12 - Rapunzel

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Kapitel 12

Während der Fahrt lehnte ich mich zurück in die weichen Polster, dabei schaute ich in Gedanken versunken aus dem Fenster.

Auch wenn Lorenz keinen Ton von sich gab und ich erst recht keine Anstalten dazu machte, war es auf eine eigene Art und Weise eine entspannte Atmosphäre, die im Auto herrschte. Interessiert lauschte ich zu der leise klingenden Musik, die sich einen Weg aus den Boxen in den Innenraum tanzten.

Die Melodie war angenehm, die Stimme etwas kratzig und der Beat forderte einen sofort dazu auf, mit dem Fuß mitzuwippen.

Aus Reflex wollte ich an dem Rädchen am Radio lauter drehen, doch kurz davor hielt ich inne und ließ meine Hand wieder sinken.

Lorenz hatte das aus den Augenwinkeln wohl mitbekommen, denn er verstellte im Handumdrehen die Lautstärke um ein paar Stufen nach oben. Aber immer noch so, dass es nicht zu laut war und man sich dabei unterhalten könnte.

Ja, könnte.

Schließlich räusperte ich mich und linste zu ihm herüber. "Von wem ist der Song?"

"Von Welshly Arms", antwortete er mir augenblicklich. "Das ist eine Band aus der USA. Glaube aus Ohio oder so kommen sie. Die machen ganz gute Musik."

"Welshly Arms", wiederholte ich langsam. "Habe ich noch nie so wirklich gehört."

"Nein?", ungläubig schaute er kurz zu mir, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte. Gerade verließen wir unsere kleine Stadt und Lorenz bog auf eine Landstraße ab, die in den West Side Forest führte. Ein dichter, großflächiger Wald, der an der Westseite unseres Sees grenzte. "Dann solltest du auf jeden Mal in ein paar Lieder hereinhören, wenn dir die Musikrichtung gefällt", empfiel er mir gleich im Anschluss. "Was hörst du denn sonst so?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Naja, eigentlich habe ich keinen richtigen Musikstil, den ich vorziehe. Das was sich gut anhört, das packe ich in meine Favoritenplaylist und fertig", gab ich leise auflachend zu.

Er wiegte den Kopf hin und her. "Auch eine Möglichkeit."

Die nächsten fünf Minuten schwiegen wir wieder, bis Lorenz ein weiteres Mal abbog und das auf einen ziemlich holprigen und matschigen Weg, der zwischen den Bäumen gefühlt ins Nirgendwo führte.

Wenn er öfter solche Straßen abfuhr, dann war es kein Wunder, dass sein Auto so aussah, wie es nunmal aussah.

"Du... wo genau fahren wir eigentlich hin?", traute ich es mich endlich zu fragen, gleichzeitig klammerte ich mich mehr an dem Sitz fest, weil mich die Federung der Achsen des Jeeps ständig hin und her warf, obwohl er schon langsam fuhr und großen Pfützen bewusst auswich.

Erneut warf Lorenz mir einen flüchtigen Blick von der Seite zu und grinste verschmitzt. "Wieso? Angst, dass ich dich im Wald aussetze?"

"Haha", machte ich und verdrehte lächelnd die Augen. "Nee, mal ehrlich. Wohin fährst du?"

"Mein Vater besitzt ein Stück Wald und da wird es dir garantiert gefallen", erwiederte er und wich einem weiteren Schlagloch aus.

Doch ich war noch immer nicht mit der Antwort zufrieden. "Wieso?", bohrte ich neugierig weiter nach.

"Mhm weil ich es weiß - oder besser gesagt, ich vermute es", berichtigte er sich und fuhr um die nächste Kurve. Ein paar Meter vor uns erhob sich aufeinmal ein Gittertor, an dem ein großes Schild prangte mit der Aufschrift Betreten verboten.

Sehr einladend.

Etwas klapperte und plötzlich wurde mir ein Schlüssel unter die Nase gehalten. "Würdest du so nett sein und das Tor aufschließen, dass ich hereinfahren kann?"

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