beim Nachdenken, bevor er mir für die Antwort direkt in die Augen sieht.

"Nein. Laut dem Director lief nichts schief. Doch so wie es aussah muss Egor schon vorher gewusst haben, dass etwas vor sich geht, denn normalerweise trug er zu Hause, wegen den Kids, keine Waffe am Körper, wie du weißt. Doch an diesem Tag war er bewaffnet. Befragungen von den übrig gebliebenen Mitgliedern seiner Organisation und seinen Handlangern, verliefen alle ins Leere. Wir wissen nichts Ion. Darum brauchen wir dich ja auch, jetzt wo Egor wieder da ist."

Ich ziehe meine Augenbrauen nach oben und sehe ihn skeptisch an.

"Das ist der Grund wieso du mich gesucht hast, nicht wahr? Es geht hier nicht darum, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast, oder? Hättest du auch ohne den Auftrag nach mir gesucht?"

Verlegen senkt er den Kopf. Er kann mir nicht mehr in die Augen sehen. Somit habe ich recht, es geht mal wieder nur um den Job und nicht um mich, oder uns.

"Adam, ich habe abgeschlossen mit dem FBI. Ich will das Ganze nicht mehr. Wenn ihr Egor finden wollt dann tut das, aber ohne mich." Er will was sagen, doch diesmal erbitte ich mir die Gelegenheit, erst zu Ende reden zu dürfen.

„Es tut mir leid, dass ich so schlecht über dich gedacht habe, aber was blieb mir denn anderes übrig? Ich wurde angeschossen, operiert, lag im Koma und wurde danach noch einmal operiert, weil sich die Narbe entzündet hatte. Jedesmal, wenn ich nach dir fragte, bekam ich keine Informationen. Alles was ich wusste, war, dass du meinen Platz eingenommen hast. Das hat mich so wütend gemacht, dass ich mir schwor tat alles hinter mir zu lassen. Ich hatte nicht mal mehr irgendwelche persönlichen Dinge, da das Lager, in dem ich meine Sachen während des Auftrags eingelagert hatte, während ich im Koma lag aufgelöst wurde. Der Director gab mir eine Abfindung und bezahlte mir die Reha und die Kosten die für meine Heilung anfielen, doch beruflich stellte er mich kalt. Ich sei zu angreifbar und psychisch zu instabil und nicht mehr in der Lage wieder als Undercover Agent eingesetzt zu werden. Sie boten mir einen Job in einem ihrer Büros an, aber das wollte ich nicht. Ich versuchte, dich auf unterschiedliche Arten zu erreichen, doch kam nicht an dich ran. Letzten Endes kam der Director auf mich zu und meinte ich solle dich in Ruhe lassen, du müsstest dich auf einen großen Undercover Einsatz vorbereiten." Ich sehe an seinen Blicken, dass er das alles wirklich nicht gewusst hat und sehe meinen Vertrauensverlust, zumindest was das FBI angeht, damit bestätigt.

„Weißt du, auch ich habe dich geliebt. Ob du es glaubst oder nicht, auch du warst mein Erster. Auch wenn ich damals schon 30 war so hatte ich niemals zuvor einen Freund. Es hat mich schwer enttäuscht als ich aufwachte und du saßt nicht an meiner Seite. Gut, jetzt weiß ich ja wieso nicht, aber dennoch zogen sich genau diese Gedanken die letzten Jahre durch mein Leben."

"Es tut mir so wahnsinnig leid Ion. Hätte ich das gewusst...."

"Hättest du nichts daran ändern können. Das FBI hätte dafür gesorgt, dass wir uns nicht mehr sehen. Ich weiß wie die Agency tickt und du mittlerweile sicher auch. Sie hätten uns niemals zusammenarbeiten lassen. Ihnen kam das vermutlich sogar gerade recht. Ich gehörte damals schon zum älteren Semester, und wäre wohl schon bald nur noch in Golfclubs und in Glücksspiel-Hinterzimmern einsetzbar gewesen. Wenn das nicht passiert wäre hätten sie mir spätestens zwei Jahre später nahegelegt, doch zu kündigen."

Ich weiß nicht ob ich ihm über die fünf Jahre, die ich gebraucht habe um über alles wegzukommen, erzählen soll, denn sie waren wirklich ziemlich dunkel. Die Schmerzen die ich trotz Reha noch hatte und teilweise auch immer noch habe, stürzten mich in Depressionen. Meine Welt war mehr dunkel als hell. Beim FBI habe ich vieles gelernt. Disziplin, Selbstbeherrschung und vieles mehr. Doch in diesen fünf Jahren konnte ich meine Maske nicht aufrecht erhalten und brach einfach zusammen.

Nein, nein, damit werde ich Adam nicht behelligen. Nicht jetzt. Vielleicht irgendwann einmal.

"Können wir etwas spazieren gehen? Ich habe gerade das Gefühl hier drin zu ersticken", bitte ich Adam, welcher mich mit geweiteten Augen ungläubig ansieht, doch zustimmend nickt.

Ich weiß genau was er denkt. Früher wollte ich nie spazieren gehen. Viel zu gefährlich und viel zu anstrengend, wenn man sich immer wieder umdreht und umsieht, nur um zu schauen wo die nächste Gefahr droht. Aber genau das habe ich in den letzten 13 Jahren abgelegt.

"Mittlerweile gehe ich ziemlich gerne spazieren, vor allem mit Mr. L, dem Hund meines Bosses", verrate ich Adam und gebe ihm somit einen klitzekleinen Einblick in mein privates Leben.

Wir stellen kurz die Teller zusammen und tragen sie in die Spüle. Den Abwasch sollen wir ja liegen lassen, den macht Thomas morgen früh.

Also gehe ich zur Garderobe, ziehe meine Schuhe an, nehme meinen Schlüssel und verlasse die Berghütte. Adam ist direkt hinter mir und zieht die Türe zu.

"Nach der Reha war ich erstmal eine lange Zeit zu Hause, nachdem ich eine Wohnung gefunden und sie komplett neu eingerichtet hatte", erzähle ich weiter. "Da ich niemanden hatte der mir half, hat sich einer meiner ehemaligen Kollegen angeboten. Er suchte nach meinen Wünschen die Wohnung und ich ließ sie dann via Internet von der Reha aus einrichten. Nach einigen Schwierigkeiten und fünf Jahre später nahm ich dann den Job bei Lyle Davis an."

"Wie meinst du das? Das Label gibt es doch noch gar nicht so lange", fragt Adam verwundert und ich nicke.

"Da hast du recht. Ich fing bei ihm als Butler an. Nunja letzten Endes war ich für Lyle fast das selbe wie für Egor. Ich kümmerte mich nicht nur um ihn und das Haus, sondern auch um alles anderen drum herum was sein Manager eben nicht getan hat. Und wenn Lyle nicht zu Hause war, hütete ich im Prinzip nur das Haus, aber das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Als Lyle dann in seine Heimatstadt und zu seinem Stiefbruder zog, bin ich mitgegangen, da mich dort eh nichts gehalten hat. Und als Lyle dann ein eigenes Label gründete holte er mich als seinen Geschäftsführer mit an Bord, er wollte mich und ich habe zugestimmt. Seitdem arbeite ich nun doch im Büro, aber es ist etwas, was ich machen möchte. Ich liebe die Menschen um mich herum und bin gerne bei ihnen und sie haben mich auch gerne bei sich. Darum werde ich auch nicht von hier weg gehen Adam. Egal was du oder der Director mir anbietet", ich beende meine Rede und schweigend laufen wir nebeneinander her.

Beide sind wir in Gedanken versunken, als wir schreie hören. Adam neben mir springt sofort in den Agenten Modus und ortet die Richtung, aus der die Schreie kommen, dann eilt er los und zieht mich am Arm mit.

Resort de la Pheya 1 - AdamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt