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ᚢᚾᛞ ᛊᛁᛖ ᛊᛏᛁᛖᚷᛖᚾ ᚨᚢᛊ ᛞᛖᚱ ᚠᛁᚾᛊᛏᛖᚱᚾᛁᛊ ᛖᛗᛈᛟᚱ

Und Sie stiegen aus der Finsternis empor.

-S O R A Y A-

„Soraya! Hast du gehört, was im Adligen Viertel vorgefallen ist?", begrüßte mich mein alter Kindheitsfreund, als er schwungvoll die alte Eingangstür der Bar öffnete.
Sonnenlicht erhellte den dunklen Pub und ich verzog den Mund, als er mit langen Schritten über dem knarzenden Boden, an den wenigen Tischen vorbei,zur Theke schlenderte.
Selbstzufrieden wie er schon immer gewesen war, ließ er sich auf einen der Barhocker fallen.
Mit einem dumpfen Geräusch fielen seine muskulösen Unterarme auf die glänzende Oberfläche der Theke und ich blickte ihm ins Gesicht.
Warme braune Augen blickten mir entgegen und er schenkte mir ein schelmisches Lächeln, was ihn jung und unbeschwert wirken ließ.
Auch wenn die dicke, wulstige Narbe auf seiner linken Wange dieses Trugbild dann doch zerstörte.
Valerian Kane hatte mit seinen 19 Jahren wahrscheinlich ein tragischeres, schmerzhafteres Leben, als die meisten alten Menschen, die außerhalb dieser verfluchten Stadt lebten.
Ich hob die linke Augenbraue und fuhr ungerührt damit fort die Bierkrüge zu trocknen.
"Nein, aber ich bin mir sicher du wirst es mir gleich erzählen", erwiderte ich und stellte das Glas unter den Zapfhahn.
Es war Vormittag und außer Valerian und Mir war keiner in dem Pub meiner Eltern.
Mir war bewusst, dass es gegen Abend deutlich voller und lauter sein würde und so genoß ich die Ruhe, die die Frühen Tagesstunden mit sich brachte.

Mit ein paar Fingerbewegungen floss die goldene Flüssigkeit aus dem rostigen Zapfhahn und ich registrierte das glückliche Funkeln in Valerians Augen.
"Hier", sagte ich leichthin und stellte ihm den Krug vor die Nase.
Er grinste breit, die Narbe schien dabei größer zu werden und prostete mir zu.
"Der Götter haben dich in diese verfluchte Stadt gebracht, damit es doch noch Licht am dunklen Himmel gibt", sagte er und legte den Kopf in den Nacken, um einige kräftige Schlucke zu nehmen.
Ich ignorierte die Anspielung auf die Bedeutung meines Namen und nahm einen Lappen, um ihn an den Zapfhahn zu drücken, der nun tropfte.

„Soraya wie Licht der Sterne..."

"Das ist die Belohnung für deine Information, Val.
Also sag schon. Was ist passiert", wechselte ich das Thema und blickte ihn an.
Sorglos wischte er sich den Schaum von seinen Bartstoppeln.
Doch mit einem Seufzen wurde er ernst und stellte den Krug auf die Theke.
"Es gab einen Anschlag"
Ich hielt in meiner Bewegung inne und kniff die Augen zusammen.
"Gegen die Adeligen?", hakte ich nach und er nickte langsam. Jene Wärme und der Jungenhafte Charme war von seinen attraktiven Gesichtszügen gewichen.
Es schien fast so, als würde seine Narbe im schwachen Licht das durchs Fenster schien nun gefährlich leuchten, als er weitersprach:
"Das selbe Muster wie bei den anderen Anschlägen. Eine gut präparierte Bombe, keine Schuldigen wurden gefasst . Aber diesmal starben Fünf Leute. Eine Adelige, die durch Lügen und Intrigen vor 20 Jahren an Macht und Geld kam, ihr Sohn und drei ihrer Berater."
Seit ungefähr einem Jahr gab es vereinzelte Attentate gegen die Königsfamilie, die Adeligen sowie ihre Offiziere und Generäle. Es war immer das gleiche Muster. Eine präzise positionierte Bombe entriss den Adeligen ihr Leben und sorgten in der gesamten Stadt für Angst und Schrecken.
Zumindest Anfangs.
Bis die Bewohner dieser Stadt merkten, dass es sich nicht gegen die normale Bevölkerung richtete.
Denn keiner dieser Bomben nahm auch nur einem Zivilisten das Leben.
Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und ließ den Waschlappen in die eiserne Spüle fallen.
Valerian trank weiter und Bier rann sein kantiges Kinn herunter und tropfte auf die Theke.
"Es gibt Gerüchte, dass es sich hierbei um Verehrer und ehemalige Verbündete der Unendlichen handelt", fügte er hinzu und ich zog überrascht die Augenbrauen hoch.
Die Unendlichen?
Ein Volk, dass damals, vor dem Heiligen Krieg vor 200 Jahren zusammen mit den Menschen und allen anderen Wesen in diesem Reich lebte.
Revyn war das Land der Magie und der Vielfalt.
Zumindest war es das vor 200 Jahren.
Denn es kam zu einem Krieg, der Millionen Wesen in Revyn das Leben gekostet hatte.
Und die Unendlichen wurden ausgelöscht, wohingegen ihre Verbündeten auf eine Insel weit im Westen verbannt wurde.
Die Insel der Vergessenen.
Heute weiß keiner mehr, wie und warum es zu diesem Krieg gekommen war.
Es war verboten darüber etwas erfahren zu wollen, mit der Begründung, dass es keine Zweifel gegenüber dem Königshaus und ihren Vorfahren geben dürfte.
Doch ich war mir sicher, dass die Menschen damals nicht so heldenhaft waren, wie sie sich heute präsentierten.
Und wenn es mittlerweile Gerüchte gibt, die meine Vermutung bestätigten, geriet der Adel langsam in Bredouille.

"Glaubst du, dass die Verbündeten einen Weg von der Insel auf das Festland gefunden haben?", fragte ich Valerian leise und mein Gegenüber schenkte mir einen nachdenklichen Blick.
Er legte den Kopf schief.
Sein braunes, welliges Haar fiel nach hinten und legte die spitzen Ohren frei, die mich immer so faszinierten.
Denn auch wenn Menschen nach dem Heiligen Krieg die herrschende Spezies waren, gab es genug Wesen, die damals auf der Seite der Menschen standen und ihr Leben so wie ihre Privilegien behielten.
Besonders mächtige Verbündete erhielten sogar Land und Titel in dieser neuen Monarchie.
So gab es zum Beispiel herrschende Familien, die zum Volk der Fae und Hexen gehörten. Aus diesem Grund war die Hauptstadt auch bewohnt von Hexen, Fae, Elfen und auch Kobolden.
Zumindest solange sie die Gesetze akzeptierten.

Valerian Kane war ein Mischling.
Zur Hälfte Mensch und zur Hälfte Fae.
Die Spitzen Ohren und die attraktiven Gesichtszüge seines Vaters, der sich in der Hauptstadt als Schneider selbstständig gemacht hatte und die braunen Haare und Augen seiner Mutter.
Sie hatte die gleichen, bis sie vor 4 Jahren verstorben war.
"Ich könnte es den wilden Lykrantropen und hinterhältigen Drachenkriegern zutrauen. Sie wären bestimmt auch intelligent genug um solche Anschläge zu planen", riss mich Val aus meinen Überlegungen und ich nickte langsam. Lykantropen und die Drachenkrieger waren enge Verbündete der Unendlichen gewesen, von denen heute kaum noch Einzelheiten bekannt waren.
Aber egal wer es war.
Sie sorgten für Unruhe in dieser Stadt.
In der Stadt, dessen Existenz ein Segen für die Menschen sein sollte.
Die wahre Geburtsstätte der ersten Menschen.
Auch wenn sie heute nicht mehr als das Grab tausender verhungernder Wesen war, die von dem Königshaus im Stich gelassen wurde.
Wie meine Familie und alle die hier, am Rande der niedrigen Mauer, leben mussten. Wut ließ mein Blut köcheln und ich grub die kurzen, dreckigen Nägel in meine Handballen.
Sie ließen weiße Halbmonde zurück und als ich die Schürze abnahm sah Valerian mich forschend an.
"Du wirst es heute Nacht wieder tun, oder?"
Ein kühles Lächeln bildete sich auf meinen spröden Lippen und ich faltete die Schürze zusammen.
"Natürlich. Mir bleibt nichts anderes übrig, wenn wir den nächsten Monat überleben wollen", antwortete ich und wusste, dass er meine kleinen Ausflüge in die Villen der Reichen mit es gemeint hatte.
Das tat ich schon seit Jahren, weil ich es schlicht und einfach tun musste. Um das überleben meiner Familie und mein Überleben zu sichern.
Denn auch wenn wir den Pub hatten, war er eigentlich nur dafür da, um Informationen zu sammeln und den Menschen die Abendstunden durch Alkohol zu versüßen.
Aber Leben konnte man davon nicht.
Die Menschen waren bettelarm und konnten für den Alkohol meist nicht mehr als wenige Kartoffeln oder verrostete Bronze Pennys aufbringen.
"Irgendwann wirst du erwischt und ich kann deinen Kopf beim König abholen", murmelte Valerian besorgt, als ich meine dunklen, schwarzen Locken zu einem Zopf zusammen fasste.
Seine Augenbrauen waren zusammen gezogen und er hatte die Lippen aufeinander gepresst.
Die Tatsache, dass er seit dem Tod seiner Mutter und der Lungenerkrankung seines Vaters ebenfalls Illegale Geschäfte unter den düsteren Gestalten dieses Reiches abwickelte, ließen seine Worte ironisch wirken.
"Ich werde nicht erwischt", konterte ich selbstbewusst und konnte erkennen, wie Valerian seine Augen verdrehte.
"Nur weil du flink auf den Beinen bist und dein Vater dir gezeigt hat, wie man mit einem Messer umgehen kann, bist du nicht unverwundbar. Irgendwann wird jemand kommen, der schneller, stärker und listiger ist als du es je Sein wirst"
Ich schenkte ihm ein ehrliches Lächeln und freute mich über seine Sorge um mich.
Denn in einer Welt, in der man selbst nicht genug hatte und eigentlich keine Zeit und Energie hatte um sich um andere zu Sorgen, stand mir Valerian schon seit so vielen Jahren bei.
Wärme erfüllte mein Innerstes und zügelte die Wut in mir, die sich in mir gesammelt hatte.
Ich wusste das er recht hatte.
Ich war klein, dürr und konnte nur wenige Kampfbewegung, um mein Leben zu retten.
Erschwerend kam dazu, dass ich definitiv nicht für den Kampf geboren war.
Ich war flink und listig, ja.
Doch ich hatte ein Gewissen und wollte eigentlich niemanden verletzen.
Und mir wurde beim Anblick von Blut oder Wunden schnell schlecht.
Aber es gab keine andere Möglichkeit und deswegen blickte Valerian fest in die Augen, als ich sprach:

"Dem bin ich mir sehr wohl bewusst, Val.
Aber es hindert mich nicht"

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Hey.
Ich hoffe sehr dass erste Kapitel hat euch gefallen🥰
Kritik und Verbesserung sind gerne gesehen.

Veröffentlicht: 11.12.2020

ImmortalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt