Für eine Bibliothek war der Raum ganz schön unordentlich. Ein Labyrinth an Gängen tat sich vor Lincoln auf und er hätte Mühe zu erfassen, wohin denn welcher Weg führte, gäbe es nicht den breiten Mittelgang, der geradlinig zum Ende des Raumes führte. Lincoln ging langsam weiter in den Raum hinein.
„Weißt du, ich bin hier noch nie gewesen!"
Lincoln zuckte zurück. Penelope flüsterte unangenehm Nahe an seinem Ohr und ihre Substanz streifte ihn kurz – was ihm ein Frösteln auslöste.
„Ich nehme an, der Geist ist nicht zufällig ein Bibliothekar, der den Ausgang nicht mehr fand?", flüsterte Lincoln zurück.
„Keine Ahnung", antwortete Penny. „Sieh mal da! Vor der Glasfront" Sie zeigte auf einen Punkt am Ende des Raumes, an dem ein kleines Podest neben einem in gänzlich schwarz gehaltenem Bücherregal aus dem Boden ragte. Darauf lag ein Buch, zugeklappt unter einer Glaskuppel. Am Boden herum waren merkwürdige Zeichen eingraviert.
„Anderveldt...", flüsterte Lincoln. „Dämonensprache. Das sind Bannzeichen, glaube ich".
„Dämonen?", Penelopes Gesichtsausdruck wurde wieder weiß. Sie schwebte merklich langsamer neben ihm her. „Vielleicht hätten wir doch nicht herkommen sollen..."
„Ach, papperlapapp! Geister, Dämonen, ich werde mit allem fertig!"
Penelope nickte knapp.
Sie näherten sich dem Podest und Lincoln hob die Glaskuppel nach oben. Das Buch darunter war schlicht und gänzlich unbeschriftet. Es hatte weder Titel noch stand irgendetwas auf dem schwarzen Einband, dass es besonders machte. Keine Verzierungen, kein Titel, kein gar Nichts. Lincoln schlug es auf und blätterte in den Seiten. Leer?
Penelope schwebte ebenfalls näher und betrachtete das Buch. „Und?"
„Was und?"
„Und hast du schon herausgefunden, wie man den Geist beschwört?"
„Den Geist be- nein, Geister kann man nicht beschwören!"
„Ach, tatsächlich? Vater was anderes erzählt."
„So?", Lincoln sah Penelope an und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Sag mal, was hat dein Vater eigentlich so gemacht? Merkwürdige Bücher unter Glas, Bannzeichen am Boden, jetzt Geisterbeschwörungen - ganz zu schweigen von der Geheim-Bibliothek an sich. Ein geruhsamer Landsherr scheint er ja nicht gewesen zu sein."
Penelope zuckte mit den Schultern. „Er erzählt mir nicht viel. Ich weiß nur, das er mit Geistern, Zaubern, Herbeirufungen und dergleichen zu tun hat. Ich dachte eigentlich, du wüsstest da mehr?" Penelope blickte ihn fragend an. „Weißt du, langsam bezweifle ich, dass du dich echt mit Geistern auskennst."
„Ja, und ich bezweifle so langsam, dass es so lange nach deinem Tod noch einen gibt..."
„Was? Wieso nach meinem Tod?"
Lincoln biss sich auf die Zunge. Er winkte ab. „Ach, nicht so wichtig."
„Jetzt sag schon! Du verheimlichst mir doch was!"
„Ich meinte nach seinem Tod. Dem des Geistes nämlich. Lassen wir's jetzt gut sein?"
Penny rümpfte etwas zerknirscht die Stirn. „Fein. Von mir aus."
„Gut." Desinteressiert stülpte er die Kuppel wieder über das Buch. Das verkomplizierte die ganze Angelegenheit.
„Gibt es noch andere Orte, an denen dein Vater vielleicht welche versteckt halten könnte?" Wenn er nicht selbst als einer hier war, setzte Lincoln in Gedanken hinzu. „Penny?" Er drehte sich um. „Penelo-"
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Ethereals
FantasyEine Geschichte mit Augenzwinkern - bei der man bei manchen Witzen bisweilen auch mal fester zukneifen muss, das und viel mehr ist: Ethereals! *begeisterter trommelwirbel* Gut, nicht nur das, es geht auch um den 17-jährigen Lincoln und seine selbst...