Kapitel 10

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Ich drehe mich um, schaue zu ihr, halte den Blick auf sie gerichtet. Sie wendet ihn ab.

Ich streife mir mit meiner Hand durch meine Haare. Ich nehme sie dann wieder runter.

Ein Schritt mache ich auf sie zu.

Ein Ausdruck von Entsetzen und Trauer zeichnet sich in ihrem Gesicht ab.

Sie springt auf, streift sich ihre kaputte Bluse ordentlich und rennt den Gang hinunter.

Fassungslosigkeit macht sich in mir breit. Habe ich was falsch gemacht?

Ich drehe mich erneut um und setze meinen Weg fort.

Unzählige Türen reihen sich. Hinter jeder Tür könnte Tom sitzen.

Ich denke darüber nach, was das Mädchen sagte, bis mich ein Mann überrascht. Er ist pumlig. Hat ein schwarzes Unterhemd an, ein schwarzes Hemd offen drüber gezogen und eine dunkelblaue Jeans an. Seine Haare sind braun farbig und strähnig, fettig.

Wir laufen ineinander und entschuldigen uns beide, doch als ich ihn richtig musterte, wurde mir klar, dass das einer der Kerle war, die Tom und mich krankenhausreif geprügelt haben.

Seine Augen werden groß, als ob er meine Gedanken lesen kann.

Ich bin noch etwas wacklig auf den Beinen, doch ich komme gut klar, als ich die Flucht einschlage.

In meinem weißen Stofffetzen, den ich vom Krankenhaus netterweise bekommen habe, renne ich den ganzen Weg zurück. Mein Atem ist so schlimm, dass man ihn bei 10 Meter Entfernung hören kann. Ich bekomme kein Luft mehr!

Aber ich kann doch jetzt nicht aufgeben, vor allen Dingen nicht, wenn mir jemand nach jagt. Seine Schritte sind wie Elefantenstampfe.

Ich biege rechts ab, in der Hoffnung, ihn damit abzuhängen. Doch Fehlschlag.

Ich muss ehrlich sagen, für seine Körpermasse, hat er ganz schön Tempo.

Ich reiße die nächste Tür auf und stoppe. Treppen!

Meine Beine müssen wohl oder übel noch mehr leiden. Ich renne hoch, immer zwei Stufen auf einmal.

Ich höre die Tür aufgehen. Die Schritte werden leiser, das heißt wohl, er rennt die Treppen runter.

Ich warte noch ein bisschen, um sicher zu gehen, er ist auch wirklich verschwunden.

Mit bedacht tripple ich leise die Stufen runter und gehe zu der Etage, wo mein Zimmer ist. Eine Schwester läuft mir über den Weg.

Sie hält mich an. Es ist die, die Tom den Brief gebracht hat.

"Was machst du denn hier? Du sollst doch im Bett liegen!", schnautzt sie mich voll.

Ein auf ganz unschuldig sage ich und dem aufgesetzten Hundeblick:" Ich suche meinen Bruder."

"Ist er auch hier auf der Station oder ein Besucher?"

"Er ist auch hier im Krankenhaus. Er heißt Tom Fly."

"Ohh....", sie wird total rot-verlegen.

Schnur stracks eilt sie zum Fahrstuhl.

Ich mag keine Fahrstühle, manchmal habe ich Angst, dass er stecken bleibt. Außerdem, was hat dieses "Ohh..." zu bedeuten?

Da ist doch irgendwas. Ich muss nur noch herausfinden was es ist.

Ich zwinge mich in den Aufzug, kralle mir die Stange, wo man sich festhalten kann, schließe meine Augen und....

Er bleibt stehen....scheiße!

"Kommst du raus?", fragt mich eine Frauenstimme.

Ich blinzle, die Tür ist auf. Ich gleite durch die Tür und bin mächtig stolz auf mich. Ein Lächeln formt mein Gesicht. Es fühlt sich toll an. Ich habe es ohne zu Weinen überstanden.

"Bitte komm mir nach.", befiehlt mir die hübsche Krankenschwester.

Ich folge ihr.

Eine schwarze Metalltür. Da steht B3.

Sie öffnet die Tür.

Da liegt er. "Ahhhhh" kommen aus dem Mund der Schwester und mir im Duett.

Er liegt nicht etwa auf dem Bett oder im Stuhl, sondern auf dem Boden. Noch blutiger als auf der Straße. Total zerfetzt. Seine Körperteile sind alle noch dran, doch sein Fleisch ist.....kaum beschreiblich.

Blut....

Überall nur Blut.

Soweit das Auge reicht. Oke ein bisschen übertrieben....aber eine riesige Lache umfasst ihn.

Die Schwester eilt zu ihm und drückt wie eine Verrückte auf den roten Knopf. Ich renne in der Zwischenzeit auf den Flur und schreie um Hilfe, jemand solle doch kommen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt jemand. Es ist Doktor Finn.

"Was ist denn?", schreit er von weit hinten.

Ich stottere:" Mein....mein Bru....mein Bruder.....er...."

Doktor Finn rennt in Toms Zimmer und der Schock steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er nennt die Krankenschwester Kylie.

Der Name passt zu ihr.

Finn drückt auf einen anderen Knopf auf der Fernbedienung.

Plötzlich kommen mehrere weißbekleidete Personen. Sie helfen Tom auf eine Tragematte zu legen und Kylie schiebt mich in diesem Moment schon beiseite, damit die Leute ihn aus dem Zimmer fahren können.

Ich stehe immer noch voll geschockt in seinem Zimmer und betrachte die Blutpfütze.

An seinem Kleiderschrank klebt ein kleiner Notizzettel. Was darauf steht, lässt mir den Atem stocken.

Da fällt mir ein, der Brief liegt noch auf meinem Schränkchen. Bin neugierig, ob das alles zusammenhängt.

Auf dem Notizzettel steht:
Was muss noch geschehen, damit du es begreifst!? Verschwinde!>>

Ich reiße ihn ab und zerknülle es in meiner Hand, schmeiße ihn jedoch nicht weg. Mein Blick verfinstert sich. Wer tut so etwas schreckliches? Was haben wir ihm angetan?

Kylie starrt mich an. Ihr Mund steht offen vor Entsetzen.

"Was steht da drauf?", fragt sie.

"Eine Notiz. ", antworte ich kühl.

Ich verlasse das Zimmer.

Kämpfen, Leiden, Stark seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt