Am Rande der Welt (Iwaoi)

Kapitel 12

Eine Woche war mittlerweile vergangen und die innere Leere, die er verspürte fraß sich immer weiter durch Iwaizumis Körper. Er lag reglos mit dem Rücken auf seinem Bett, seine Arme schwer neben ihm in der Matratze einsinkend und seine Augen auf die weiße Decke über ihm gerichtet. In seinem Kopf waren Chaos und Ruhe, Lärm und Stille zugleich.

Vor zwei Tagen hatte er einen Anruf erhalten, mit dem er nicht gerechnet hatte. Eine Frauenstimme war am Telefon zu hören, die sich als Oikawas Mutter entpuppte. Er erstarrte in jenem Augenblick, als die sanfte und zugleich von Trauer erfüllte Stimme der Frau, den Namen des Jungen aussprach, der sich fest in sein Herz verbissen hatte. Er hörte ihr wortlos zu, als sie ihm erzählte, dass Oikawa sie eines morgens angerufen hatte und voller Freude berichtete, dass er einen ganz besonderen Jungen kennenglernt, hatte, der bereit war ihm das Meer zu zeigen.
„Ich weiß Mum, ich kenne ihn nicht besonders lange, aber ich bin mir sicher...er ist es. ", hatte er ihr am Telefon gesagt und sie um eine einzige Sache gebeten: „Auch wenn ihr ihn nicht kennt, wenn er selbst dazu bereit ist, möchte ich, dass du ihn zu meiner Beerdigung einlädst. Mum ich bin mir sicher du wirst ihn lieben."

...

Iwaizumi setzte sich mühsam auf und zauste sich wütend durch seine Haare. Alles schien so unreal für ihn. Nichts fühlte sich gut an. Tag ein Tag aus schwirrten ihm quälende Gedanken durch den Kopf. Er fühlte sich so leer, dass er bisher nicht einmal weinen konnte.

Er richtete seine müden Augen auf seinen Nachttisch und sein Blick verharrte auf einem weißen Briefumschlag, den er zwei Tage nach Oikawas Tod in seinem Briefkasten gefunden hatte. Der Absender: Oikawa Toru.

Iwaizumi hatte sich noch nicht getraut den Brief zu öffnen, aus Angst der Inhalt könne ihm das letzte bisschen Boden unter den Füßen wegreißen. Langsam bewegte er seine Hand auf den Umschlag zu. Seine Fingerspitzen berührten das kalte Papier. Eine Gänsehaut breitete sich bei der Berührung über Iwaizumis ganzen Körper aus. Vorsichtig nahm er den Brief von seinem Nachttisch in seine Hand. Er starrte ihn zunächst nur an und drückte ihn dann nach einer Weile fest gegen seine Brust. Iwaizumi atmete tief ein, schloss seine Augen für einen Moment, sammelte all seinen Mut und öffnete sie wieder.

Mit größter Behutsamkeit öffnete er den Brief. Unter keinen Umständen wollte er zulassen, dass das Letzte, was ihm Oikawa hinterlassen hatte, lieblos behandelt wurde. Seine Hände zitterten, als er in den Umschlag hineinschaute. Bei dem Anblick des Inhalts blieb sein Herz stehen.

"Play me" stand auf einem kleinen Zettel in Oikawas Handschrift. Daneben ein türkisfarbener USB-Stick mit einer weißen Aufschrift: Für Iwa-chan.

Er riesiger Kloß bildete sich in Iwaizumis Hals und er musste schlucken. Angst breitete sich schlagartig in seinem Körper aus, er wusste nicht ob er bereit war, sich den Inhalt dieses USB-Sticks, den Oikawa ihm hinterlassen hatte anzuhören und seine Stimme wieder zu hören.

Also starrte Iwaizumi den Stick eine Stunde lang nur an, bis er sich endlich aufraffte und nach seinem Laptop griff und sich wieder auf sein Bett setzte. Er schaltete ihn ein und das leise Rauschen der Lüftung erinnerte ihn unerwartet an den Klang der Meereswellen. Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Mangen aus und er presste seine Lippen zusammen, als die Erinnerungen durch seinen Kopf schossen. Er bewegte unruhig den USB-Stick zwischen seinen Fingern hin und her, zögerte immer wieder. Legte ihn zur Seite und nahm ihn wieder in die Hand.

„Fuck! Reiß dich zusammen!", brüllte Iwaizumi sich plötzlich selbst an und brach damit die tagelange Stille in seiner Wohnung. Ohne sich weiter Zeit zum nachzudenken zugeben schloss er den USB-Stick an seinen Laptop.

*Klick*

Hey Iwa-chan, da du gerade so ruhig schläfst dachte ich, ich nehme schnell eine kleine Nachricht für dich auf und bringe sie zur Post, bevor du aufwachst. Also bitte erschrecke dich nicht, wenn ich nicht mehr neben dir liege.