Haunted mind

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Es war ein wunderschöner Moment. Das Wasser war türkis und Rachel konnte sehr weit sehen, die helle Sonne leuchtete viele Meter weit ins Wasser. Der Stein an ihrem Bein wog zwar schwer, aber er zog sie nicht so schnell in die Tiefen, als das sie den Anblick nicht in Ruhe hätte genießen können. Keine Panik vernebelte ihre Gedanken und sie konnte ihren Atem problemlos halten. Sie hatte es auch gar nicht so eilig zu sterben, sie freute sich auf diese letzten Sekunden. Sie stürzte rückwärts und beinahe schwerelos ihn ihren Tod. Ihre langen braunen Haare schienen nicht so begeistert davon zu sein, sie strebten wieder gen Oberfläche. Wie unglaublich schön sie in dem Wasser aussahen, so frei und wild. Rachel fiel ein Rotstich auf, beinahe schon wie Mahagoni. Wirklich schön. Sie lächelte und eine Luftblase quoll zwischen ihren Lippen hervor, keine große aber dennoch. Ihr Lächeln wurde breiter. Endlich konnte sie sterben, so wie sie es verdient hatte, so wie sie es wollte. Wie schön musste das sein. Und sie sank weiter, immer weiter.

Ein Zimmer, das stand fest. Verwirrt blickte sie sich um. Wo war sie? Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Sie hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, aber es war ihr unmöglich, zu eruieren, was es war. Der Boden war mit einem besonders hässlichen Linoleum bedeckt. Sie hatte sich immer gefragt, welche furchtbaren Menschen sich solche absolut grauenhaften Muster und Punktierungen ausdachten. Die Konstellation aus Petrol und Kotze-grau war ja schon widerlich, aber die winzigen etwas selteneren schmutzig rosafarbenen Flecken machten es tatsächlich noch schlimmer. Sie betrachtete den Boden einen Moment eingehend und regte sich dabei innerlich über den untalentierten Designer auf und den Idioten, der den scheiß dann auch noch gekauft hatte, ehe sie sich dem Rest des Raumes zu wand. Im Grunde war eh nicht viel zu sehen, sie saß auf einem sehr unbequemen Stuhl und ihr direkt gegenüber stand noch einer. Ansonsten war der Raum bis auf einen gigantischen Spiegel an der Wand zu ihrer Rechten leer. Alles war weiß, die Stühle, die Wände, die Decke, die Tür und auch der Rahmen des Spiegels. Rachel überlegte einen Moment, dass der abartige Boden am besten auch weiß geworden wäre als ihr einfiel, dass man das vermutlich vermieden hatte, damit man nicht so schnell die Fußabdrücke und den Schmutz sah, der sich unweigerlich auf dem Boden sammeln würde. Dabei fiel ihr auch verstärkt auf, wie peinlich sauber der Raum war, sogar die Luft roch sehr sauber. Seltsam, das fiel ihr erst jetzt auf. Aber wie war sie hierher gekommen und was sollte sie an diesem komischen Ort? Genau in dem Moment öffnete sich die Türe und ein Mann in einem weißen Kittel betrat den Raum. Rachel hätte ihn für einen Arzt gehalten hätte er nicht ein Stativ und eine Kamera bei sich gehabt. Er beachtete sie gar nicht, er blickte sie nicht mal an als er die Kamera in einer Ecke des Raumes so aufstellte, dass der Apparat die gesamte Szene überblicken konnte. Dann setzte er sich auf den Stuhl ihr gegenüber. Zum ersten mal sah er sie an, über eine kleine Hornbrille hinweg, die ihm ein gewichtiges Aussehen verlieh. Komisch, auch die Brille bemerkte sie erst jetzt. Einen Moment lang blickten sie sich nur schweigend an, bis er endlich die Stimme hob.

„Nun Rachel, ich denke, du weißt, warum du hier bist" begann er, aber sie unterbrach ihn.

„Nein. Warum?"

Erstaunt und etwas verwirrt stockte er.

„Rachel", Zweifel schwangen in seiner Stimme mit. „Du hast versucht, Selbstmord zu begehen..."

Eine Erinnerung tauchte auf, rotes Haar in türkisfarbenem Wasser.

„Oh..." es klang trocken. „Stimmt. Warum bin ich jetzt nicht tot?"

„Jemand hat dich aus dem Wasser gezogen."

„Wer war es? Das hätte er nicht tun dürfen! Ich wollte sterben..."

Schweigen. Der Mann, der vermutlich ein Psychiater war, wie Rachel nun endlich klar wurde, sah sie einfach nur an. Er wirkte nicht sehr begeistert von ihrer Aussage.

„Rachel, das ist der Grund, warum du jetzt hier bist" sagte er schließlich. „Wir wollen wissen, warum du sterben möchtest und dir helfen.Wir wollen dir helfen, wieder das Leben genießen zu können. Also... warum bist du ins Wasser gesprungen? Und nicht nur das: In voller Kleidung und mit einem Stein an deinem Bein?"

Rachel fühlte wieder das Gewicht des Steines, wie es an ihr zog, und lächelte unwillkürlich. Das Gefühl blieb. Sie wusste nicht einmal warum, aber sie antwortete dem Arzt.

„Es war kein Selbstmord. Es war Mord."

„Warum empfindest du das?" Seine Stimme klang ruhig und hypnotisch, sie konnte gar nicht anders, sie redete weiter.

„Ich identifiziere mich nicht mit dem, was ich bin. Ich bin nicht dieses... etwas" sie zischte das letzte Wort, voller Abscheu. „Hattest du jemals das Gefühl gehabt, verfolgt zu werden? Hattest du jemals Angst gehabt, das jemand dich vielleicht mitnehmen will, dir wehtun will, dich ausrauben will, ermorden? Ich werde verfolgt."

Einen Moment schwieg sie.

„Ich werde verfolgt", wiederholte sie. „Und ich bin um mein Leben gerannt, ich habe mich versteckt. Aber es ist immer hinter mir. Es wartet auf mich. Es tut mir weh, wenn ich einen Moment nicht aufpasse, es stellt mir Fallen, um mich zu verletzen, jeden Tag."

„Was ist dieses es?"

Sie lachte, überheblich.

„Können Sie sich das nicht denken? Es ist in meinem Kopf. Es vergiftet mich von innen. Was würden sie mit einem Hund tun, der sie immer beißt, immerzu?"

„Ich würde ihn einschläfern lassen..."

„Genau. Sie würden ihn töten, nennen Sie es ruhig beim Namen. Sie würden den Hund hassen lernen."

„Also ist dein Kopf dein Hund?"

„Nein. Aber in meinem Kopf ist der Hund."

„Man kann Hunde erziehen. Man muss sie nicht direkt einschläfern lassen."

Ihr Lachen war laut und schrill.

„Ich habe es versucht. Ich habe es zu erziehen versucht. Muss ich viel sagen? Ich habe es frei gelassen, um es kennenzulernen, damit wir Freunde werden, damit ich vielleicht nicht mehr vor ihm weglaufen muss. Am Anfang haben wir uns nur beschnuppert, und dann hat es mich angesteckt. Es hat mich umarmt und mich zu einem von seiner Art gemacht."

„Und das bedeutet?"

„Das ich mich jetzt so sehr hasse wie es mich. Ich hasse mein Gesicht. Ich hasse mein Leben. Ich hasse meine Gedanken. Ich hasse, dass ich mich hasse. It's ironic, isn't it?"

Ein langes Schweigen setzte ein. Es war ihr egal. Es interessierte sie nicht, was er von ihr halten könnte.

„Du... bist sehr krank..." brachte er dann endlich hervor.

„Bin ich das? Oder habe ich nicht einfach nur erkannt, was alle zu übersehen beschließen? Ich bin nutzlos, schwach, eine Belastung. Ich bin zu schwach, um mich selber zu lieben. Oh, wie ich das hasse...wie ich mit Arroganz von mir rede, obwohl ich nichts kann. Wie ich mit Selbstbewusstsein durch diese Welt stiefel, obwohl ich nicht mal dazu in der Lage bin, mein eigenes Leben auf die Reihe zu bringen, jedes Wort gelogen, jeder Schritt posiert. Das Gesicht voller Zuversicht, ich sehe den riesigen Pickel ja nicht.

Kann ich jetzt nicht endlich sterben? Es ist mir egal, was Sie zu sagen haben. Ich werde töten, entweder Sie oder mich. Vielleicht auch beide. Vielleicht auch ein paar der anderen, denen es egal war, die es nicht interessiert hat. Aber es wird Tote geben. Denn ich hasse euch so sehr, wie mein Jäger es tut. Ich werde euch für die Arroganz töten, mit der ihr redet, für das Selbstbewusstsein, mit dem ihr versagt, für eure Lügen, dafür, wie ihr bei jedem Schritt posiert. Ich will euch sterben sehen, ich will sehen, wie all das vernichtet wird. Und dabei vernichte ich mich Schritt für Schritt selber, wie praktisch. Ich vernichte alles, was mit mir zu tun hat, ein langsamer Mord, immer ein Stück mehr, mit jedem Toten. Oh, wie ich mich nach dem Gefühl sehne, wie das Messer durch die weiße Haut der Kehle gleitet, der Abzug an der Waffe, das Gewicht des Schlägers..."

Ein Schwall Wasser stürzte in Rachels Lungen. Es brannte, aber es war egal. Die mahagonifarbenen Haare in dem türkisfarbenen Wasser. Ein Stein an ihrem Bein. Es war so schön. Sie lächelte, als sie starb.

Silence says a lot more than you thinkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt