Wincent nebenan!

Kapitel 9

Ich rutschte aufgeregt auf dem Beifahrersitz hin und her. Wie lange geht so ein Elternabend nochmal? Es kam mir schon ewig vor, das Wincent im Schulgebäude verschwunden war. Er tat tatsächlich so, als sei er mein Vater. Das tat für mich. Nie im Leben hätte ich es für möglich gehalten, dass der Wincent Weiss für mich zum Elternabend gehen würde. Jetzt hieß es auf jeden Fall hoffen, das wir nicht auffliegen. Da kommt er ja endlich, aber es schien so, als würde er fast rennen. Er sprang ins Auto, startete sofort den Motor und fuhr los. Ich sah ihn verwirrt an, als ich dann allerdings Gekreische hinter uns hörte, wurde mir klar, warum er so gerannt war. Eine Hörde Kinder rannte hinter uns her. Ich musste lachen. ,,Zu meiner Verteidigung, ich habe mit jedem mindestens 100 Fotos gemacht, jeden einzeln gedrückt und ihnen Autogramme gegeben, aber ich konnte sie nicht los werden. Fast wär' ich durch diese Kinder aufgeflogen.'', rief er mir, mehr lachend als sauer, entgegen. Jetzt musste ich noch mehr grinsen. Wincent macht aber auch echt jeden Scheiss mit! Am Ende kam übrigens raus, das der ganze Aufwand ziemlich unnütze war...

Rückblende:
~ Wincent's Sicht~
Rumms! Mein Kinn kam unsanft auf der Lehne der Sitzreihe vor mir auf. Einige Leute drehten sich vorwurfsvoll zu mir um. Ich lächelte entschuldigend. War ich echt eingeschlafen? Ne oder?! Und wenn ich jetzt das Wichtigste auf diesem ganzen Elternabend verpasst hab? Ich sah wieder nach vorne und versuchte der kleinen, etwas rundlichen Lehrerin zuzuhören. Sie war wirklich nicht besonders groß, wirkte aber irgendwie sofort sympathisch. Sie trug eine runde Brille, die eigentlich viel zu groß für ihr kleines Gesicht war. Sie hatte schulterlange, braune Haare und trug ein geblümtes Sommerkleid. Im Großen und Ganzen schien sie echt ganz nett zu sein. Doch das was sie da vorne erzählte war einfach todlangweilig. Wie konnte Lena nur glauben hier das Wichtigste zu verpassen?!

Gott sei Dank hatte die Schnarch-Veranstaltung endlich ein Ende. Ich war schon fast aus der Tür raus, da hielt mich jemand am Arm fest. Ich fuhr herum. Vor mir standen einige Frauen, die mich erwartungsvoll ansahen. Ich schaute fragend zurück. ,,Nach dem Elternabend essen wir immer alle noch ein Mitbringbuffet. Wollen sie nicht noch bleiben?'', fragte die eine Frau freundlich aber auch leicht verwirrt. Ich wollte nicht gleich einen schlechten Eindruck hinterlassen, also stottertete ich:,, Ähh...Ja, ich bin...Ich mein Lena, ähh mein Kind ist hier neu in der Klasse. Ich wusste nicht, dass ich was zu essen mit bringen musste.'' Sie musterte mich: ,,Naja, macht ja nichts, dann nächstes Mal.'', sie lächelte freundlich.

Ich saß dann also, in mitten von 29 anderen Frauen (offensichtlich ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass hier nur Frauen zum Elternabend gehen). Es fühlte sich ein bisschen an, als käme ich als Außenseiter in eine bestehende Super-Clique. Kein schönes Gefühl, wirklich. Alle schienen sich jahrelang zu kennen und quatschten ununterbrochen über Gott und die Welt. Hoffentlich sind die Kinder nicht auch so, wenn sie Lena genauso herzlich in Empfang nehmen wie mich, fühlt sich Lena bestimmt sofort super wohl. Ich verdrehte leicht genervt die Augen, bei diesem Gedanken.
Und dann kam die Frage, die ich die ganze Zeit versucht habe zu umgehen: ,,Von welchem Kind sind sie denn der Vater?'' Mist! ,,Von Lena.'', antwortete ich schnell. ,,Ah, kommt die neu in diese Klasse? Und wie alt ist die bitte?'' ,,Ähh, Ja kommt sie, sie wird dieses Jahr 16, wie doch alle hier oder?'' Sehr direkte Fragen stellen die hier, aber wirklich. Ich verstand zunächst nicht, warum mich plötzlich alles so komisch ansahen. Ich stand völlig auf dem Schlauch, bis : ,,Und wie alt sind sie, wenn ich fragen darf?'' ,,28 bin ich....'' Ich fing selbstbewusst an und wurde immer leiser. Verdammt! Da haben wir nicht drüber nachgedacht. Wenn sie 16 wird und ich 28 bin, müsste ich ja mit 12 Vater geworden sein, Fuuc... Soll man ja nicht sagen, ich weiß... ,,Wie alt sind sie bitte, ich glaublich habe eben 28 verstanden?'' Überleg Wincent, überleg. Du bist doch sonst so schlagfertig! ,,Äh, nein 38 bin ich, sie haben sich verhört.'' ,,Ach so, na dann. Da sind sie aber früh Vater geworden...'' Die meisten lachten ein wenig. Ich lächelte auch leicht und wandte mich dann ab. Puh, Glück gehabt, wie stressig doch so ein Elternabend ist, aber noch bin ich nicht aufgeflogen...