6. Kapitel

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DIE DUFTSPUR WAR tatsächlich schon ziemlich verwischt worden. Oft verloren sie sie sogar ganz und erst, als die Sonne schon ziemlich tief am Himmel stand, kamen sie an der Grenze des BaumClans an. Dahinter erstreckte sich der Wald mit den alten, kleinen Bäumen. Der Boden war feucht und ein ausgetrocknetes Bachtal erstreckte sich durch den Wald, den milchiges Licht durchflutete. Sie verfolgten die Spur nun sicherer durch den ehemaligen Bachlauf und entdeckten noch eine weitere, frische Katzenspur. Wühlmauspelz miaute: "Wir sollten dieser Spur folgen, vielleicht hat der Kater die Streuner gesehen." Gelbstern und Rußstern nickten zustimmend. Sie liefen den Rand der Mulde entlang und entdeckten bald einen schwarz-weißen Pelz aufleuchten. Sie kamen näher und plötzlich drehte der Kater sich erschrocken um. Auch Gelbstern erschrak, der Kater sah noch recht jung aus, aber seine Pfoten waren rot und stark geschwollen, sein Atem ging rasselnd und sein Blick war glasig, jeder Knochen in seinem Körper war zu erkennen und sein Fell hing schlaff von ihnen herunter. Auch Gelbsterns Gefährten schienen erschrocken. Der fremde Kater fauchte: "Lasst mich in Ruhe!" Er knurrte und sein Pelz sträubte sich. Gelbstern miaute beruhigend: "Wir wollen dir nichts tun, nur fragen." Kurz schien der Kater überzeugt zu sein, doch dann knurrte er: "Ihr wollt mich reinlegen! Ihr wollt mich umbringen! Meinen Leichnam am Boden erkalten lassen! Noch nicht! Meine Zeit zu sterben ist noch nicht gekommen!" Damit wandte sich der Kater entschlossen ab und preschte durch den Wald davon. Trotz seiner geschwollenen Pfoten und seiner schweren Atmung, lief er fast so schnell wie Gelbstern. Er muss entsetzliche Schmerzen erleiden! Er muss wirklich um sein Leben fürchten! Gelbstern rief ihm hinterher: "Wir wollen dir helfen!" Gelbstern wusste nicht, ob der Kater nicht antworten wollte, oder es nicht konnte, jedenfalls antwortete er nicht. Sein Atem wurde immer keuchender, aber der Kater gab nicht auf. Erst, als Gelbstern ihn fast eingeholt hatte, brach der Kater auf der feuchten Erde zusammen. Er rang nach Atem. Keuchend brachte er hervor: "Ich ergebe mich! Tötet mich! Macht mit mir, was ihr wollt!" Rußstern erwiderte: "Wir wollen dich nicht töten." Wühlmauspelz ergänzte: "Wir wollen dich etwas fragen und dir helfen." Der Kater nickte keuchend. Gelbstern fragte: "Hast du Streuner in der Gegend gesehen?" Der Kater zuckte mit den Schultern. Keuchend brachte er hervor: "Ich sehe hier viele Streuner." Rußstern ergänzte: "Eine braune Kätzin mit grünen Augen, einen grauen Kater mit großen Ohren, einen weißen Kater mit ungewöhnlich geformten schwarzen Flecken und ... " "Du meinst Schlamm, Lauscher und Gekerbtes Blatt?", vermutete der Kater. Sein Blick wirkte wieder heller und kurz bekam er besser Luft. Doch schon bald ging sein Atem wieder rasselnd und sein Blick wurde wieder glasig. Rußstern nickte. "Das könnten sie tatsächlich sein.", miaute sie an Gelbstern gewandt. "Nun kommen wir zu unserem zweiten Versprechen: Dir helfen." Der Kater schnaubte schwach. "Ihr könnt mir nicht mehr helfen; aber versucht es gerne.", meinte er. Gelbstern fürchtete, dass der Kater recht hatte. Er miaute: "Wühlmauspelz, Staubpfote; holt ein großes Rindenstück, darauf können wir ihn transportieren." "Wie heißt du eigentlich?", fragte Staubpfote. "Morsches Holz.", antwortete der Kater. Die Kater zogen los. Gelbstern und Rußstern blieben bei dem Kater und hörten, wie der Kater erschöpft nach Atem rang. Rußstern fragte: "Passiert dir das öfter?" Morsches Holz holte tief Luft, um reden zu können: "Seid einiger Zeit." Gelbstern bemerkte erschrocken, dass seine Atmung schlimmer wurde. Immer lauter wurde das Keuchen, immer mehr hoben sich die Flanken des mageren, jungen Katers. Doch er schien trotzdem kaum Luft zu bekommen. Gelbstern schaute sich um, Panik breitete sich in ihm aus. Wann kommen sie zurück? Dieser Kater war ernsthaft krank, dass wusste Gelbstern, er lag keuchend am Boden und Gelbstern und Rußstern blieb nichts übrig, als zuzuschauen. Endlich kamen Wühlmauspelz und sein Schüler Staubpfote mit einem großen Rindenstück angerannt und als sie ankamen, schoben sie sanft den Kater hinauf. Trotz aller Vorsicht keuchte der Kater und stöhnte schwach. Erschrocken schauten Wühlmauspelz und Staubpfote zu Gelbstern. Schaut mich bitte nicht so an! Ich kann doch auch nichts ändern! Schnell, aber trotzdem vorsichtig schleppten sie Morsches Holz zum SchluchtClan-Lager. Die Atmung des Katers besserte sich nicht und manchmal stöhnte der Kater schwach. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie das Lager und brachten den Kater in den Bau von Raukenfell, dem SchluchtClan-Heiler. Raukenfell kam sofort aus seinem Bau und begutachtete den kranken Kater. Gelbstern und die anderen verließen den Bau. Rußstern meinte: "Ich sollte gehen." Gelbstern nickte: "Das wäre besser." "Berichte mir morgen, wie es Morsches Holz geht.", miaute sie. Gelbstern nickte: "Mach ich." Rußstern verließ das Lager und ging in den nächtlichen Wald davon. Gelbstern starrte wartend in den Fluss, der unten in der Schlucht dahinströmte. Er wartete ungeduldig darauf, dass Raukenfell aus seinem Bau kam und ihn zu Morsches Holz ließ. Nach einer Weile streifte ihn ein weicher Schweif sanft und neben ihm stand der Heiler Raukenfell. Er miaute leise: "Es sieht nicht gut aus. Ich kann nichts mehr für ihn tun, der SternenClan muss nun entscheiden." Gelbstern hatte dies erwartet, aber sich auch davor gefürchtet. Er lief in den Bau des Heilers. Drinnen lag Morsches Holz in einem weichen Nest auf der Seite und keuchte schwer. Gelbstern fragte: "Sind diese Streuner gefährlich?" Gelbstern wusste zuerst nicht, ob Morsches Holz ihn gehört oder registriert hatte, aber nach einer Weile miaute er leise: "Sie ... erobern jegliches ... " Morsches Holz musste eine Pause machen, fuhr aber bald wieder fort: " ... Territorium, das sie streifen. Sie sind ... sehr gerissen." Gelbstern schluckte. "Haben sie auch gegen dich gekämpft?", fragte er. Morsches Holz nickte schwach. Der Kater holte tief Luft. Rasselnd kämpfte er nun um jeden Atemzug. Er hauchte mit seinen letzten Atemzügen: "Hüte dich vor ihnen. Verbünde ... die Clans ... gemeinsam ... gegen sie!" "Du weißt von den Clans?", fragte Gelbstern. Ein gebrochenes Schnurren stieg in der Kehle des Katers empor: "Wir Streuner wissen ... mehr, als ... ihr denkt." Dies überraschte Gelbstern, beunruhigte ihn aber auch. Schlamm und ihre Streuner werden wahrscheinlich auch mehr wissen, als sie sollten ... Plötzlich wurde die Atmung des Katers schwerer. Er hauchte kaum hörbar: "Ich komme." Gelbstern erschrak. Er wird bald seinen letzten Atemzug machen! Gelbstern erschauderte. Der schwarz-weiße Kater schüttelte sich noch einmal, noch ein letztes Mal holte er tief Luft. Noch einmal schauten ihn seine Augen an. Gelbstern war überrascht, sie blitzten grün auf und dann schlossen sie sich. Der Kater lag auf der Seite, seine Flanken hoben sich nicht mehr, nichts regte sich mehr an ihm. Gelbstern seufzte traurig. Er war noch so jung und hat schon seinen letzten Atemzug hinter sich. Gelbstern schaute traurig auf den langsam erkaltenden Leichnam. Ist er jetzt im SternenClan? Bei anderen Ahnen? Oder ist er ... weg? Gelbstern wusste es nicht. Er holte noch einmal tief Luft und holte dann Raukenfell. Er stand noch immer vor dem Bau und schaute in den Fluss. Traurig miaute Gelbstern: "Er ist tot." Raukenfell nickte langsam: "Das dachte ich mit bereits." Machte er sich denn gar keine Hoffnung mehr? Der alte, graue Kater blickte Gelbstern an. Er miaute: "Lass ihn uns begraben." Er hat recht, der Clan könnte sich weigern. Die beiden Kater gingen in den Bau und hoben den toten Körper auf ihre Schultern. Gemeinsam erklommen sie den Pfad die Schlucht hinauf; Raukenfell an der Wand, Gelbstern zur Seite des Abgrundes. Bedacht, das Morsches Holz nicht in die Schlucht fiel, liefen sie den Pfad an der Schlucht entlang und brachten ihn zu den Gräbern der bereits verstorbenen Clan-Gefährten. Dort hoben sie gemeinsam ein Loch aus und ließen Morsches Holz hineingleiten. Anschließend verschlossen sie das Loch und bedeckten es mit Farn, sodass die Gerüche des Leichnams überdeckt werden, damit Füchse ihn nicht fanden. Dann liefen sie zum Lager zurück und gingen in ihre Baue. Gelbstern seufzte tief in seinem Nest. Die Nacht war wieder eisig kalt gewesen, er hatte es durch seine Trauer gar nicht bemerkt. Sie kam durch die Wand aus Moos, die vor seinem Eingang hing und drang bis tief in seine Knochen. Da haben die Krieger einen Vorteil: Sie können sich gegenseitig wärmen. Ich nicht. Plötzlich streifte ihn ein Pelz. Gelbstern drehte sich um. Bernsteinfarbene Augen blitzten ihn an. Wärme durchströmte seinen Körper und Gelbstern fühlte sich sofort wohl. Er miaute: "Dämmerstern!" Die Kätzin nickte und blinzelte ihn freundlich an. Ernst miaute sie: "Denk an die Worte von Morsches Holz!" Gelbstern nickte. Ein weiterer Pelz streifte ihn, diesmal ein kurzer. Grüne Augen blitzten ihn an. Morsches Holz! "Er ist bei euch?", fragte Gelbstern überrascht. Morsches Holz schnurrte amüsiert: "Wir Streuner sind immer für Überraschungen bereit!" Dämmerstern nickte: "Wenn eine Katze den Clans geholfen hat, obwohl sie nicht in einem Clan lebt, kommt sie in den SternenClan; wie Morsches Holz." Dämmerstern pflichtete Gelbstern erneut bei: "Höre auf seine Worte!" Diesmal ohne Pause und fest, miaute er: "Verbünde die Clans gemeinsam gegen sie!" Gelbstern schluckte. Das wird schwer. Mit dem WiesenClan haben wir ernste Probleme, mit den anderen ist es auch nicht viel besser. Wie soll das gehen, in einer Zeit, in der es so viel Kampf gibt? Immerhin kann ich morgen mit Rußstern anfangen, bei ihr habe ich die besten Chancen! Die SternenClan-Katzen verblassten bereits und Gelbstern war wieder allein in seinem nachtkalten Bau und schlief bald darauf ein. 

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