Mein Alea Aquarius 7

Fragen über Fragen

„Das kann nicht sein", widersprach Alea ihm. Ihre Knie waren weich geworden.

„Dann wäre es aber auch logisch, wieso sie sich so gut kennen – dass sie ihn sogar Duzt." Lennox' Augen funkelten. „Das würde absolut Sinn ergeben!"

„Du meinst, Cassaras ist ihr Dad?", fragte Sammy aufgeregt und ohne eine Antwort erhalten zu haben nahm er auch dies gleich ins Bandentagebuch auf.

„Das kann ich mir nicht vorstellen." Sein großer Bruder schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir absolut nicht vorstellen."

„Vielleicht ist er ja auch nicht ihr Vater, sondern hat sie adoptiert", mutmaßte Tess, die nun schon wieder ihr Pokerface aufgestellt hatte. „Das wäre die selbe logische Erklärung – nur, dass sie Cassaras' Charakter wahrheitsgetreuer darstellen ließe."

Alea schüttelte den Kopf. "Nein, Cassaras ist nicht ihr Vater. Auf keinen Fall! Sie hat in Orions Kerker gesagt, ihre Eltern seinen tot."

„Schneewittchen!", rief Sammy, „Ich hab's!" Fragend blickte sie ihn an. „Höre dem Drachen zu und staune: Damals, als Cassaras dir in Hamburg nachspioniert hatte, oder wo auch immer, kam eine Nixe aus dem Wasser und hat ihr Kind ihm übergeben – da sie wusste, dass Nimara auch Delfinwanderin war und dachte, dass der Virus sie umbringen würde! Vor genau elf Jahren! So, wie du zu Marianne gekommen bist!" Er strahlte sie an, wodurch seine Zahnlücke zur voller Geltung kam.

„Das glaubst du also?" Tess wirkte skeptisch. „Das ergibt aber keinen Sinn. Nimara ist ja anscheinend nur zur Hälfte Meermädchen, also muss sie mit Rotfarn geschützt sein."

„Na, das hat die Nixenmama eben nicht gewusst." Sammy war sich seiner Sache total sicher, schaltete wieder das Handy an und berichtete ihm nun von seiner Theorie.

„Da Cassaras dich rund um die Uhr nicht aus den Augen gelassen hat, hätte er sich nicht um sie kümmern können", warf nun Lennox ein, was auch wiederum stimmte. „Und eine Ausnahme hat er da sicher nicht gemacht – wenn er dich nicht vor dem Wasser beschützt hätte, hätte er nicht den Silberumhang bekommen."

„Aber Alea ist doch immun", sagte Ben, während er für Thea dolmetschte.

„Das wusste er ja zu dieser Zeit noch nicht. Und wenn er sich nun um Nimara gekümmert hätte, wäre er das Risiko eingegangen, den Umhang nicht zu bekommen. Und das war ja für ihn das wichtigste überhaupt. Ich denke, dass ihn früher keiner hätte umstimmen können. Also kann Sammys Theorie nicht stimmen", schloss Lennox.

„Doch, natürlich!" Nachdem er das Handy abermals in seine Hosentasche zurückgesteckt hatte, begann er, seine Meinung zu verteidigen. „Cassaras war ja früher eine totale Null unter den anderen Nixen. Er war nur zur Hälfte eine – und in Nimara muss er eine verlassene Seele erkannt haben, so, wie auch er sie früher war." Eifrig zeigte er auf Aleas Schwester. „Und deshalb hatte er sich ja auch um Thea gekümmert!"

Lennox stöhnte und gab den Kampf verloren. Er sah wohl ein, dass gegen Sammys Argumente kein Kraut gewachsen ist.

Alea konnte sich keine der beiden Geschichten so richtig vorstellen. Sie kannte in Cassaras nur den jähzornigen Mann, dem seine Rache wichtiger ist als alles andere. Oder? Nach dem Gespräch auf dem Turm in Richtung Marseille hatte sich ihre Meinung ziemlich verändert – und auf dem Loreleyfelsen überhaupt. Vielleicht war er doch ein anderer als früher? Und durch Thea schien er ja wirklich netter geworden zu sein.

In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken nur so herum. Doch sie würde weder Nimara noch ihn fragen können.

Da setzte der Elvarion-Modus ein. Innerhalb weniger Sekunden ging ihr glasklarer Geist jegliche Möglichkeiten durch, und kam am Schluss auf eine Frage: Konnte man als Walwanderer auch Delfinwanderern Nachrichten schicken?

Den Rest des Tages verbrachte sie noch damit, von Ben Gebärdensprache beigebracht zu bekommen, im Gegenzug brachte sie ihm mehr Hajara bei. Lennox spielte auf seiner Gitarre, Sammy sortierte seine Fussel, Flusen, Möppchen, Flöckchen, Schnürsenkel, Muscheln und Steine, Tess hängte Wäsche auf und Thea las in einem Buch, dass sie im Salon gefunden hatte.

Gegen Abend lief Alea zur Mädchenkajüte, an Orion vorbei, den sie fast schon vergessen hatte, und ging ins Bett. Morgen würden sie den Doktor zu einer Lafora bringen, sie war sich nicht sicher, ob er wirklich seine Meinung ändern würde, aber es würde ihn sicherlich dazu bringen, noch einmal über seine Taten nachzudenken. Müde kam auch Tess mit der Zeit angeschlüft, Gute Nacht und schon schliefen sie.