Kapitel 4

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Ich wachte auf und streckte mich, da ich ziemlich versteift war. Ich habe im sitzen, auf einem gepolsterten Sessel geschlafen, da Likarius in meinem Bett lag. Ich hätte auch einfach ins Gästezimmer gehen können, doch irgendetwas hielt mich davon ab, dieses Zimmer zu verlassen. Da entdecke ich Likarius. Sein Kopf war in meine Richtung gedreht. Um den Bauch hatte er einen weißen Verband, der erst frisch gewechselt sein musste, da er glänzte wie ein frisch polierter Boden. Der letzte Verband den ich an ihm in Erinnerung hatte, war dunkelrot und von Blut durchtränkt. Er sah ziemlich fertig aus, obwohl er schlief. Seine Miene war verkrampft und vom Schmerz gezeichnet. Likarius atmete jedoch ruhig und regelmäßig, was mich darauf hin deuten ließ, dass er schlief. Vorsichtig stand ich auf und schlich zu Titus, der ebenfalls schlief. Ich streichelte ihn am Hals. Nach einigen Streicheleinheiten holte er tief Luft und stieß eine Art Seufzer aus. Dann trat ich an den Balkon und schaute runter. Graek hob seinen schweren Kopf langsam zu mir hoch, um mich blinzelnd, fragend anzusehen.
" Hab dich lieb, mein großer! "
Er senkte den Kopf wieder und döste in der aufgehenden Sonne weiter. Ich trippelte mit meinen Fingern auf dem Geländer rum und schlug irgendwelche Rhythmen an. Mir war sehr langweilig und ich wusste nicht was ich tun sollte. Langsam drehte ich mich um und schaute auf Likarius. Er war ein Werwolf. Das war jetzt genauso sicher wie der Sonnenaufgang. Höchstwahrscheinlich hätte ich mir Sorgen machen müssen, aber es war mehr interessant als furchteinflößend. Ich ging auf mein Bett zu und wartete tief in meinem Inneren auf den Moment, in dem er aufsprang und mir die Kehle aufreißen würde. Eigentlich total bescheuert. Er hat mir mein Leben gerettet. Wieso sollte er es dann selbst auslöschen? Ich wusste nicht viel über Werwölfe, außer, dass sie immer böse dargestellt wurden. In jeglichen Kindermärchen oder Legenden waren sie als die größten Monster dargestellt. In der einen Geschichte löschten sie ein ganzes Dorf aus, in der anderen Geschichte töteten sie nur die Kinder und in wieder einer anderen, fraßen sie ihre eigenen. Ich schaute ihn mir genauer an. Ihm wurde eine Hose übergezogen, weswegen ich überaus froh war. Aber sein Oberkörper war frei. Ich sah seine Muskeln, die sich auf seinem Bauch kennzeichneten. Seine Arme waren ebenfalls muskulös und sahen stark genug aus, um damit ein Fass voll Sand tragen zu können. Vorsichtig, und darauf bedacht kein Geräusch zu machen, um ihn nicht zu wecken, ging ich langsam um das Bett herum und stellte mich neben ihn. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus. Mein Herzschlag beschleunigte sich und mein Atem ging schneller. Was war nur los mit mir? Zumindest in diesem Moment war er ein normaler, einfacher junger Mann. Ohne Reißzähne oder Klauen und beharrt war er auch nicht. Natürlich war er leicht beharrt, aber eher wie ein normaler junger Mann und nicht wie eine fleischfressende Bestie. Ein attraktiver, junger Mann mit hübschen braunen Haaren und blau-grünen Augen, soweit mich meine Erinnerungen nicht täuschten. Meine Fingerspitzen berührten seine Schulter. Sie war angenehm warm. Diese Wärme hatte irgendwie eine angenehm beruhigende Wirkung auf mich. Sanft bewegte ich meine Hand in Richtung seiner Brust. Als ihn ein Scheuer durchschüttelte, sprang ich wie eine erschreckte Katze zurück. Titus hob langsam seinen Kopf und blinzelte mich an. Als er bemerkte, dass eigentlich nichts los war, verdrehte er seinen Kopf wieder ziemlich seltsam und unangenehm aussehend nach hinten. Aber wenn es ihm gefällt... Likarius riss die Augen auf. Ängstlich schaute er sich um. Als er mich entdeckte, sah er überaus erleichtert aus.

" Bist du verletzt? "
Ich konnte es kaum fassen.
" Ich? Wie geht es dir? "
" Bist du verletzt? "
Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Seine Sturheit war echt kaum zu übertreffen. Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an und wartete auf eine Antwort. 
" Nein. " 
" Gut. "
Schnell und flink setzte er sich auf. Ich fragte mich ob er wohl viele Schmerzen hatte. Es war eine sehr tiefe Wunde, wie ich vermutet hatte, aber er richtete sich ohne ein kleines ächzen auf, was den Eindruck schindete, dass die so tief geglaubte Wunde am Ende doch nur ein kleiner Kratzer war. Als könnte er Gedanken lesen, sagte er:
" Ich heile mit zwanzigfacher Geschwindigkeit. "
Er sagte es, als wäre es das normalste auf der Welt. Für ihn war es wahrscheinlich auch so. Sicherlich war das auch so eine Werwolf-Sache. Aber in seiner Stimme hängte ein Unterton, der fast undankbar, oder sogar sauer klang.
" Bist du wütend? Ich habe dir das Leben gerettet. Wir sind jetzt Quitt. Bist du jetzt wütend weil ich dir keinen Gefallen mehr schulde? "
Er schaute auf mein verletztes Gesicht, woraufhin er selbst für einen Bruchteil der Sekunde verletzt aussah, als würde er meine Gesichtszüge spiegeln. Allerdings bekam er sich schnell wieder in den Griff und schüttelte kurz den Kopf um seine Gedanken zu ordnen. Da sah er wieder zu mir auf und sein Blick wurde weicher.
" Nein. Ich könnte niemals wütend auf dich sein. Ich bin wütend auf mich selbst. Es war dumm von mir bei Vollmond hier zu sein. Hab ich mich sehr schlimm verhalten? "
Mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem leichten Schmunzeln im Gesicht sah ich ihn amüsiert an. Er konnte sich nicht erinnern, wie er sich verhalten hatte. Natürlich könnte ich ihm jetzt einen Streich spielen, allerdings fände ich es lustiger, wenn er sich sein Verhalten selber zusammenreimen konnte. Daher antwortete ich :
" Sagen wir, du hast dich anders verhalten. "
Schnell grub er sein Gesicht in seine Hände, als könnte ich ihn nicht mehr sehen. Ich kicherte leicht bei seinem gescheiterten Versuch sich unsichtbar zu machen. Wäre ich zwei Jahre alt gewesen, hätte das vielleicht sogar geklappt.
" Es tut mir so unendlich leid! "
Ich verstand nicht genau wofür er sich entschuldigte. In meinen Augen gab es da nichts zu entschuldigen. Dennoch fand ich ausgesprochen höflich und  es sehr nett, dass er sich überhaupt dazu entschloss sich überhaupt zu entschuldigen. Ein wenig schneller als vorhin, ging ich auf ihn zu und setzte mich auf das Bett vor ihn. Likarius starrte mich so entsetzt an, als wäre ich der Werwolf.
" Was ist? "
" Du hast keine Angst. "
Es war keine Frage, sondern eher eine Feststellung die ihn sichtlich verwirrte.
" Sollte ich? "
Schnell schüttelte er den Kopf.
" Und trotzdem bist der allererste Mensch, der keine Angst vor mir hat. "
" Ist das so schlecht? "
" Nein. "
Er lächelte schief. Die ganze Zeit schaute er mich an, woraufhin ich rot wurde. Da klopfte es an der Tür. Erleichtert stand ich auf und machte die Tür auf. Rein kam Tribon. Er nickte mir zu und ging an mir vorbei, um Likarius zu betrachten. Eben jener machte Anstalten aufzustehen, doch Tribon drückte ihn wieder runter, bevor er auch nur die Chance hatte sein gewolltes umzusetzen.
" Bleib liegen. Du bist verletzt. "
Nun ging Tribon zu der Stange, auf der Titus saß und streichelte ihn. Er genoss diese Streicheleinheiten ebenso wie die meinen vorhin. Er sah extrem gelassen aus, weswegen Tribon erleichtert aufatmete und ebenfalls ruhiger wurde. Titus war wie eine Art Alarmanlage. Falls Gefahr drohte wusste er das noch bevor wir auch nur einen Gedanken an so etwas verschwendet hätten.
" Was machst du hier? "
Tribon drehte sich nicht zu mir um, weil ich die Frage gestellte hatte, sondern zu Likarius.
" Es tut mir leid. Ich musste nur sehen, ob du wohl auf bist. Wie willst du das eigentlich anstellen? Jeden Wolf dieses Landes unter Schutz stellen? Ihn zu deinem Schoßhündchen machen? "
Likarius schaute enttäuscht zu mir hoch. Fragend sah ich ihn an.
" Du hast es ihm erzählt. "
Mal wieder keine Frage, sondern eine Feststellung.
" Keine Sorge, Kleiner. Ich habe es herausgefunden. Ohne mich wüsste es nicht mal Askara. Außerdem werde ich es nicht weitererzählen. Jaja Askara...er ist nicht viel jünger als ich schon gut! "
Tribon hatte mich beschwichtigen wollen, nachdem ich ihn böse angesehen hatte, nachdem er Lik 'Kleiner' genannt hat. Likarius lehnte sich zurück. Tribon sah mich, auf seine erste Frage bezogen, fragend an.
" Wölfe dürfen nicht mehr getötet werden. Es ist ganz einfach. "
Tribon schüttelte den Kopf.
" Das kannst du nicht tun. Es gibt Jäger, die von dem Fell leben. Du musst versuchen ihn beim nächsten Vollmond so unter Kontrolle zu haben, dass ein Künstler ihn abzeichnen kann. Dieses Bild muss dann einige Male nachgezeichnet werden und dann hängen wir es aus und alle sehen, dass du ein neues Haustier hast. Keiner wird es dann wagen ihn jemals zu verletzen. "
Likarius knurrte wütend:
" Nein. "
Ich schaute ihn an. Sein Knurren klang furchtbar Angst einflößend und bereitete mir schon fast Gänsehaut. Ich versuchte allerdings nicht darauf zu achten und fragte mich stattdessen was er wohl dagegen hatte, nicht umgebracht zu werden.
" Was? Warum nicht? "
Er öffnete seine geschlossenen Augen und schaute mich ernst an.
" Weißt du wie gefährlich das ist? Bei Vollmond? Sag mal bist du wahnsinnig? "
" Sag mal...soll ich dich töten lassen? Diese Männer die das Wolfsfell brauchen werden deins nicht außer Acht lassen! "
" Ich könnte verschwinden. "
Es traf mich wie ein Schlag. Seine Stimme klang wehmütig, woraufhin eine recht unangenehme Stille im Zimmer herrschte. Alles in mich zog sich zusammen. Keine Frage. Ich hatte mich in ihn verliebt. Und jetzt wollte er einfach so verschwinden. Hilfe suchend drehte ich mich zu Tribon, der die Stille endlich durchbrach.
" Ach was. Das ist doch nicht nötig. "
" Ich könnte sie töten! Liegt dir gar nichts an deiner Schwester? Wenn ich verschwinden würde, wäre sie außer Gefahr..."
Nun mischte ich mich ein. Das Schöne daran war, dass ich sein eigenes Argument gegen ihn verwenden konnte.
" Du könntest getötet werden!  "
" Lieber würde ich sterben, als dich in eine solche Gefahr zu bringen. "
Nach diesem Satz wurde mir bewusst, dass ich auf eine andere Art rangehen musste.
"Du hast mir schon mal mein Leben gerettet. Jetzt stell dir mal vor, ich werde wieder entführt und du bist nicht da, weil du mich beschützen wolltest. Aber man kann nichts in seiner Abwesenheit beschützen. "
Tribon lachte in sich hinein, was mir nur allzu verständlich machte, dass ich gewonnen hatte. Likarius blieb still. Dann senkte er den Kopf.
" Leider muss ich zugeben, dass du nicht ganz unrecht hast. "
Mir schwebte gerade im Kopf herum, dass ich ein paar gut ausgebildete Wächter und sieben Brüder hatte, die mich beschützen könnten. Doch bevor Likarius aufsah, verscheuchte ich den Gedanken und ließ mir nichts mehr anmerken.
" Na gut. Unter einer Bedingung. "
Ich zuckte mit den Schultern.
" Wenn wir das durchziehen, bin ich an den dicksten Ketten dieses Landes gekettet. "
Ich seufzte. Immer der mit seinen extra Wünschen...
" Dann sieht man aber dein hübsches Fell nicht mehr. "
Ich weitete meine Augen. Habe ich das gerade wirklich gesagt? Die Worte waren mir aus dem Mund gerutscht, ohne, dass ich darüber nachgedacht hatte. Tribon schlich sich auf leisen Sohlen aus dem Zimmer.
" Du findest mein Fell schön? "
Ein Pfiff von unten, draußen verwirrte mich. Nun konnte ich guten Gewissens die Frage ignorieren und schaute, anstatt die Frage zu beantworten, nach unten. Da stand Krator. Er saß auf seinem Pferd und fing an schreiend zu dichten.
" Oh mein kleines Schwesterherz!
Ist das jetzt ein schlechter Scherz?
Da liegt ein Junge halb nackt,
in deinem Bettchen kaum verpackt!
Schöne Grüße Lik! Ich hoffe ich sehe dich noch mal wieder. "
Dann gab er seinem Pferd die Sporen und ich knurrte, wie es Lik vorhin getan hatte. Graek stand schon angriffslustig da und schaute zu mir hoch. Ich sprang gleichzeitig mit Graek, nur dass ich runter und er hoch sprang, sodass ich nicht sehr tief fiel. Likarius rief mir noch hinterher:
" Tu ihm nicht allzu sehr weh! Sein Gedicht war doch ganz in Ordnung! "
Dann lachte er und Graek hetzte auch schon los.

Die Prinzessin von AthronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt