[Prolog]

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Das ganze Haus liegt in Trümmern. Überall sieht man nur noch schwarz.
Das Feuer hat das ganze Haus niedergebrannt, nur noch ein paar schwarzgebrannte Balken liegen kreuz und quer verteilt.
Ein kleiner Teil steht noch, droht aber jeden Moment einzubrechen.

Und dann würde ich darunter vergraben werden. Genau das war mein Ziel. Dann kann ich sie wiedersehen. Meine Eltern und meine Schwester.
Ganz bald...

,,Das hatte ich zu dem Zeitpunkt mir zumindest so erhofft, mit ganzem Herzen...

Das Mädchen schließt ihre Augen, während ihr immer weiter Tränen über die Wangen laufen.
Ihre Haut ist von Asche bedeckt, sie hat am ganzen Körper Schrammen.
Ihr Hände hat sie verkrampft in ihrer Kleidung. Ihr ganzer Körper ist angespannt, so sehr sie sich auch versucht zu beruhigen.

In ihren Gedanken läuft sie auf drei Leute zu.
Ein kleines Mädchen, gerade mal vier, sie lacht, ihre braunen Haare wehen hin und her.
Eine erwachsene Frau, ebenfalls braune Haare, sie sind lang und glatt, aber zusammengebunden in einem Dutt, eine sehr hübsche Frau, schlanke Figur, hoch gewachsen, große Oberweite.
Daneben ein einladend lächelnder Mann, ebenfalls gut gebaut, allerdings hat er schwarze glatte Haare, ein Auge wird von ihnen verdeckt, das andere hat dafür eine strahlende blaue Farbe.

...Diese Vorstellung lies mich niemals los, ich kann diese Szene immer noch vor meinem inneren Auge sehen...

Sie streckt ihre Hand nach ihnen aus und es hätte nur noch ein kleines Stück gefehlt, wirklich ein winziges bisschen, dann wäre sie bei ihnen gewesen.
Dann wäre ihr Traum in Erfüllung gegangen und sie hätte die Ewigkeit mit ihrer Familie verbringen können.

...Manchmal, wenn ich schlafe, strecke ich meine Hand wieder nach ihnen aus, aber das Ergebnis bleibt dasselbe...

Ein Junge, gerade mal neun, springt mit ihr zur Seite, bevor der Balken mit einem lauten Knall auf dem Boden aufkommt und zerbricht.

Überrascht reißt das Mädchen die Augen auf und sieht in das etwas blasse Gesicht des braunhaarigen, der sie vor dem Tod bewahrt hat.
Sie zittert am ganzen Körper, bekommt kein einziges Wort über ihre Lippen und nur die warmen Tränen bahnen sich weiterhin Wege ihre Wangen hinunter.
Als der Junge seine Augen, die er aus Reflex beim Sprung zugekniffen hat, öffnet, kann das Mädchen in die Schwärze sehen, die sie sofort an ihre Schwester erinnert. Und auch die Augen ihrer Mutter.

...Wie hätte ich ahnen sollen, dass er mein Leben so sehr verändern wird...

Einen Moment bleiben sie auf dem Boden liegen, sehen sich tief in die Augen und schweigen.
In diesem einen Moment wirkt es, als wäre nichts um sie herum.
Die stickige Luft - der harte Boden, welcher von Asche bedeckt ist - die aufgewühlten Stimmen rund um die Trümmer des Hauses.

Doch das Mädchen bricht in schlimmen Husten aus, erst ganz heiser, dann immer schlimmer.
Der ganze Staub wird immer wieder durch den Wind aufgewirbelt, etwas Qualm liegt eventuell auch noch in der Luft.

Sie stützt sich am Boden ab und versucht sich aufzurichten. Auf wackeligen Beinen steht sie nun da. Immer noch am husten, ihre Augen tränen und weiterhin zittert sie am ganzen Leib. Ihre Haut ist schwarz bedeckt von Ruß, ihre Haare stehen zottelig in alle Richtungen ab und sie schwankt.

Auch der Junge erhebt sich, den Blick weiterhin auf das Mädchen gerichtet. Und reflexartig fängt er sie auch auf, als sie schließlich doch zur Seite kippt.
Er hebt sie hoch, das Mädchen sieht aus großen verquollenen Augen zu ihm, wendet sich dann ein paar Mal, um aus seinem Griff zu entkommen, aber dafür hat sie keine Kraft mehr.

...Ich war mir in dem Moment nicht einmal mehr ganz sicher, ob ich überhaupt noch lebe, es ein Traum ist oder doch die Realität. Alles war verschwommen und ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen...

Er hält sie weiterhin, redet ihr gut zu und schließlich hört sie auf sich zu wehren, lässt sich von ihm raustragen und schließt keine Minute später erschöpft die Augen.
Ohne irgendwas zu sagen, sie entscheidet sich schlichtweg dem Jungen mit den schwarzen Augen und braunen Haaren zu vertrauen. Der, welcher sie so an ihre Familie erinnert.
In Hoffnung weiterhin daran, dass er sie genau zu dieser führen wird.

...In dem Moment hielt ich ihn für einen Boten Gottes, danach sah auch seine Kleidung aus, er sollte mir zeigen, was das Schicksal will, ob ich sterben oder doch... weiterleben soll.
Und auch, wenn er die Mondseite der beiden Brüder ist, für mich bleibt er ein Engel, mein Engel."

Gottes Gesandter - IndraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt