~Wincents Sicht~
Ich saß also noch immer in mitten dieser ganzen Weiber von Eltern. Mittlerweile quatschten und tratschten sie nicht nur, sie lästerten jetzt auch schon regelrecht. Über manche Lehrer kamen einige Sprüche, andere Eltern, die ihre Kinder angeblich nicht unter Kontrolle hätten und und und. Ich fühlte mich ein wenig verloren in dieser Menge. Bisher schien aber noch niemand dabei gewesen zu sein, der mich in irgendeiner Form kannte. Zum Glück, aus der Sache mit dem Alter konnte ich mich gerade noch retten, aber was sollte ich sagen wenn mich jemand auf meine Musik anspricht. Während ich mir schonmal einige Ausreden überlegte, kam die nette, rundliche Lehrerin auf mich zu. Sie lächelte freundlich, automatisch musste ich zurück lächeln. ,,Sie müssen der Vater von Lena sein, richtig?'', fragte sie freundlich. ,, Äh, ja der bin ich wohl.'', gab ich ein wenig verunsichert zurück. Pass diesmal bloß auf, was du sagst, sonst verrätst du dich doch noch. Erst denken, dann sprechen! , ermahnte ich mich innerlich selbst. Ich wurde von der Lehrerin aus meinen Gedanken gerissen: ,,Ich bin übrigens Frau Berg und die Klassenlehrerin. Hier hab ich noch ein paar Infozettel und Telefonlisten für sie, da steht alles Wichtige drauf.'' Damit drehte sie sich lächelnd um und verließ den Raum. Im Ernst? Es gab Infozettel? Dafür hätte ich aber nicht hier her gemusst. Die hätten wir uns auch anders beschaffen können, ganz ehrlich!
Ich saß die ganze Zeit fast allein an meiner Ecke des Tisches. Okay, ich saß ganz allein. Niemand wollte sich zur mir setzten. Ob mit Absicht oder aus Versehen, aber ich wurde ganz schön ausgegrenzt. Hat dieser Elternabend/ Gemeinsames Klassenessen/ Weiber-Kaffeeklatsch und -Tratsch nicht bald mal ein Ende? Ich sah auf den Infozettel in meiner Hand. Ihr Klassenraum ist also C 46. Wenn die Nummerierung überall gleich ist und alle Räume mit 1+ Zahl im Erdgeschoss liegen, müsste ihr Raum im dritten Obergeschoss liegen. Toll, Treppenlaufen. Da ich mich hier eh fehl am Platz fühlte, beschloss ich mir einfach den Raum einmal an zu sehen. Ich war schon fast raus aus dem Raum, da hörte ich eine Stimme hinter mir ,, Wo wollen sie denn jetzt schon hin?'', die etwas schnippische Frau von vorhin stand hinter mir. Oh man, fast wär ich weg gewesen...
,, Ich wollte mir mal den Klassenraum ansehen.'' ,,Ich begleite sie...Dann finden sie den Raum den schneller, mein ich.'', den letzten Satz fügte sie aufgrund meines fragenden Blickes hinzu. Wir liefen also schweigend los. Ich hatte fast recht, nur das der Raum sogar im vierten Stock lag. Im Erdgeschoss war alles mit 0+Zahl betitelt. Toll, noch mehr Treppen, es wird ja immer besser.Wir waren mittlerweile im zweiten Stock angekommen. ,,Warum wollten sie nicht noch weiter mit den anderen Eltern essen?'', die Frage lag mir schon die ganze Zeit auf der Zunge, also sprach ich es einfach aus. ,,Ach wissen sie, mit denen hab ich nicht so viel ab zumachen. Mein Kind ist letztes Jahr neu in die Klasse gekommen. Wir sind von Berlin hier her gezogen. Ich war in derselben Situation wie sie und hab bis heute keinen richtigen Anschluss gefunden. Die Meisten kennen sich schon seid der Grundschule und sind eng befreundet. Da hat man als Außenstehender nicht groß eine Chance mit rein zu kommen. Auch meine Tochter hat noch nicht so viel Anschluss gefunden.'' Ich nickte nur verständnisvoll. Na das erklärt einiges. ,,Und wieso kommt ihr Kind jetzt in die Klasse?'', fragte sie. ,,Lena ist von München hier her gezogen, wegen des Jobs ihrer Eltern.'', und schon wieder verhauen Wincent, prima! ,,Also wegen meinen Job und dem meiner Frau sind wir hier her gezogen.'', fügte ich noch schnell hinzu. ,,Oh sie haben auch eine Tochter, naja vielleicht freunden die sich dann ja an. Ich bin übrigens Hannelore Gerster.'' Puh, sie scheint keinen Verdacht geschöpft haben: ,,Wincent W...''
Warum ich kein Geheimspion geworden bin, fragen mich manchmal Leute. Genau deshalb! Wie heißt den Lena bloß mit Nachnamen? Aus der Wincent-Nummer komm ich nicht wieder raus. Lenas Vater heißt jetzt Wincent. Damit müssen wir jetzt alle leben. Auch egal, den Nachnamen kann ich ja vielleicht noch retten. Ich schielte auf dem Infozettel. Fuc*! Da steht kein Name drauf. Überleg dir was Wincent, egal was, nur schnell. ,,Ach, nennen sie mich doch einfach Wincent.'', puh, hoffentlich nimmt sie es so hin. ,,Ach, was für ein Zufall. Meine Tochter ist von so einem Sänger Fan der auch Wincent heißt. Was ein lustiger Zufall. Ich kann mit moderner Musik ja nicht so viel anfangen, ich weiß nicht mal, wie der aussieht.'', sie lachte laut. Ich versuchte zu lächeln und einfach zu überspielen, dass mein Herz mir gerade in die Hose gerutscht ist. Also sprichwörtlich. Den Namen hat sie mir zum Glück abgekauft, aber warum muss ihre Tochter Fan sein?! Gott sei Dank war es kein Eltern-Kind-Abend, das wär gewaltig schief gegangen. Sie schien mich aber echt nicht erkannt zu haben. Glück gehabt: ,,Oh ja, was ein Zufall. Meine Tochter ist auch ein riesiger Fan.'', das stimmte sogar, aber die gute Hannelore musste ja nicht wissen, das ich dieser Wincent bin. Wir quatschten noch ein wenig und sie erzählte mir, das sich ihre Tochter nichts sehnlicher als ein Autogramm von Wincent Weiss wünsche und so weiter. Ich erzählte ein paar Sachen, die ich über Lena wusste und so ging der Abend doch noch ganz schön aus.
Als wir unten vor dem Parkplatz standen zog ich ein Stück Papier aus meiner Hosentasche und schrieb ,,Für... Wie heißt denn ihre Tochter eigentlich?'' ,, Viktoria, aber alle sagen nur kurz Viki zu ihr, wieso?'' Ich vollendete meinen Satz und unterschrieb auf dem Papier. ,,Sie wird es erkennen und wissen was es damit auf sich hat.'', mit diesen Worten und einem Lächeln gab ich ihr das Papier und verabschiedete mich. ,,Sie können es ihr doch selbst geben, sie wartet im Auto.'', hörte ich sie leicht verwirrt rufen. Ich wunk ihr zum Abschied nochmal zu und ignorierte ihr Rufen. Ich ging noch um die nächste Ecke und beobachte dann, wie sie zum Auto ging und ihrer Tochter den Zettel gab...
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Wincent nebenan!
FanfictionWas aber, wenn deine Eltern plötzlich beschließen, dein komplettes, fast perfektes Leben auf den Kopf zustellen? Einfach beschließen weg zuziehen. Neue Schule, neue Freunde, neue Umgebung, einfach alles neu. Nichts ist mehr, wie es war. Eingeschücht...