Kapitel 12

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"Raphael!", schrie ich ihn an, wobei meine Panik nicht zu überhören war. "Lass mich los! Ich wollte nicht abhauen!", log ich ihn an und hoffte zu tiefst, dass er es mir abkaufen würde. Er sollte mit dem Unsinn aufhören und es nicht so weit treiben, bis ich am Ende von diesem bescheuerten Beweis tot auf dem Meeresgrund liegen würde, in einem schwarzen Müllsack und aufgeschlitzter Kehle, damit meine Leiche von den Gasen nicht mehr an die Oberfläche geraten konnte. Oh Gott, ich werde sterben und das Letzte, an das ich vor meinem Tod denke, ist, wie meine Leiche entsorgt wird...

"Oh nein Olivia!", redete er noch immer in dieser verrückten Tonlage, die nur sein Wahnsinniges Verhalten unterstrich und so meine Panik ansteigen ließ. "Du wolltest fliehen und damit das nicht nochmal vorkommt-", drückte er seine Hand noch fester um meinen Oberarm, wodurch ich zu winseln begann. "muss ich dir zeigen, was auf dich zukommt, wenn du es nochmal versuchst."

Ohne auf mein wimmern oder meine Gegenwehr zu achten, riss er mich weiter durch den Garten, bis wir an dem Gittertor des Zauns ankamen. Er zog einen Schlüssel heraus mit dem er das Tor aufschloss, durch das er mich gleich danach schob. Mein Blick flog nach rechts, wo ich eine steile Steintreppe erkennen konnte, die zu dem Strand führte. Panisch drehte ich mich zu Raphael um, der noch immer von seiner rasenden Wut eingenommen war. Verzweifelt krallte ich meine Hände in sein T-Shirt, während er noch dabei war, das Tor hinter sich zu schließen.

"Raphael, es tut mir leid! Ich habe es verstanden!", schrie ich ihn schon fast vor lauter Panik an. "Bring mich nicht da runter. Ich werde nicht nochmal versuchen abzuhauen, versprochen!"

Für einen kurzen Augenblick hatte ich die Hoffnung, dass Raphael mir tatsächlich geglaubt hat. Er blieb ruhig stehen und schien erstmal überlegen zu müssen, ob er mir dabei wirklich glauben konnte. Seine Miene wurde entspannter, wodurch ich etwas erleichtert ausatmete. Kaum hatte ich ausgeatmet wurde ich wieder fest an meinem Oberarm gepackt. Mit rasendem Herzschlag hob ich meinen Kopf und schaute hinauf in Raphaels Gesicht, das wieder zu einer wütenden Grimasse gezogen war. Ruckartig zog er mich weiter an sich heran und senkte seinen Kopf etwas auf meine Höhe.

"Versprich nichts, was du nicht halten kannst!", flüsterte er mir mit rauer Stimme zu, die mir die Nackenhaare stellte.

"Ich-", versuchte ich verzweifelt Raphael zu erklären, dass ich es ernst meinte, doch er hörte mir nicht mehr zu sondern riss mich nur die Treppenstufen herunter, auf denen ich wegen dem darauf liegenden Sand fast ausrutschte. Ich schluckte schwer und musste meine ganze Kraft dafür benutzen, nicht gleich in Tränen auszubrechen. Wenn er mich schon umbrachte, wollte ich ihm nicht noch den Triumph lassen, mich weinen zu sehen oder weiter um Vergebung flehen zu hören. Ich gab auf, Raphael würde sich nicht mehr umstimmen lassen, das war klar. In meiner momentanen Lage konnte ich also nur noch etwas an meinem Auftreten ändern. Wenn ich sterben würde, möchte ich nicht, dass meine Leiche dicke Tränensäcke unter den Augen hat. Immer wieder atmete ich tief durch, was mir recht schwer fiel, da es sich so anfühlte, als würde dieser dicke Kloß in meinem Hals die Luft daran hindern, in meine Lungen zu kommen. Mehrfach blinzelte ich und ballte meine Hände zu Fäusten, wobei meine Fingernägel in meine Handflächen stachen, wodurch sich mein Kopf leichter auf die Schmerzen konzentrieren konnten, die so leicht waren, dass ich davon nicht weinen musste. Ich versuchte alles, um das bevorstehende zu ignorieren und möglichst viel Wut aufzustauen, damit ich mit wirklich viel Glück vielleicht den Mut zusammen haben könnte, Raphael von hinten zu treten und ihn somit die Treppen herunter schubsen zu können.

Es dauerte vielleicht nur wenige Sekunden, bis wir die wenigen Treppenstufen herunter gekommen sind, doch für mich fühlte es sich an, wie Minuten bis ich den weichen Sand unter meinen Füßen spürte, der von der Sonne bereits leicht erhitzt war. Ich versuchte mich nicht auf das bevorstehende einzustellen, sondern nur auf die Sachen um mich herum zu achten. Verdrängte meine Gedanken so gut es ging und lauschte nur dem Wasser, das in leichten Wellen  auf den Sand prallte. Es war beruhigend nichts zu hören, außer der knirschende Sand unter meinen Füßen und das rauschende Wasser, dass türkis schimmerte.

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