Kapitel 8 || Say what?!

550 33 6
                                    

Das Erste, was mir in den Sinn kam, war laut aufzulachen.

Ich meine, das konnte er doch nicht ernst meinen? Oder etwa doch?!

Aber als ich seinem Blick begegnete, ruhig und entschlossen, räumte das meine gesamten Zweifel aus, und das war der Moment, in dem ich erschrocken ein paar Schritte nach hinten machte, um Distanz zwischen uns zu bringen.

Seine Lippen verzogen sich protestierend, so als wolle er zu etwas ansetzen, aber ich kam ihm zuvor.

„Was ist falsch mit dir?“, zickte ich ihn an und schüttelte erzürnt den Kopf, dann stolperte ich halb vorwärts, halb rückwärts aus dem Wohnzimmer und schlug die Tür hinter mir zu. Es blieb still, während ich mich an der Wand hinuntergleiten ließ und die Arme fest um die Knie schlang.

Ich stellte mir vor, wie er gerade reagierte, wie seine langen Finger sich langsam zur Faust ballten und die Muskeln seiner definierten Oberarme stärker hervortraten, während er ein versteinertes Gesicht aufsetzte, aus welchem nur seine unglaublich grünen Augen von seiner Wut sprachen.

Würde er mir wehtun, wenn ich bliebe und weiterhin mit Nick befreundet sein würde?

„Nein, sowas macht er nicht, glaub mir“, beschwichtigte mich eine Stimme in meinem Kopf.

„Bist du sicher?“, gab ich skeptisch zurück und trat mental von einem Fuß auf den anderen.

„Er könnte Nick Bescheid sagen. Dann will er vielleicht nichts mehr mit dir zu tun haben. Aber die Wahrheit wäre besser, Lina. Wirklich.“

Ich klammerte mich mit aller Hoffnung an das ‚Vielleicht‘ und betete, dass Nick nicht so oberflächlich war und mir einfach die Freundschaft kündigen würde. Denn er war mir wirklich wichtig, und ich wusste nicht, ob die Uni, Starbucks oder sogar meine Freizeit ohne ihn noch Spaß machen würden. Er war ein Teil meines Lebens, und ich verbrachte mehr Zeit mit ihm, als mir eigentlich lieb war – oder besser gesagt: Als mir lieb sein sollte. In Wahrheit bereicherte er meinen Alltag um das Vierfache hoch zehn, er war ein Sonnenschein und so unglaublich lieb und dann wieder ein Idiot mit all seinen albernen Witzen, mit denen er mich aber trotzdem jedes Mal zum Lachen brachte.

Mit einem Mal begann ich, Nick und Philip nebeneinander zu stellen und sie zu vergleichen. Kritisch verzog ich meine Augenbrauen. Nick auf der einen Seite mit seinen einzigartig ungestylten, aber trotzdem so unwiderstehlichen braunen Locken, den dunkelgrünen Augen, die nur durch die Sprenkel ein bisschen aufgehellt wurden und dem herzlichsten Lachen, das man sich vorstellen konnte. Wenn er lachte, wurden Kätzchen geboren, das schwöre ich.

Und Philip? Philip mit seinen verwirrend herausfordernden, hellen Augen, deren Farbe man erst richtig erkennen konnte, wenn man ihm ganz nah war – blassgrün – und den schwarzen Haaren, die er stets akkurat aufstylte, sodass sie gekonnt messy aussahen. Dichte, markante Augenbrauen, die ihm diesen herausfordernden Blick verliehen, groß, gut gebaut, stilvoll gekleidet.

Irgendwie wurde mir gerade klar, dass ich in eine typische Seifenoper gerutscht war. Welches naive Mädchen hatte nicht plötzlich zwei unglaubliche Sexiest Man Alive-Anwärter auf der Türmatte stehen und das einzige Problem sich darin äußerte, dass die beiden Brüder waren? Ich stöhnte laut auf und vergrub das Gesicht in den Händen. Meine Haare fielen mir nach vorne auf die Knie und wenn mich jetzt Nick, Phil oder ihre Eltern so sähen, würden sie mich glatt für das eine gestörte Mädchen aus The Ring halten. Nur blonder.

Come on, du kannst nicht in Selbstmitleid baden, du musst dir was einfallen lassen!, sagte ich mir und zwang mich, tief durchzuatmen. Es war mir, als lastete die Schwere des Teufels auf meinen Schultern und ich hatte von dem Lied „Shake It Out“ noch nichts gehört.

The Escort Girl || ReactivatedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt