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S O R A Y A

„Du bist ein Drachenkind", presste ich aus zusammengebissenen Zähnen hervor und die Erkenntnis traf mich schwerer als erwartet.
Ich war naiv genug und hatte gedacht, dass mir nachdem Angriff noch länger Zeit bleiben würde, in der ich nicht um mein Leben kämpfen müsste.
Doch ich schien mich geirrt zu haben und die Bedrohung war realer und zeitnäher als gedacht.

Er war eindeutig überrascht, als ich meine Worte ausgesprochen hatte. Seine attraktiven Gesichtszüge schienen kurz zu entgleisen, bis er sich wenige Augenblicke gefangen hatte und mir einen vernichtenden Blick zu warf.
„Du erkennst meine Art und du kannst durch den Nebel sehen", entgegnete er und kam wieder einige Schritte auf mich zu. Er schien nicht ängstlich oder besorgt, sondern interessiert und amüsiert, als er einen Tisch am Rand packte. Seine kurzen Nägel kratzten über den Lack des Tisches, als er seine Finger hineindrückte und das Holz unter seinen Fingerkuppen splitterte. Mit einem wütenden Knurren riss er den Tisch hoch, das schwere Holz flog einige Meter und zerschellte mit einem widerlichen Knall an der Wand. Ich konnte einen überraschten Aufschrei nicht unterdrücken und taumelte mit klopfenden Herz etwas nach hinten.
„Woher kennst du meine Art?", verlangte er zu wissen und instinktiv wich ich noch weiter zur Tür des Hinterzimmers. Ich wusste, dass ich gegen einen Krieger wie ihn keine reelle Chance hatte, während ich nur einen Bierkrug zu meiner Verteidigung besaß.
Das Schwert an seiner Hüfte klirrte, als es gegen einen Stuhl stieß und das glänzende Metall schien mich zu verspotten.
Das Drachenkind warhielt inne und musterte mein Gesicht mit seinen stechenden Augen.
„Da fällt mir ein. Cassian hat mir erzählt, dass gestern eine kleine Menschenfrau einen Dolch in seine Schulter gejagt hat", überlegte er laut und ich keuchte erschrocken auf, als ich meinen Blick von der Waffe losriss. Der Name...
Der Name Cas war auch gestern gefallen, erinnerte ich mich.
Panisch suchte ich mit einer Hand nach der Türklinke, während die andere immer noch den Krug hochhielt. Angst und Wut breitete sich wie flüssige Lava durch meinen Körper aus, als dieses Monster weitersprach. „Ich muss wohl das beenden, was Cas begonnen hat"
Als das letzte Wort verklungen war, hatte ich die Türklinke endlich mit meinen tauben Fingern umschlossen, doch bevor ich in den rettenden Hinterraum gelangen konnte, stürzte der Mann sich ohne Zeichen von Gnade auf mich. Sofort reagierten meine Instinkte und ich schlug mit dem Bierkrug um mich. Doch er war zu schnell und ich schaffte es gerade so seine Schulter zu streifen, als eine heiße Hand meinen Oberarm packte und hoch hievte.
Der Tresen raste auf mich zu und Ich schaffte es mich so abzustützen, dass keine Lebenswichtigen Organe verletzt wurden, als ich an das unnachgiebige Holz des Tresen aufschlug. Luft entwich meinen Lungen, doch ich ließ mich nicht beirren und fing einen Faustschlag des Drachenkindes mit beiden Händen ab. Ich zischte vor Schmerz, als der Schlag in meinen Knochen vibrierte und erwiderte den hitzigen Blick des Drachens. Kampflust und Belustigung glitzerte in seinen Sturmgrauen Augen. „Dein Kampfstil ist nicht schlecht für einen Menschen", gab er zu und ein seltsames Gefühl des Stolzes flackerte in meinen von Adrenalin vollkommen elektrisierten Gehirn auf. Es war der Stolz eines Kämpfers, der mich weiter antrieb und ich packte die Faust in meinen Handflächen, hob das Knie und schlug seinen Unterarm auf meine Kniescheibe. Ein befriedigendes Knacken war zuhören und der Drache brüllte Laut. Als er überrascht zurück taumelte und sein abstehenden Unterarm anstarrte, wich ich zurück und und legte meine Hand auf die Taille an der die Kante des Tisches mich getroffen hatte. Seine große Gestalt versperrte die Hintertür und mein Blick flog zur Eingangstür. „Du bist wirklich frech, Mensch"
Er packte sein loses Handgelenk, das durch den gebrochenen Unterarm schlaff von seinem Körper hing. „Was habt ihr vor? Was wollt ihr von den Menschen?", schrie ich und konnte die aufgestaute Verzweiflung nicht aus meiner Stimme verbannen. Langsam drehte ich meinen Rücken zur Eingangstür und behielt ihn im Blick, als ich Schritt für Schritt rückwärts ging. „Wieso tötet ihr unschuldige Menschen?"
Verächtlich schnaubte er und bleckte die Zähne. „Sie sind schuld an allem. Dieses ganze Regime dass ihr Menschen aufgebaut habt ist ein Witz. Ihr seid an den Tausenden Toten Schule. Euretwegen müssen wir Sie in dem ganzen Reich suchen"
Ich ging weiter rückwärts und Fragen schwirrten in meinem Kopf.
„Sie? Wen meinst du?"
Doch bevor der Drache etwas sagen konnte, erfüllte eine andere Stimme den zerstörten Raum. „Sie suchen Leute wie mich, Sora"
Mir stockte der Atem und ich hielt in meiner Bewegung inne. Stille legte sich über den Raum.
Schock und Unglaube kontrollierten meine Gefühlswelt und ich schüttelte fassungslos den Kopf, als ich in Nikis junges Gesicht blickte.

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