Entwaffnung

13 0 0
                                    

Alva flattert durch die Öffnung und setzt sich versteckt hinter einen Schrank. "Ich warne dich, falls ich etwas höre." Ohne darauf zu reagieren löse ich den längsten Riemen vom Rucksack und lasse ihn vorsichtig nach unten gleiten, bis ich nur noch das Ende des Riemens in der  Hand habe. "Es fehlen etwa 15 Centimeter." Ich lehne mich weiter aus dem Schacht und lasse ihn fallen, als er kurz den Boden berührt. Gut, das hätten wir, aber ich muss auch noch raus. Kopfvoran zwänge ich meinen Oberkörper aus dem Schacht und stütze mich links umd rechts an der Wand ab. Maman schnappt nach Luft. Schnell schaue ich zu ihr und halte mir den Finger vor den Mund. Sie soll leise sein. Wie viel wissen die beiden wohl inzwischen? Um das Problem kümmere ich mich später, wenn alle zuhause sind. Elegant rolle ich mich aus dem Schacht und lande wie eine Katze auf den Füssen. Sofort stelle ich mich wieder auf die Zehenspitzen und hole das Gewehr aus dem Schacht.
Ohne auf meine Eltern zu achten baue ich es eilig auf. Ich weiss, dass ihre Gesichter blank vor entsetzen sind. Die beiden Ärzte, welche Waffengewalt aufs schärfste verurteilen haben plötzlich eine Tochter, welche sich nicht nur damit auskennt, sondern sie auch noch benutzen kann. Eilig hole ich die beiden Feilen aus meiner Socke und mache mich daran, das Zellenschloss von Kyria zu knacken. Kurz darauf schnappt es und die Tür schwingt auf. Ohne Begrüssung knacke ich auch ihre Armketten, helfe ihr auf, massiere kurz ihre Unterarme um die Durchblutung zu fördern und drücke ihr die Pistole in die Hand. Wortlos stellt sie sich neben die Eingagstüre und gibt mir das Zeichem, dass sie bereit ist. Dann folgen Zelle und Armketten von Dante, der ebenfalls sofort aufsteht. Er nimmt das Gewehr und stellt sich vor die Tür. Schnell knacke ich das Zellenschloss meiner Eltern. Da sie nicht angekettet sind, stehen sie auf und schliessen mich in die Arme, sobald die Tür offen ist. Ich kann die Last der Fragen spüren, die sie mir stellen wollen, doch ich lege behutsam meine Zeigefinger auf ihre Lippen. Pantomimenmässig versuche ich zu erklären, dass sie sich nur auf unsere Anweisung hin bewegen dürfen und keinen Mucks machen sollen. Beide nicken, sie haben verstanden.
Alva hüpft hinter dem Schrank hervor. "So viel ich hören kann schlafen vier Personen, zwei sind wach. Sie unterhalten sich." Um das Schloss der Stahltüre zu knacken muss ich zusätzlich das Messer gebrauchen, dessen Spitz anschliessend verbogen ist. Wer auch immer davon getroffen wird, das schmerzt bestimmt höllisch. Ausserdem wickle ich das Garn um die eine Hand, damit es griffbereit ist wenn ich es brauche. Leise ziehe ich die Tür auf. Kyria linst nach draussen, gibt das Zeichen umd schleicht raus. Niemand da. Den Gang runter rechts leuchtet eine Lampe, ich höre das Rascheln einer Zeitung. Das dürfte Grunier sein. Aber zuerst öffne ich äusserst vorsichtig die nächste Tür. Sie führt direkt in das Lager von zwei schlafenden Agenten. Dante und Kyria stürmen lautlos hinein und halten den schlafenden die Münder zu, während ich die Tür hinter ihnen schliesse und die Waffe fest in die Hand nehme, die Kyria mir im vorbeigehen gegeben hat. Das Vorgehen drinnen kenne ich auswendig. Mund und Nase zuhalten, Schlagadern am Hals zudrücken, Puls zum Rasen bringen und schneller Sauerstoff verbrauchen. Innerhalb weniger Sekunden sind die beiden bewusstlos. Nach einer Minute öffne ich die Tür und helfe Kyria Agent Williams in die Zelle zu tragen, anzuketten und zu knebeln. Dante schultert die zweite Agentin und kettet sie ebenfalls an. Das Schlaflager vis à vis von dem welches wir gerade ausgeschaltet haben muss dementsprechend das Männerlager sein. Das werden Dante und ich übernehmen, da ich kräftiger bin als Kyria. Ich gebe ihr die Waffe wieder zurück, sie öffnet die Tür und nach dem gleichen Prinzip wie vorher erledigen wir die Unbekannten. Dante ist schneller fertig als ich und hält den sich wehrenden Typen fest, damit ich mehr zudrücken kann. Lautlos schleppen wir sie in die Zelle und fesseln sie in der anderen Zelle. Wir finden Seile, mit denen wir sie perfekt an die Stahlgitter knüpfen können.

Vier Agenten sind ausgeschaltet, jetzt bleibt einer übrig der wach ist und Grunier. Ich wende meine Gedanken Alva zu und frage sie stumm, ob noch mehr Leute wahrnehmen kann. "Nein, nur diese zwei. Denjenigen, den du Madsen nennst, futtert eine übel riechende Suppe, Grunier sitzt am Tisch und liest die Zeitung. Die Küche ist rechts, Grunier sitzt im Bereich vor der Küche." Da ist wohl das Wohnzimmer oder so was ähnliches, meiner Orientierung nach müsste dort auch der Ausgang sein. Wir brauchen ein Ablenkungsmanöver. Wir kennen Grunier gut genug um zu wissen, dass er Madsen schicken wird um nach den Gefangenen zu sehen, falls ihm etwas verdächtig vorkommt. Ein richtiger Angsthase, wenn es ums Eingemachte geht. Ich befehle meinen Eltern im Zellenraum in eine Ecke zu gehen, Dante geht in den rechten Schlafraum, Kyria in den linken, ich nehme die Tür im Zellenraum und werfe eine Rauchgranate, welche ich gefunden habe, in den Gang. Mit einem Wumms zerplatzt sie und es zischt. Ich schicke Alva zu meinen Eltern, sie darf keine Sekunde in Gefahr geraten. "Was war das?", flucht Grunier. Schritte, das entsichern einer Waffe. "Eine Rauchgranate, nichts schlimmes", grummelt Madsen gelangweilt. "Das ist die Weatherby!" "Du bist unglaublich paranoid. Das ist ein Scherz deiner schlafenden Agenten." "Nein, nein, da stimmt etwas nicht. Los, schau nach den Gefangenen." Jemand stolpert. Grunier schubste Madsen wohl in den Gang. Ich stehe hinter der Tür mit dem Garn bereit, das Licht ist gelöscht, er hat keine Chance. Schon schwingt sie auf und ich höre das Tasten nach dem Lichtschalter. Madsen steht mit dem Rücken zu mir und ich erinnere mich gut an seine Körpergrösse. Ohne Probleme und eine Milisekunde später ziehe ich die Schlinge um seinen Hals zu. Ich möchte ihn ungern töten, aber er wehrt sich und versucht nach etwas zu greifen. Schnell trete ich die Tür zu, der Knall signalisiert Kyria und Dante dass Madsen bei mir ist und bestätigt aber auch Grunier das eventuell etwas nicht stimmt. Es wird immer schwieriger, den Ellbogenschlägen des Mannes auszuweichen, doch ich ziehe unerbittlich weiter zu und stecke einige Schläge weg. Schliesslich erledige ich ihn mit einem gezielten Schlag gegen die Schläfe und er klappt zusammen. So schnell es nur geht verschnüre ich ihn mit dem Garn wie ein Paket und stopfe ihm das nächst beste Stück Stoff in den Mund.

"Du kannst rauskommen Alysha, Grunier ist gestellt." Ich schalte das Licht an und öffne die Tür. Da steht er, die Hände erhoben, Kyria und Dante zielen aus den Schlafräumen auf ihn. "Eine Freude Sie wiederzusehen, Monsieur." Er sieht mich bitterböse an. Ich gehe zurück in den Zellenraum, schnappe mir ein paar Handschellen und bedeute meinen Eltern, kurz zu warten. "Fesseln wir ihn an einen Stuhl." Gesagt getan. Wir plündern die Küche, Kyria beginnt zu kochen und Dante grinst Grunier an. "Maman, Papa, ihr könnt kommen." Unsicher kommen sie den Gang entlang und mustern sich das Wohnzimmer. "Darf ich dir helfen?", fragt Maman Kyria und sie nickt erfreut. Papa steht etwas hilflos da. Ich reiche ihm die Zeitung. "Mach es dir da drüben gemütlich, wir erledigen den formellen Kram." "Ich sichere die Gefangenen nochmals, meldest du dich in der Zentrale?" "Jawohl, Sir. Bringst du mir den Rucksack mit?" Dante nickt und verschwindet.

"Was haben Sie sich dabei gedacht, uns derart zu verarschen?" Grunier kneift die Lippen zusammen. "Was haben Sie sich von der Eule erwartet? Macht? Geld? Sicherheit?" Er schweigt weiter beharrlich, doch als Alva auf meine Schulter flattert, werden seine Augen gross. "Das ist also der Mann, der meine Kräfte missbrauchen wollte?", will sie wissen. "Scheint so", antworte ich. Es sehen mich alle komisch an, aber das ist mir gerade egal. Dante hält mir den Rucksack hin und ich packe den Laptop aus. Ich hacke mich in den nächsten Satelliten und stelle eine Verbindung zu Dumas her. Der Bildschirm flimmert und der alte Herr lächelt mir entgegen. "Alysha meine Liebe. Wie ich sehe geht es dir gut." Ich suche sein Gesicht nach Stress-Anzeichen ab um herauszufinden, ob er bedroht wird. Doch da ist nichts. "Bei mir ist wirklich alles in Ordnung. Grün ist doof." Das ist der Satz, den wir einmal ausgemacht haben, um Bedrohung auszuschliessen. "Uns geht es gut. Wir sind in einem Gebirge in Usbekistan, meine Eltern und die Salvadors sind wohlauf." Er nickt zufrieden. "Können wir ihm genügend nachweisen, dass er als Verräter dasteht?" Dumas grinst. "Jawohl, seit er euch hinterherjagen musste hat er seine übliche Vorsicht vernachlässigt. Ich habe Notizen gefunden, den Kaufvertrag für den Helikopter, die Pläne für das Versteck, alles da und bereits an die Leitung der OISA überbracht. Ich erwarte morgen Rückmeldung und Anweisungen, wie ihr vorzugehen habt." Erleichtert verschränke ich die Arme hinter dem Kopf. "Genial, dann können wir unser Leben hier noch einige Stunden genissen."

Schrei der EuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt