Kapitel 4

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Eine Weile saßen wir einfach nur da und starrten in Richtung des Gartens. Mittlerweile hatte ich die Pferde auf die Weide gelassen und sie tobten nun wild umher. Sie schienen sich schon gut eingelebt zu haben. Ich seufzte. ,,Wo sind eigentlich deine Eltern?'', brach Wincent plötzlich die Stille. ,, Ach die. Die sind arbeiten, wie eigentlich jeden Tag.'', entgegnete ich. ,, Aber am Wochenende sind sie doch bestimmt da, oder?'' ,,Ne, meistens nicht.  Sie arbeiten 7 Tage die Woche und sind fast nie Zuhause.'', ich seufzte wieder. ,, Oh.'', kam es von Wincent, ohne Urlaub?'', fragte er ungläubig. Ich nickte: ,, Der letzte gemeinsame Urlaub ist bestimmt schon fast 10 Jahre her.'' ,,Und mit wem verbringst du dann deine Tage?'' ,,Zuhause war immer mit Freunden unterwegs. Es hat nämlich auch seine guten Seiten, wenn man nicht rund um die Uhr überwacht wird. Ich hab auch öfter bei Freunden übernachtet. Aber hier hab ich quasi keine  Freunde mehr.'', sagte ich nun etwas kleinlaut. Wincent war bestimmt nicht so oft allein. Er hatte Hunderttausende Fans und bestimmt eine riesige Familie. Doch zu meinem Erstaunen sagte er allerdings:,, Ich bin auch oft allein. Durch meine Tour hab ich zwischendurch nicht mal einen festen Wohnsitz.'' ,,Aber du hast doch deine vielen Fans.'', entgegnete ich. ,,Würdest du alle deine Arbeitskollegen oder Mitschüler als deine Freunde bezeichnen?'', erwiderte er und ich schwieg. Er hatte Recht. ,, Und hast du heute irgendwas besonderes vor?'', fragte er mich nun nach einer ganzen Weile schweigen. ,,Ne, ich kenn hier ja nix und niemanden.'', lachte ich. ,,Dann führ ich dich halt ein bisschen rum.'' Ich starrte ihn an. War das wirklich sein Ernst? Wie cool wär' das denn?! Eine persönliche Stadt... äh Dorfführung und dann auch noch von Wincent Weiss. Dem Wincent, der von meiner früheren Klasse voll kommen bejubelt wurde, zumindest von den Mädchen. Ja, wir waren so etwas wie eine Fangemeinde gewesen. Ich war zwar nie das krasse Fangirl, aber cool fand ihn und seine Musik schon und jetzt, wo ich ihn ein bisschen persönlich kannte, mochte ich ihn sowieso. Wenn mich meine Freundin jetzt so sehen könnte, sie wäre schon lange ausgeflippt. Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln. ,,Was lächelst du denn so?'', fragte mich nun Wincent. ,, Ich musste sie nur gerade an meine alte Klasse und meine Freundin denken. Waren so ne Art Fanclub in unser Klasse. Von dir meine ich.'', fügte ich noch schnell hinzu,,, Und meine Freundin war ganz vorne mit dabei. Sie wollte dich unbedingt mal treffen. Das steht ganz oben auf ihre Bucket-List.'' Ach ja, unsere Bucket-List. Wir hatten diese Liste vor einiger Zeit erstellt und seitdem ergänzt und abgehakt. Auf dieser Liste standen die Dinge, die wir unbedingt noch erleben wollten,  bevor wir altes Omas waren und uns nur noch mit dem Rollator fortbewegen konnten. Nun hatte Wincent so ein verschmitztes Lächeln aufgesetzt, das ich nicht richtig deuten konnte:,, Was hältst du davon, wenn du sie per FaceTime anrufst, erzählst, wie es hier so läuft und dann überraschen wir sie.'' Er grinste voller Freude und auch musste lachen: ,,Sie wird aus allen Wolken fallen.''
Gesagt getan:
Es wählte ein paar Minuten, dann ging sie ran. Ich hatte mich mit dem Rücken zu unserem Garten gedreht.
Sie begrüßte mich mit einem lauten:
,,Hi Lenaaaaa!''
,,Na, was geht'', entgegnete ich.
,,Nix, lieg nur gelangweilt im Bett rum, ohne dich ist nichts los.'', sagte sie ein wenig traurig.
,,Du, ich will nix sagen, aber hier ist es gar nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Das Wetter und die Umgebung sind einfach geil. Und unsere Nachbarn sind auch einfach super.'', ich musste grinsen.
,, Du vermisst mich schon hoffe ich.'', sagte sie gespielt beleidigt.
,,Klar, mit dir wär's perfekt.''
,,Hast du schon jemanden kennengelernt?''
,,Hab nur heute morgen mit Nachbarn gefrühstückt, aber sonst.''
,,Cool, dann bist du ja nicht allein, haha. Ist dein Nachbar cute.''
Das ist wieder mal typisch für sie. Sie fragt ständig solche Sachen.
,, Joar schon.'', antwortete ich deshalb.
,, Und wie heißt er?'', fragt sie mich weiter aus.
,,Wincent.'', antwortete ich wahrheitsgemäß.
,,Oha, was ein Zufall. Sieht er dem ,,echten'' Wincent auch ein bisschen ähnlich.''
Was sollte ich darauf antworten? Ich sah Wincent fragend an, doch der nickte nur, also sagte ich:
,, Joar schon.''
,,Hä, was is das denn bitte für'n verrückter Zufall?''
,,Willst du wissen, wie er aussieht?''
Sie nickte verunsichert. Zuerst hielten wir ihr als Gag ein ausgedrucktes Bild von Wincent in seinem Garten hin. Es war das Bild, das er vor kurzem gepostet hatte. Vici, so hieß meine Freundin übrigens, fiel es natürlich sofort auf und sagte dann:
,,Haha, du bist aber lustig, fast wäre ich drauf reingefallent.''
Ich lachte nur. In dem Moment nahm Wincent das Bild weg und grinste in die Kamera. Vici viel fast vom Stuhl, so sehr hatte sie sich erschrocken. Ich stellte die Kamera wieder auf Front Kamera um und Wincent setzte sich neben mich. Wir mussten beide laut lachen.
Vici, die sich immer noch nicht ganz gefangen hatte, starrte mit offenen Mund in die Kamera.

Wincent nebenan!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt