Ein Helikopter mit usbekischen Spezialagenten landet am Mittag des nächsten Tages. Sie bringen uns zurück zum Flughafen, auf welchem ich bereits gelandet war. Mit Stopps in der Türkei und in Kroatien werden wir mit Militärflugzeugen zurück nach Paris transferiert, wo uns eine Delegation der OISA erwartet. Meine Eltern werden in das Spital des Vertrauens, ein Militärspital, gebracht, wo sie von unseren hauseigenen Ärzten untersucht werden. Wir werden ins Hauptgebäude der Agency gebracht und haben eine Stunde Zeit, uns zu duschen und die Uniformen anzuziehen. Monsieur Dumas holt uns bei den Duschen ab, drückt uns allen ein Croissant in die Hand und führt uns zum Sitzungszimmer der CEOs. Alva sitzt auf meiner Schulter und putzt sich die Federn. "Was passiert eigentlich mit dir?" "Keine Ahnung. Ich wäre gerne eine normale Eule, aber dafür muss dieser Fluch gebrochen werden, der auf mir lastet." "Ein Fluch?" "Nicht direkt ein Fluch, einfach das Zeug, das mich am Leben hält." "Wie bricht man den?", frage ich neugierig. "Mein Besitzer muss mich umbringen. Das bist du momentan." "Aber dann lebst du doch nicht mehr!" "Doch, nur ein Besitzer, der nicht von der Macht besessen ist, geht dieses Risiko ein und ersticht mich. Das löst den Bann und lässt mich als normale Eule zurück." Ich denke nach während ich den anderen folge. "Warum hat das meine Grossmutter nicht gemacht?" "Weil sie nicht diejenige war, die mich erweckt hatte. Es war dein Grossvater und der glaubte mir zuerst nicht. Dann starb er und ich fiel in meine 10jährige Starre. Deine Grossmutter hatte sogar einmal versucht, mich wieder zu erwecken, aber dann starb auch sie." Ich schweige lange und sehe sie dann an. "Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du es versuchen würdest. Mein Dasein ist eine Last für die Menschheit und es gibt andauernd Streit um diese Fähigkeiten. Leben werden meinetwegen geopfert und ich wäre furchtbar gerne wieder eine einfache Eule, die ihr Leben lebt und dann sterben kann." Schliesslich nicke ich. "Ich werde es tun, ich vertraue dir. Verhalte dich wie eine ganz normale Eule, ich lasse mir eine Erklärung einfallen."
Wir sitzen an einer alten Rittertafel, uns gegenüber vier Männer und Frauen, deren Namen wir nicht kennen. Geheimsache. Nicht unsere Sicherheitsstufe. Wir erklären, wir hören uns Lob und Kritik an, wir unterschreiben eine Erklärung und eine Verschwiegenheitspflicht. Ich erkämpfe mir das Recht, Alva zu behalten und dass wir erfahren, was mit Grunier und den anderen Agenten geschieht. Vier Stunden später sind wir fertig. Völlig erledigt und erschöpft werden wir zu unseren Ärzten gebracht, untersucht bis aufs Knochenmark und schlussendlich entlassen. Wir ziehen uns um, verlassen das Gebäude und gehen durch den Jardin des Tuileris. An einem der Teiche treffen wir meine Eltern. Wir sind wieder Darcy, Cyr und Ella. Keine Agenten, normale Gymnasiasten. Ich umarme Maman und Papa. "Alles in Ordnung bei euch?" Sie nicken. "Dankeschön, ma chérie." Papa drückt mir einen Kuss auf die Stirn. "Nicht böse?" "Wie könnten wir? Monsieur Dumas hat uns alles erklärt. Wir sind unglaublich stolz, dass du das Vermächtnis deiner Grosseltern übernommen hast." Mir fällt ein riesiger Stein vom Herz. Ich habe bereits befürchtet, ihnen alles erzählen zu müssen und ständig aufpassen zu müssen, dass ich keine geheimen Informationen weitergegeben hätte. Ich muss dem alten Mann ein ganz besonderes Dankeschön vorbeibringen. "Sie haben unser zuhause aufgeräumt. Kommst du auch nach Hause?" Ich nicke. "Eine heisse Schokolade und eine Kuscheldecke sind gerade alles was ich brauche." Darcy und Cyr grinsen. "Wir gehen auch nach Hause. Unsere Eltern wissen nichts von unserem Abenteuer, aber sie machen sich Sorgen." "Bis bald", verabschiede ich mich von ihnen und umarme beide. Cyr drückt mir einen Kuss auf die Stirn und nimmt dann die Hand seiner Schwester. Die beiden gehen Richtung ihres Zuhauses, welches 20 Minuten von unserem weg ist.
Zuhause sieht es aus als wäre nichts passiert. Selbst die Ordner wurden geordnet zurück ins Regal gestellt, Kissen ersetzt, Geschirr eingeräumt und Fotos wieder aufgehängt. Alva flattert auf die Lampe und beobachtet uns. Ich koche uns Wasser und Milch auf, gebe Maman eine Tasse ihres geliebten marrokanischen Minzentees und Papa einen deftigen Schwarztee. Wir setzen uns zusammen auf das Sofa und schweigen nachdenklich. "Wir waren gerade dabei ein Geburtstagsgeschenk für dich auszusuchen, als diese Typen hereingestürmt kamen." Vorsichtig lächle ich. Keine Ahnung, ob sie ein Trauma erlebt haben, aber es scheint mir, als nähmen sie das äusserst locker. "Habt ihr euch entschieden?" "Ella mein Schatz, mach dir bitte keine Sorgen um uns. Wir wurden weder bedroht noch gefoltert noch sonst was. Sie wussten dass wir keine Ahnung hatten. Uns ist schon schlimmeres passiert." Fragend runzle ich die Stirn. "Wir wurden, bevor du geboren wurdest, in Afrika entführt, als wir ein Projekt für Ärzte ohne Grenzen durchführen wollten. Wir wussten dass es riskant ist, aber wir haben es dennoch getan. Damals haben wir uns noch gefragt, warum es so schnell gegangen ist, dass wir wieder frei gelassen wurden. Jetzt wissen wir, dass deine Grosseltern wohl die Finger im Spiel hatten." Lachend schüttle ich den Kopf. "Hundertprozent. Mamie und Papie hatten Verbindungen in alle Welt." Papa krazt sich am Kinn. "Verrückt, wenn man darüber nachdenkt. Ich habe nie etwas gemerkt." "Wir haben über deinen Geburtstag gesprochen", erinnert uns Maman. "Genau. Wir möchten mit dich ins Ballet de l'Opéra einladen um das Stück Giselle anzuschauen. Was meinst du?" Ich falle den beiden um den Hals, sodass sie fast ihre Geträke verschütten. "Das wäre wunderbar!" Es klingelt. "Erwarten wir Besuch?" Wir sehen uns alle fragend an. "Ich gehe." Durch den Türspion linse ich nach draussen. Wohlbekannte Gesichter strahlen mir entgegen.
"Die Stoyans, was für eine Überraschung!", ruft Maman, als sie Darcy, Cyr, Mélanie und Frédric sehen. "Nadine, Marcel! Wie schön euch wieder einmal zu sehen!" Cyr küsst mich sanft und streicht mir die Haare aus dem Gesicht. "Sie wissen nichts. Wir dachten uns, es ist etwas einfacher sie, wenn sie sehen, dass alles in Ordnung ist." "Gute Idee", stimme ich zu. "Maman, Papa! Erzählt ihnen doch von eurem Trip nach Afrika, wie ihr das Spital unterstützt habt." Meine genialen Eltern steigen sofort darauf ein und erzählen Mélanie und Frédric, wie sie Malaria-Kranke gepflegt haben. Ich gehe zum Kühlschrank und öffne ihn. Gähnende Leere. "Ich bestell uns was", ruft Darcy und hat sich bereits das Telefon geschnappt. "Japanisch?" Zustimmung von allen Seiten.
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Schrei der Eule
FantasiaContense und George Weatherby sind kein Mythos. Die Geschichten ihrer Grossmutter sind wahr. Ella Lavoisier kann es kaum fassen, als der Agent Pierre Dumas ihr das erzählt. Plötzlich ist sie nicht mehr einfach Ella Lavoisier sondern auch Alysha Weat...