-Eine Skavo-

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"Gut, dass ihr überlebt habt", Miley umarmte mich schwungvoll. An meinem verwirrten Blick schien sie zu merken, dass ich nicht wirklich verstand, warum sie sich jetzt so um uns sorgte. "Na du und Sam wart da viel länger drinnen als ich." Ich wollte sie gerade fragen, wann sie denn raus geholt wurde aber da kam schon Basil auf uns zu und zog mich sanft von Miley weg. "Es ist besser, wenn ihr jetzt keine freunde mehr seid, sie ist nicht in eurem Team. Sie ist eine Tersis und keine Skavo". Was erzählt der da? Der hat mir nicht zu sagen, wer meine Freunde sind und wer nicht.

Gerade als ich wieder zu Miley wollte, gesellte sich Scarpion zu ihr." Kommt mit.", wies Basil Sam und mich an. Zumindest Sam war in meinem Team. Wir folgten Basil, er führte und über eine Brücke in einen anderen Teil des Schlosses. Unter der Brücke war ein reißender Fluss. Wenn man da rein fällt, dann war es aus. Wir hielten vor einem Tor, auf dem groß und in goldenen Buchstaben Skavo stand. Das war jetzt also unser Team. Aber wofür eigentlich? Waren die Teams sowas wie Klassen?

Drinnen waren immer wieder mal vereinzelt Schüler in kleineren Gruppen unterwegs. Sie alle schienen Respekt vor Basil zu haben. Bei einer Schülergruppe hielt er an. "Kantao, zeigst du Sam bitte sein Zimmer. Er wohnt bei euch." Kantao begrüßte Sam freundlich mit einem Handschlag und lächelte mir kurz zu, brachte Sam dann aber auch gleich weg. Jetzt war ich also allein, getrennt von meinen Freunden, auf einer fremden Schule. Nur Basil war noch neben mir, aber er war auch ein fremder. Aus irgendeinem Grund vertraute ich ihm, trotzdem kannte ich ihn nicht. "Komm, ich zeig dir dein Zimmer." Basil führte mich durch ein paar Gänge. Auf mehreren Türen stand eine Nummer. Wir hielten vor einer Tür mit der Nummer 67. Anouk, das ist dein Zimmer., Basil öffnete mir die Tür und machte eine einladende Geste. "Ich hoffe, dass es für dich in Ordnung ist, dass du für dieses Schuljahr erstmal noch allein wohnen wirst." Er folgte mir in mein Zimmer und setzte sich auf eines der Betten. Ich nickte und stellte meine Sachen auf dem anderen Bett ab. Der Raum war groß, sogar größer als mein Zimmer daheim. Und ich hatte ein Bad für mich allein. Was Gutes hatte das hier wohl doch.

Basil betrachtete mich amüsiert, während ich mich in meinem neuen Zimmer umsah. Irgendwann unterbrach er die Stille: "Weißt du eigentlich, was es mit dieser Schule und den drei Teams aus sich hat?" Ich schüttelte den Kopf und hoffte, dass er es mir erklären würde. "Setz dich.", wies er mich an und deutete mit einem Nicken neben sich. Ich setzte mich neben den Jungen mit braunen lockigen Haaren, die ihm leicht ins Gesicht fielen, seine wasserblauen Augen faszinierten mich schon die ganze Zeit. Und jetzt fiel mir auch auf, dass er nach Orange und Zimt roch.

"Also,", riss Basil mich aus meinen Gedanken, "die Shadow School ist eine Schule, in der es ums Leben und Überleben geht." Ich spürte, wie mein Herz sofort begann, schneller zu schlagen. "Aber keine Angst", sprach er weiter, "hier werden jetzt nicht Tag für Tag Schüler abgeschlachtet. Wir werden das ganze Schuljahr trainiert und auf die Spiele vorbereitet." Die Spiele. Wirklich seriös klang das hier nicht. Aber kein Wunder, wir waren in einem Schloss, irgendwo im nirgendwo und wurden bei einem Test, der und in Teams einteilen sollte, beinahe zerquetscht.

Mir fiel auf, dass ich Basils Erklärung zu den Spielen gar nicht aufmerksam gefolgt war, also hörte ich ihm wieder zu. "Wir sind die Skavo, mein Team. Aber keine Angst, ich bin nicht so ein Anführer, der nur rumkommandiert, dafür haben wir den Dekan, ich sehe mich selbst auch mehr als einen Schüler. Anders als Scarpion, der Anführer der Tersis, er spielt sich total auf, seit er Anfang des Jahres als Anführer gewählt wurde." Basil musste mein verwirrter Blick bei dem Wort Dekan aufgefallen sein. "Der Dekan ist der Mann, der euch gestern empfangen hat. Er ist sowas wie der Direktor der Schule. Manchmal wirkt er etwas griesgrämig, aber wenn man ihn etwas besser kennt, ist er wirklich nett." Basil machte eine kurze Pause und schien sicher gehen zu wollen, dass ich auch alles verstand.

"Die Skavo setzten im Kampf auf Geschicklichkeit und Risiko, die Tersis auf Kampf und Gerissenheit und die Fana, das Team von Akira, setzten auf Wissen und Können. Unsre Methoden sind natürlich die Besten.", sagte er mit einem Grinsen und fuhr fort. "Wir haben letztes Jahr bei den Spielen gewonnen. Wir haben nur zwei Schüler verloren, die Fana dagegen sieben und die Tersis, die Verlierer, logischerweise zehn." Ich schlussfolgerte aus seinen Worten, dass die Spiele immer endeten, wenn aus einem der Teams zehn Schüler gestorben waren. Was war das hier für eine kranke Schule?

"Ich hätte beinahe vergessen, dir das hier zu sagen, an unsrer Schule trägt niemand seinen richtigen Namen. Das trägt zum einen dazu bei, dass wenn ein Schüler hier die fünf Jahre auf der Shadow School überlebt und in sein normales Leben zurückkehrt, anonym bleibt und so nicht im Nachhinein durch Rache oder Hass getötet werden kann, zum anderen ist es aber auch Tradition hier und hat den Vorteil, dass kein Name doppelt vorkommt. Denkt dir am besten heute noch einen aus, sonst wird das der Dekan für dich tun und dann könnte ein Name wie Donkey bei rauskommen und ich denke kaum, dass du ein Esel sein möchtest." Wir beide mussten lachen und mir fielen seine süßen Grübchen auf.

Beim Verlassen des Raums riet Basil mir noch, das Zimmer abzuschließen, bevor ich schlafen ging. Ich denk, das hätte ich sowieso gemacht, nachdem was er mir erzählt hatte, trotzdem bedankte ich mich bei ihm für den Rat. Mit einem Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass es eigentlich noch gar nicht so spät war wie gedacht. Wir hatten erst neunzehn Uhr und ich überlegte kurz, mich im Lager der Skavo mal etwas umzusehen, nahm es mir dann aber für morgen vor. Ich hatte letzte Nacht viel zu wenig geschlafen, außerdem wusste ich ganz genau, dass ich Stunden brauchen würde, um einzuschlafen. Also breitete ich meinen Koffer auf dem Bett aus, auf dem Basil und ich vorhin gesessen hatten. Kurz überlegte ich, ob ich doch diese Bett nehmen sollte, da es am Fenster stand aber als ich merkte, dass es nur Vorhänge und keine Rollläden gab, blieb ich bei dem Bett, das etwas in einer Nische stand.

Als ich meinen Koffer nach meinen Schlafsachen durchsuchte, musste ich mit erschrecken feststellen, dass ich meinen Schlafanzug daheim vergessen hatte. Ich riss alle Schränke auf und hoffte, dort noch irgendwas brauchbares zu finden. Nichts. Dann blieb mir wohl nur noch übrig Sam zu suchen und ihn zu beten, mir einen Schlafanzug oder ein Shirt von ihm zu leihen. Das hatte er auch immer gemacht, wenn ich bei Miley und ihm übernachtet hatte und keine Lust gehabt hatte, rüberzugehen, um meinen eigenen Schlafanzug zu holen. Und da Miley zu klein war, um mir ihre Sachen zu leihen, hatte ich immer ein Shirt von Sam bekommen. Der Gedanke an Miley schmerzte etwas, denn wenn ich Basil richtig verstanden hatte, waren wir jetzt Konkurrenten und es könnte der Moment kommen, in dem einer meiner Teamkameraden sie vor meinen Augen umbrachte. Eine verbotene Freundschaft also.

Ich schloss gerade meine Zimmertür hinter mir, als mir auffiel, dass ich überhaupt nicht wusste, in welchen Zimmer Sam wohnte, da Kantao, ein asiatischer Junge in unsrem Alter, ihn mitgenommen hatte. Was Sam sich wohl für einen Teamnamen überlegt hatte? Ich beschloss einfach drauf los zu suchen, durch die Gänge zu streifen und vielleicht konnte ich ja jemanden fragen, wo Kantao wohnte. Ihn kannten sie ja.

Allerdings erwies sich das als nicht so einfach jemanden zu finden. Ich begegnete nur einer einzigen Schülergruppe, die aber so in ein Gespräch vertieft war, dass ich sie nicht stören wollte, außerdem Schienen sie um einiges älter zu sein als ich. Ich wunderte mich kurz, warum nicht einer von ihnen Anführer der Skavo war, denn sie schienen in ihrem letzten Jahr hier zu sein und Basil schätze ich nur zwei bis drei Jahre älter als mich. Ich beschloss, dass es wohl an seinen guten Fähigkeiten im Kampf liegen musste. Vielleicht konnte er sich ja möglichst gute Strategien ausdenken. Oder es lag einfach daran, dass er verdammt gut aussah, bestimmt auch total beliebt war und allein schon alle Mädchen in dem Team ihn gewählt hatten.

Ich wusste gar nicht, wo ich jetzt lang gegangen war, und schob schon kurz Panik, mich in diesem Labyrinth aus Gängen verlaufen zu haben, als ich Basil sah. Wenn man vom Teufel spricht! Oder besser, denkt. Er war zwar nicht der, den ich gesucht hatte, aber er konnte mir bestimmt sagen, in welchem Zimmer Sam wohnte. Auch Basil schien mich bemerkt zu haben, denn er kam auf mich zu. "Hey Anouk, brauchst du Hilfe? Du siehst etwas verloren aus." "Ja, ich suche Sam. Kannst du mir sagen, wo sein Zimmer ist." "Klar, kann ich machen. Ich denke allerdings, dass das dich gerade nicht wirklich weit bringt, ich habe ihn vorhin mit Kantao und noch ein paar anderen Jungs gesehen, wie sie sich in Richtung Esshalle begeben haben. Aber kann ich dir vielleicht helfen, wenn Sam gerade nicht kann?" Sollte ich ihn fragen? Aber er war mein Anführer! Trotzdem standen wir und schon komisch nah. "Naja, also ich bräuchte einen Schlafanzug.", stammelte ich. Verdammt, warum konnte ich nicht einfach normal reden? "Klar, kannst ein Shirt von mir haben.", grinste Basil, "komm mit."

Shadow School - until the end Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt