Kapitel 3

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Wir gehen zu Leslie. Von Weitem können wir ihre Eltern sehen. Sie stehen neben einem schwarzen Auto.

Ihre Mum begrüßt uns herzlich. Sie nahm mich in den Arm.

"Nun aber schnell. Wir fahren jetzt los", rief Herr Krieger.

Im Auto klingelt mein Handy.

"Hallo."

"Elife. Wo bist du denn? Ich bin HEUTE schon nach Hause gekommen. Ich wollte dich überraschen.", spricht eine Männerstimme.

Es war mein großer Bruder. Er und ich leben allein in einem Haus. Unsere Eltern sind vor drei Jahren bei einem Hausbrand ums Leben gekommen. Für das Sorgerecht, für mich, musste er lange kämpfen, doch er hat es mit jeglicher Kraft geschafft.

Unsere Eltern hatten keine Geschwister, sodass ich da hätte wohnen können und unsere Großeltern leben auch schon lange nicht mehr, bis auf eine Oma, sie ist aber in einem Altersheim.

Wir leben seit 2 einhalb Jahren zusammen. Wir sehen uns kaum, da er viel auf Geschäftsreisen ist. Wir telefonieren dennoch sehr viel.

"Ich bin gerade zu Leslies Eltern gegangen und sitze nun bei ihnen im Auto. Wir fahren zur Grandma, ich wollte dabei sein, weil ich nicht damit gerechnet habe ,dass du kommst und mir langweilig wurde. Ich werde am Abend wieder da sein.", versichere ich ihm.

"Na gut."

Er legt auf.

"Wer war das, dein Bruder Tom? ", fragt mich meine Freundin, die neben mir sitzt.

"Ja, er ist schon zu Hause und wunderte sich, dass ich nicht da bin."

"Wir bleiben ja nicht so lange im Krankenhaus oder Mama?", Leslies Stimme klingt stabil, doch ihr Gesichtsausdruck zeigt Trauer.

"2 Stunden dürfen wir sie heute nur besuchen, dann fahren wir zurück. Vielleicht schläft sie ja auch...wir müssen schauen. Doch spätestens um 18 Uhr sind wir wieder in unserer Stadt.

Leslies Grandma wohnt schon lange außerhalb, ihr gefiel die Stadt nicht mehr und zog so weit weg, dass man mit dem Auto 1 Stunde lang fährt.

Aber eins ist geblieben: Sie wohnt trotzdem noch in einer Kleinstadt wie wir!

Die Autofahrt ist mit Schweigen überstanden.

Wir gehen auf das weiße Haus zu, indem Leslies kranke Oma liegt.

Eine Hand umschlingt meine. Sie zittert und ist eisig kalt.

An der Rezeption melden wir uns an und eine Krankenschwester führt uns zu einer weißen Metalltür. Dann verabschiedet sie sich.

Frau Krieger klopft dreimal an die Tür und drückt die Klinke hinunter.

Gerade will ich auch rein gehen, da zieht mich jemand nach hinten.

"Leslie, was ist denn los?", frage ich besorgt.

Ihre Augen werden klein und ihre Mundwinkel ziehen sich langsam nach unten. Ihr Ausdruck sagt mehr als tausend Worte.

Sie versucht mir etwas zu sagen, doch ich verstehe kein Wort.

Tränen übergießen ihre Wangen und ich ziehe sie an mich. Ich drücke sie und versuche sie zu beruhigen, wie sie es gestern bei mir auch tat.

"Ich schaffe das nicht." und dann wischt sie sich ihre nassen Spuren von den Tränen weg. Ihr Mascara ist auf ihrem ganzen Gesicht verteilt.

Die Arme, jetzt sieht sie aus wie ein Waschbär....

Ich nehme ihre Hand und führe sie durch die große Metalltür.

"Guten Tag.", sage ich zur Oma, "ich bin es, Elife.

Die Frau, die vor mir im Bett liegt, schaut mich verwundert an.

Sie ist alt, sehr alt-ungefähr 80 Jahre.

Sie hat weißes Haar, kahle Stellen auf dem Kopf. Ihr Gesicht ist total verschrumpelt. Sie sieht geschwächt aus, müde, als würde sie seit Tagen nicht geschlafen haben. Ein weißes Hemd trägt sie und hat sich bis zur Brust mit einer Decke zugedeckt.

Neben ihrem Bett steht ein kleines Schränkchen auf dem eine Vase mit weißen Lilien platziert ist, ein Notizbuch und ein Stift und eine Brille.

Frau Krieger und Herr Krieger stehen auf der rechten Seite des Krankenbettes, Leslie lässt meine Hand los und stellt sich links von ihrer Oma ans Bett.

Sie zieht ihre Hand aus ihrer Jackentasche und greift nach der Hand ihrer Grandma. Doch erfurcht schnappt sie schnell ihre Hand weg und versteckt sie unter ihrer Decke.

Aus Leslies Richtung höre ich nur ein schluchzen.

Frau und Herr Krieger eilen um das Bett zu ihrer Tochter und ziehen sie aus dem Zimmer heraus. Ich folge ihnen.

In Tränen brechen Leslie und ihre Mum aus, Herr Krieger setzt sich auf einen Stuhl, der einsam an einer weißen, leeren Wand steht.

Als sich Frau Krieger einkriegt, meint sie, dass wir besser fahren sollten.

Wir marschieren bedrückt zum Auto und während der ganzen Fahrt bleibt es ruhig. Nur manchmal durchbricht ein Seufzer die Stille.

"Hallo meine Süße!", begrüßt mich mein Bruder Tom.

Er kommt auf mich zu und deutet eine Umarmung an, doch ich bin überhaupt nicht in Stimmung.

"Ohh, was ist denn mit meiner Schwester los? Sie sieht ja ganz fertig mit den Nerven aus.", er spielt ein bedrücktes Gesicht.

"Leslies Oma kann sich nicht mehr an ihre Familie erinnern, sie hat sehr starkes Alzheimer. Leslies Familie ist total verzweifelt."

Er nimmt mich in seine Arme und gibt mir ein Kuss auf den Kopf.

Ich mag das sehr an ihm, weil er es zu diesen Momenten macht, wo es mir Geborgenheit schenkt-wo ich es am meisten brauche. In manchen Augenblicken ist er aber nicht da, dann vermisse ich ihn richtig und wünschte er wäre bei mir....

"Wollen wir uns heute Abend Pizza bestellen und uns einen Film anschauen?", fragt er, um die Stimmung aufzuhellen.

"Ich möchte früh schlafen gehen, wir sind nämlich heute Nacht erst ins Bett gegangen und wurden sehr Früh am Morgen geweckt.", teile ich ihm mit.

"Ja natürlich, wir können es auf morgen verschieben?

Ach übrigens, ein Brief war für dich im Briefkasten. Hier!", er drückt mir den Umschlag in die Hand.

"Danke.", ich gehe in mein Zimmer.

Kämpfen, Leiden, Stark seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt