Erlöst

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Alva flattert zu mir herab. "Könntest du es bitte tun?" Sie sieht mich flehend an. "Na gut. Wie lange dauert das?" Cyr sieht mich fragend an. "Ich soll ihr ein Messer durch die Brust bohren damit sie normal sein kann. Ich brauche dich als Zeugen, sonst glaube ich das nicht falls sie wirklich wieder aufwacht." Er schüttelt nur ungläubig den Kopf, dann zieht er mich hoch in mein Zimmer. Alva flattert auf den Boden, ich hole einen Plastiksack und ein Messer. Mir ist nicht wohl bei der Sache. Aber ihre Geschichte ist einleuchtend und ich möchte nicht von noch mehr unnatürlichen Kräften profitieren und damit alle in Gefahr bringen. Sie legt sich freiwillig auf den Rücken und breitet die Flügel aus. Mit dem Messer über ihr taste ich nach dem kleinen Herz. "Bereit?" "Ja. Und falls es nicht klappen sollte, mach dir keine Vorwürfe. Du hast mich von meinem jahrhundertelange Dasein erlöst. Ich bin dir dankbar, egal was ist." "Ich hoffe sehr dass es funktioniert. Es wäre schön, wenn du bei mir bleiben würdest." Sie nickt. "Ich nehme an, dass ich nicht mehr mit dir sprechen kann. Aber falls meine gedanklichen Fähigkeiten noch da sind, werde ich bei dir bleiben und versuchen mit dir zu kommunizieren. Eine Sitzgelegenheit am Fenster wäre toll!" Ich muss tatsächlich lachen. "Du bekommst alles was du willst. Versprochen." Sie atmet durch und schaut mir tief in die Augen. "Tu es." Zögernd sehe ich zu Cyr hoch, der nickt, als hätte er es gehört.

Das Messer saust zielsicher auf den kleinen Körper hinab. Alva zuckt, zittert kurz und erschlafft. Schnell ziehe ich die Klinge wieder heraus und werfe es weg. Schockiert starre ich auf die Schneeeule, deren Federn sich langsam rot färben. Leblos liegt sie da, die Augen geschlossen, ruhig und zufrieden. Cyr nimmt meine Hand. "Wenn es ihr Wunsch war, hast du das richtige getan." "Aber ich wünsche mir, dass sie wirklich zurückkommt. Ich mochte sie." Sanft schreiche ich ihr über den Schnabel. "Komm schon, Kleines", flehe ich sie an. Ihr Bein zuckt. Neugierig streiche ich ihre Federn zur Seite um nach der Wunde zu schauen. Nichts da. Behutsam lege ich sie in meine Hand und streiche über ihren Bauch. Sie schnappt nach Luft und beginnt röchelnd zu atmen. "Alles gut, meine Kleine, alles gut." Flatternd öffnet sie die Augen. Diese sind nicht mehr auffallend aquamarinblau, sondern normal hellblau. Es hat funktioniert. "Salut Alva", begrüsse ich sie. Verdutzt schaut sie mich an und stellt sich unsicher auf meiner Hand auf. Zuerst schüttelt sie sich, dann schaut sie uns erwartungsvoll an. "Sie hat schon mal keine Angst. Verstehst du uns?" Sie legt ihren Kopf schief und betrachtet uns. "Vielleicht nicht direkt, aber die Bedeutung. Hast du Hunger?" Sofort reagiert sie, pfeift fröhlich und flattert zur Tür. Schnell räume ich den Plastiksack weg und folge Cyr und Alva nach unten. Das Essen wird gerade gebracht und wir setzen uns alle an den Tisch. "Alva ist eine normale Schneeeule", informiere ich Darcy. Alva landet auf ihrer Schulter und lässt sich streicheln. "Ihre Augen sind nicht mehr so auffallend blau", stellt sie fest. "Aber noch genauso süss."

Wir verteilen Teller und Essstäbchen, Schüsselchen mit Sojasauce und setzen uns. "Itadakimasu!", rufen wir alle fröhlich, verneigen uns und sagen durcheinander "Arigatou" und "Kanpai", während wir mit Sake anstossen und Alva genüsslich vor sich hin pfeift.

Schrei der EuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt