Kapitel 6 || Freut mich.

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Über 200 Reads?? Are you kidding me? *-* Ich hab euch grad soooo lieb!! ♥

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Die kalte Novemberluft brachte endlich Klarheit in meinen Kopf. Tief durchatmend stand ich einige Minuten nur vor dem Haustor und erholte mich von dem kleinen Schreck, der mir gehörig die Laune verdorben hatte. Trotzdem war ich unglaublich erleichtert, dass es nicht an meine private Mailadresse gegangen war, denn das hätte mein gesamtes Leben auf den Kopf stellen können.

Unschlüssig sah ich auf die Uhr. Es war jetzt erst eins, also hatte ich noch ewig Zeit, bis ich mit Nick verabredet war. Spontan beschloss ich, die Strecke einfach zu Fuß zu gehen.

Nick wohnte etwa eine halbe Stunde von mir entfernt, sofern man die U-Bahn nahm, und weil ich eine schnelle Fußgängerin mit einem richtigen Stechschritt war (so sagte zumindest Emma immer, wenn sie sich wie ein kleines Kind über mich beschwerte), nahm ich an, dass es sich ausgehen würde, rechtzeitig zu kommen.

Ich trat durch das eiserne, leicht verzogene Haustor. Quietschend fiel es hinter mit wieder ins Schloss, und ich wandte mich nach links Richtung Stadtzentrum. Bald schon hatte ich mir ein angenehmes Schritttempo ausgesucht und stapfte beinahe schon vergnügt durch die frühwinterlichen Straßen zu Londons Stoßzeit am Wochenende. Eigentlich kamen mir gar nicht so viele Menschen entgegen, wenn man bedachte, dass ich in einer gut bewohnten Gegend lebte. Zwar war die Kriminalitätsrate bestimmt fünfmal so hoch wie bei einem wohlbehüteten, jungen Erwachsenen wie Nick, der wahrscheinlich noch nie eine Schlägerei auf der Straße beobachtet hatte oder von einem Typen mit Messer bedroht worden war, aber trotzdem war unsere Siedlung nicht allzu übel.

Dennoch wünschte ich mir sehnlichst, dass Charles niemals eine solche Begegnung haben würde. Es schauderte mich immer noch bei dem Gedanken an mein erstes Mal, da ich von einem düsteren, alkoholisierten Mann dumm angegangen worden war. Seine düsteren, blutunterlaufenen Augen, die Sturheit im Blick, die Aggression in seiner Stimme, als er nach meinem Geld verlangte. Ich schüttelte kurz den Kopf. Nein, sowas würde ich bei meiner kleinen Schwester nicht zulassen.

Im Gehen stöpselte ich mir die Kopfhörer in die Ohren und schaltete meinen iPod auf Shuffle. Sofort begann ich zu lächeln, als ein Stück von Ludovico Einaudi erklang. Ich persönlich hatte eine ausgeprägte Schwäche für Klavierstücke, und wäre dieser Pianist nicht schon im Opaalter, hätte es für mich kein Halten mehr gegeben: Ich wäre nach Italien abgehauen, hätte ihn entführt und zur Zwangsheirat geführt.

Still lächelte ich in mich hinein, während ich die friedvolle Umgebung betrachtete. Die Bäume, die bereits all ihre Blätter abgeworfen hatten, trotzten standhaft der Kälte und als ich bei kleineren Parkgebieten vorbeikam, entdeckte ich sogar einige dunkelbraune Eichhörnchen, die geschäftig auf dem Boden herumwuselten und wahrscheinlich ihre Nüsse versteckten. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, anzuhalten und sie zu füttern, musste aber enttäuscht feststellen, dass ich keine Nüsse mithatte. Etwas unschlüssig ging ich langsamer und hielt am Boden nach etwas Fressbaren für die kleinen Quirlbällchen Ausschau, konnte aber nichts finden.

Notiz an mich selbst: Habe immer Nüsse mit.

„Kann ich dir eine anbieten?“, fragte jemand freundlich neben mir. Ich wandte mich überrascht um und sah direkt in die warmen Augen einer hübschen Frau, die kaum vierzig sein konnte. In ihrer ausgestreckten, behandschuhten Hand lagen einige Walnüsse. Ich spürte, wie sich ein breites Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete.

„Dankeschön“, sagte ich erfreut, zog mir die Stöpsel aus den Ohren und nahm mir eine Nuss, nur um mich dann sofort hinzuhocken und die Hand auszustrecken. Ein Eichhörnchen hielt im Herumlaufen interessiert inne und spitzte die Ohren.

The Escort Girl || ReactivatedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt