nächtlicher Museumsbesuch

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Dante lenkt den Wagen durch die Strassen von Paris. In der Nacht ist längst nicht so viel los wie am Tag und so kommen wir schnell voran. Ich ruhe mich auf dem Rücksitz aus und geniesse den Geruch des Waschmittels auf meiner sauberen Kleidung. Die schwarze Hose ist von Kyria, der Pulli von Dante. "Zwei Minuten, dann sind wir beim Waffengeschäft", informiert Kyria mich. Ich rapple mich auf und ziehe die Kapuze tief ins Gesicht. Wir ziehen uns diese hautengen Handschuhe an und binden uns ein Tuch vor das Gesicht. "Dann mal los." Dante hält das Auto neben einem kleinen Park und wir verlassen es geschwind. Wie bei den Trainingskämpfen für solche Situationen schwärmen wir aus und beobachten den Laden. Le shot - armurerie Paris steht über der Eingangstüre. Kreativer Name für einen Waffenladen. Kyria schleicht sich zur Türe und knackt das Schloss. Innerhalb weniger Sekunden steht sie offen und wir bedienen uns dem Inhalt des Geschäftes. Ich schnappe mir zwei Handfeuerwaffen, ein Sturmgewehr, genügend Munition, um eine ganze Armee auszuschalten und ein paar Messer. "Es sollte verboten sein, Waffen nach Ladenschluss nicht sicher einzuschliessen", grummelt Kyria. "Einfacher für uns, aber ich stimme dir zu." "Alles bereit?" Die Geschwister nicken. "Na, dann los."

Das Museum liegt still und verlassen da. Der Hintereingang ist allerdings nicht verschlossen, was uns zögern lässt. "Was, wenn dieses Kartell hier ebenfalls sucht?", bedenkt Dante. "Dann geh ich rein und schalte sie aus. Vielleicht ist es nur der Direktor." Ich schleiche mich durch die Tür einen Gang entlang und werfe kurz einen Blick zurück. Meine beste Freundin und mein Freund folgen mir geräuschlos. Deshalb fallen mir sofort die murmelnde Stimme und die quietschenden Schuhe auf, die irgendwo ganz in der Nähe sein müssen. Lautlos huschen wir in den Schatten und teilen uns auf. Kyria geht links in den Raum und entdeckt einen Gang. Sie gibt uns das Zeichen, dass sie ihn auskundschaften wird. Ich gehe rechts in den Raum und spähe zwischen den Regalen auf die Person, die in der Mitte vor einem runden Sockel steht. Es ist Marcel Voirier, der sich verzweifelt die Haare rauft. Dante wagt es, sich ihm von hinten zu nähern und hält ihm die Waffe an den Hinterkopf. Er zuckt zusammen und macht Anstalten sich umzudrehen. "Nana, wir wollen brav die Hände heben und ganz ruhig sein", sagt er leise. "Wie sind Sie hier reingekommen?", fragt Voirier. "Durch die offene Hintertüre." "Ich hab sie abgeschlossen!" Besorgt sieht Dante zu mir herüber. Was wenn das Kartell schon hier ist? Oder noch schlimmer, wenn das hier eine Falle ist? "Wo ist die Holzeule?", frage ich und trete hinter dem Regal hervor. "Ihre Grossmutter fand sie nicht und Sie werden es auch nicht." Ich bin mir sicher, dass er eben bevor Dante ihm die Pistole an den Kopf gehalten hat, von der Eule und von einer Schublade was gemurmelt hat . Ich gehe langsam von einer Vitrine zur nächsten und beobachte das Gesicht des Direktors. Seine Augenbraue zuckt und ich sehe auf den Sockel vor mir. "Die erste Schublade, die zweite, die dritte, die ..." "Es ist die dritte, seine Finger haben etwas gezuckt und er hat einen minimen Schweissausbruch." Ich höre das fluchende Murmeln, ignoriere es aber und knacke das Schlösschen. "Wirklich sicher haben Sie's hier ja nicht", lache ich und öffne die Schublade. Ein einzelner Brief liegt darin und ich erkenne die Handschrift meiner Grossmutter sofort. Das Papier ist leicht gelblich und sieht abgenutzt aus. "Ich fessle ihn an den Pfosten da drüben." Dante zerrt Voirier etwas weiter zum Eingang und bindet dessen Hände, den Pfosten im Rücken, mit Kabelbinder fest. "Ich sehe nach Kyria", informiert er mich und verschwindet im nächsten Gang.

Sorgfältig nehme ich den Umschlag aus der Schublade und ziehe das Papier heraus.

"Die Eule habe ich aus ihrem Versteck an einen sichereren Ort gebracht. Es war zu riskant, sie hier zu lassen. Erinnerst du dich an die Legende von Madame Caracas? Sie hat während der Belagerung einer fremden Armee das letzte Schwein über die Mauer geworfen, worauf die Belagerer abgezogen sind; im Glauben, die Leute hätten in der Burg noch reichlich Vorrat."

Das ist alles? Natürlich kenne ich die Legende, aber was soll denn das? Ich nehme ein Feuerzeug hervor und zünde den Umschlag an. Innerhalb weniger Sekunden ist da nichts mehr als ein Häufchen Asche und das fege ich zurück in die Schublade. Nachdem ich sie abgeschlossen habe, gehe ich zu unserem Gefangenen hinüber. "Was meinen Sie, wo die Eule ist?" Der Mann hat nichts von meiner Aktion mitbekommen und weiss deshalb nicht, was ich gefunden habe. "Nichts", presst er heraus. Ich nicke sarkastisch mit dem Kopf. "Und Sie kennen auch keine Methoden der legendären Weatherbys, jemanden zum Reden zu bringen?" Ich habe zwar keinen Schimmer, wie meine Grosseltern das angestellt haben, aber es hört sich einfach gut an. Voirier schluckt und einige kleine Schweissperlen bilden sich auf seiner Stirn. "Nein", stottert er. "Sehen Sie mich an!" Zögernd hebt er seinen Blick und ich sehe ihm direkt in die Augen. "Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen?" Etwas ungläubig sieht er mich an, dann beginnt er zu überlegen. "Eine Crêpe mit Honig." Ohne dass er es gemerkt hat, drückt mein Finger sanft auf einen Nerv im Nacken. "Und vorgestern?" Ich drücke ein wenig fester zu und merke, wie sein Hirn langsamer zu arbeiten beginnt. "Ich glaube, das war Quiche au fromage", murmelt er benommen. Ich drücke einmal fest zu und einen anderen Nervenstrang gleich noch mit. Seine Augen werden sofort leer, sein Körper schlaff und er lässt sich zu Boden sinken. "Monsieur Voirier, verstehen Sie mich?" "Ja." Seine Stimme ist nur noch ein willenloses monotones Band. "Hat Agent Weatherby die Eule in diesem Museum versteckt?" "Nein", lautet die Antwort. "Ist die Eule einmal hier gewesen?" "Ja." "Wo ist sie jetzt?" "Agent Weatherby hat sie nach Agent Weatherbys Tod weggebracht." Also seit mein Grossvater tot ist, ist sie nicht mehr hier. "Wollte Agent Weatherby irgendwo bestimmtes hin?" "Sie hat gesagt, dass sie die Eule beim früheren Essen versteckt." Erst ein Schwein in den Legenden, jetzt ist altes Essen dran? Hat sie Hunger gehabt? "Hat sie Sie als vertrauenswürdig angesehen?" "Agent Weatherby hat mir nur das Wichtigste erzählt, aber sie hat mich nie gefesselt." Gut, wenigstens das. "Gibt es noch etwas, was Sie mir erzählen müssen?" "Sie sind hier", wispert er. In dem Moment knallt ein Schuss irgendwo im Museum und gleich darauf geht der Metallregen los. Ich löse hastig Voiriers Fesseln und schubse ihn in die Besenkammer. "Setzen, hier bleiben!", befehle ich ihm.

Mit hochgehaltener Waffe bewege ich mich durch den erdunkelten Raum. Jemand hat das Licht ausgeschalten und, ich vermute mal, die Alarmanlagen an. Vielleicht erhoffen unsere unbekannten Feinde sich, dass ich so nicht zu den anderen beiden gelange und ihnen helfen kann. Allerdings kann ich mich an den roten Punkten der Kameras orientieren. Aber wer sagt denn eigentlich, dass ich die Polizei nicht hier haben möchte? Wir werden von der OISA aus dem Gefängnis geholt, falls sie uns erwischen, das Kartell allerdings muss die Flucht ergreifen oder wird verhaftet.

Ich entdecke einen Kämpfer hinter einer Vitrine. Ohne den Alarm auszulösen gehe ich bis in die Mitte des Raumes und richte die Waffe auf den Typen. Ich schnalze mit der Zunge, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Schockiert starrt er erst auf die Waffe, dann beginnt er mit den Händen zu wedeln und blickt panisch zu den Kameras hoch. Eine nähert ihre Linse zu mir und schon geht der Alarm los. "WIUUUW WIUUUW", schrillt der hohe Ton mit abscheulich starker Lautstärke und im Raum geht ein gedämmtes Licht an. "Umdrehen!", rufe ich dem Mann zu. Er hebt die Hände und für eine Millisekunde sehe ich in seinen Augen ein herausforderndes Aufblitzen. Von seinem Gesicht sehe ich so oder so nicht mehr, weil es, wie meines, von einem Tuch verdeckt ist. Noch bevor er das Messer aus seinem Ärmel ziehen kann, mache ich einen langen Schritt auf ihn zu und hole mit dem Fuss aus. Ich treffe ihn an der Schulter, er verliert das Gleichgewicht und fällt auf die Knie. "Hände auf den Rücken!", herrsche ich ihn an und diesmal befolgt er meinen Befehl. Seine Hände binde ich um einen der Pfosten, die so praktisch hier herumstehen, und entwaffne ihn. Zwei Messer, ein paar Wurfsterne und eine Spritze. "Wohl noch nicht in dem Jahrhundert angekommen, was?" Ich drehe mich um und gehe vorsichtig den Schüssen entgegen. Der schrillende Alarmton blende ich aus. Wofür wohl die Spritze gedacht ist? Eilig entziffere ich die Aufschrift. Papaver... Den Rest kann ich zwar nicht lesen, aber es reicht mir. Es ist Opium, ein starkes Betäubungsmittel. Dann wollen diese verfluchten Typen jemanden entführen!

Schrei der EuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt