07| rock, paper, scissors

787 35 253
                                    

Schnell rannte ich ins Bad, um zu sehen, in welcher Lage genau mein Körper war, um meine Kleidung für heute darauf anpassen zu können.

Ein riesiger Bluterguss an meinem Arm. Check.
Ein paar riesige, blaue Flecken an Hals und Hüfte.
Check.
Einige kleinere, blaue Flecken über den ganzen Oberkörper.
Check.

Heute konnte man alles viel besser sehen, nachdem mein Körper gestern den ganzen Tag Zeit hatte, die blauen Flecken blauer und die Blutergüsse bräunlicher zu machen. Das konnte ich jetzt auch nicht mehr ändern. Ich seufzte nur und lief ins Zimmer zurück, bevor ich mir ein dunkelblaues Langarm Shirt mit Rollkragen und eine dunkle Jeans heraussuchte, mich anzog, schminkte und meine Haare zu einem hohen Pfredeschwanz zusammenband.

"Ethan, steh auf jetzt. Hajde, qohu!", rief ich aus meinem Zimmer, aber hörte keine Reaktion. ¹  Ich stampfte aus meinem Zimmer. Vielleicht würden meine Schritte ihn wecken. Doch dies war nichts als Wunschdenken.
"Ich habe echt keine Nerven für dich, also komm.", sprach ich an dem Türrahmen angelehnt.
"Ja, ja.", murmelte er so leise, dass ich ihn kaum verstand. Ich hasste es, wenn er nicht auf mich hörte. Er musste es doch selbst wissen. Er war kein Kind mehr. Es war sein letztes Jahr und er kam sowieso schon viel zu oft verspätet in die Schule.

Neben der Tür lagen ein paar von seinen Schuhen. Die hübschen Grünen, die mir so sehr gefielen. Ich nahm einen in die Hand, ehe ich mich aufrichtete und mich bereit machte. Ich warf den Schuh und traf seinen Rücken.
'Spiel. Satz. Sieg.'
Er richtete sich auf und seine Nasenflügel bebten.
Da ich wusste, was als nächstes geschehen würde, schloss ich blitzartig die Tür und hörte nur noch ein Knalllen.
Er war jetzt wach. Obwohl wütend aufwachen nicht gut war, war es trotzdem besser, als zu verschlafen. Außerdem war er selbst Schuld.

Ich lief nach unten und die Küche war leer. Zum Glück.
Da wir etwas später aufgewacht waren, hatte ich ihm und mir nur einen Apfel mitgenommen und sie mir in die Tasche gesteckt.
"Los! Sonst kommen wir zu spät!"
"Wir haben genügend Zeit!", beruhigte mich Ethan, welcher gerade ganz gelassen die Treppe herunterlief.
"In 10 Minuten beginnt der Unterricht und du willst mir sagen, dass wir noch Zeit haben?", äußerte ich, worauf er auflachte.
"Ist doch egal, wenn wir bisschen zu spät kommen.", erwiderte er schulterzuckend, während er langsam seine Schuhe band.
Er war so rücksichtslos. Interessierte es ihn nicht, dass er vielleicht das Jahr wiederholen müsste. War er so sorgenlos, dass er es riskieren würde, hier bleiben zu müssen. In diesem Haus. In einem nun fremden Haus.

Die letzten 2 Stunden hatten wir Sport. Während Melinda und ich zur Sporthalle liefen, dachte ich permanent über sie und Ethan nach. Ich wollte es aber nicht wieder ansprechen und hatte beschlossen, zu warten, bis sie mir selbst davon erzählte.

Wir betraten die Umkleidekabinen und zogen uns um. Sie in einem Tanktop und einem Tennisrock. Ich in einem langärmeligem schwarzem Sportshirt mit hohem Kragen und einer grauen Jogginghose. Dazu noch die Schuhe und wir waren bereit. Wir liefen direkt in den Geruch von Schweiß und Männer-Deodorant. Ich hatte da so eine Ahnung, dass wir heute mit den Jungs Sport hatten, welches ziemlich selten vorkam, eigentlich nur, wenn einer der Lehrer krank war und keine Vertretung zur Verfügung stand. Wir waren die ersten und begrüßten wir meinen Lieblingslehrer, welcher gerade vor uns stand. Das war Mr. Rogers. Ich hatte ihn die letzten zwei Jahre in Mathe und Physik, welche er übrigens sehr gut unterrichtete. Davon, dass er Sport auch als Lehrfach hatte, wusste ich aber bis jetzt nicht. Nun war ich mir sicher, dass wir Sport mit den Jungs hatten und irgendwie fühlte ich mich deswegen unwohl.

Als dann die ersten Jungs hereinkamen, darunter Nate, begrüßten auch sie den Lehrer.
Ich würdigte Nate keines Blickes, doch aus dem Blickwinkel sah ich, dass er in meine Richtung schaute. Ich sah auch dass er schwarze Basketballshorts an hatte. Ich hätte zu gerne zu ihm geschaut, um seine muskulösen Arme mal zu sehen, aber mein Stolz ließ das nicht zu.
Immer noch spürte ich Nates unangenehmen Blick in meinem Nacken, welchen er so bald wohl nicht wieder von mir nehmen würde.
Aber wieso zeigte Nathan Carter so ein plötzliches Interesse an mir? Oder bildete ich mir das nur ein?
Bestimmt wollte er nur, was er nicht haben konnte.
Und das war eben ich.

red stainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt