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Zitternd lasse ich mich auf die Bank fallen,
der weiche Stoff des Hoodies ummantelt mich warm und ich schließe einen Moment die Augen. Wie konnte ich mich in Jonathan so sehr täuschen? 

Mit einem Grollen beginnen unzählige Regentropfen mein Haar zu durchnässen und ich öffne seufzend meine Augen. Eine durchnässte Haarsträhne fällt mir in mein Gesicht und ich schiebe sie zurück hinter mein Ohr. Das Gewitter scheint mich zu überrollen und gleichzeitig kugeln einige Tränen über mein Gesicht.

Ich schlucke und wische die Wassertropfen aus meinem Gesicht. Ich muss nach Hause, kein normaler Mensch sitzt nur in einem Hoodie gekleidet im strömenden Regen. Grasgrüne Crocs sind im Gegensatz zu meiner spärlichen Bekleidung eher normal, nichts was ich nicht auch Zuhause tragen würde. 

Seufzend rapple ich mich auf und lasse meinen Blick schleifen, die graue Welt rund um mich scheint im Unwetter zu versinken und fröstelnd lege ich meine Arme um meinen Oberkörper und mache mich auf den Weg in Richtung nächste Telefonzelle, um mir ein Taxi zu rufen.

Sekunden später fällt es mir wie Schuppen vor die Augen, mein Handy, Geld sowie alles, was ich mit zu unserem Date genommen hatte, liegt nach wie vor in seiner Wohnung. Vermutlich teilen meine Sachen sich eine Platz mit seiner Kleidung in seinem Badezimmer.

Ich fasse einen Entschluss, trotz meiner Nacktheit, Angst und Nässe setze ich einen Fuß vor den anderen. Gut fünfundzwanzig Minuten Fußmarsch trennt mich von meinem Zuhause und trotz der komischen Blicke von Seiten der Autofahrer, die sich wohl über meinen Aufzug wundern, komme ich schließlich gut Zuhause an.

Nun ja, teils gut. Schließlich liegen meine Hausschlüssel mitsamt meinen ganzen anderen persönlichen Dingen noch immer in Jonathans Badezimmer. Frustriert raufe ich mir die Haare und trete wütend gegen meine Eingangstür. Mit einem Klicken öffnet sich eine Türe links von mir und erstaunt drehe ich mich um einhundertundachtzig Grad. 

"Grace, was tun Sie denn hier?", das strahlende Lächeln meiner jungen Nachbarin empfängt mich. Ihre nächsten Worte treffen mich unerwartet und erstaunt hebe ich eine Augenbrauen. "Wie laufen Sie denn rum?"

Mit einem schiefen Grinsen versuche ihr mithilfe einer Lüge meine Situation zu erklären. "Ich habe mich ausgesperrt." Dies entspricht nicht der Wahrheit, doch den Schlüssel hab ich so oder so nicht.

Wissend nickt sie mir zu. "Sie können über meinen Balkon auf den Ihrigen steigen, vorausgesetzt Sie haben ein Fenster oder die Balkontür offen gelassen." Schnell bedanke ich mich bei ihr und sie hilft mir mit einigen Griffen mich auf meinen Balkon zu wuchten. "Danke.", stöhne ich, als ich ein offenes Fenster erblicke und sie nickt mir lachend zu.

Mit einem Seufzen lasse ich mich in mein Wohnzimmer gleiten, welches mit dem Balkon verbunden ist, und schreite mit schnellen Schritten in mein Schlafzimmer, um mir dort meine Klamotten zusammen zu suchen. Weiter führt mich mein Weg ins Badezimmer, wo ich mich dem Hoodie und den Crocs entkleide und unter die Dusche steige.

Die Duftwolke meines nach Vanille riechenden Shampoos ummantelt mich, als ich fröstelnd aus der Dusche steige und mich ein ein weiches Handtuch hülle. Nach wenigen Minuten des einfachen in den Spiegel Starrens fühle ich mich gut genug, um mich vollständig abzutrocknen und in Unterwäsche, eine Jogginghose und ein großes T-Shirt zu schlüpfen.

Mit einem nicht mehr ganz so mulmigen Gefühl mache ich mich  auf den Weg ins Wohnzimmer, wo ich den Hoodie und seine Schuhe in einen Karton packe. "Ich schicke sie ihm zurück." Den Entschluss gefasst und die Sachen zusammengepackt greife ich im Flur nach meinem Autoschlüssel, den ich gottseidank noch besitze, da Jonathan mich zu unserem Date abgeholt hatte.

Mit meinem Ersatzschlüssel schließe ich schließlich meine Haustüre auf und im selben Moment klingelt mein Festnetzanschluss. Stöhnend lasse ich den Karton fallen und hetzte zu dem anhaltendem Klingeln. "Ja?", genervt halte ich den Atem an. 

"Darling, was hast du nur getan?", klingt die schnurrende Stimme von Jonathan an mein Ohr und vor Schreck muss ich mich aufhalten, nicht sofort wieder aufzulegen. "Jonathan.", flüstere ich nach einem leisen Räuspern und beiße mir angespannt auf die Unterlippen.

"Oh Darling. Was hast du nur getan.", wiederholt der Mann mit einer rauen Stimme seine da vorigen Worte und nervös schlucke ich. Die Angst zieht sich langsam an meiner Wirbelsäure hinauf und es fühlt sich an, als würde sie mit einer eiskalten Hand um mein Herz greifen. 

"Wieso rufst du an?", frage ich ihn und erneut schlucke ich, um meine Angst in den Griff zu bekommen. "Komm zurück oder ich werde dich holen, Darling, ich habe deine Sachen noch bei mir." Und energisch schüttle ich den Kopf, als mir seine Worte bewusst werden. Ich kann ihn nicht davon abhalten, er weiß wo ich wohne, kennt meine Routine. Trotz unserer eher kurzen Bekanntschaft hatte sich unser Verhältnis schon binnen weniger Wochen zu einer Beziehung gefestigt.

"Es bleibt dir überlassen, ich warte nicht gerne und trotzdem gebe ich dir vierundzwanzig Stunden. Schließlich habe ich heute noch einiges vor.", bei seinen letzten Worten, unterstützt von seinem rauen Lachen, trifft mich ein kleiner Stich in meiner Herzgegend. Meine Stimme klingt brüchig, als der Wiederspruch in mir aufsteigt. "Du kannst mir nicht drohen, Jonathan. Ich lasse mich auf diesen Scheiß hier nicht ein." Dieser Scheiß. Was meine ich eigentlich damit? In meinem Kopf sammeln sich einige Begriffe und jeder einzelne von ihnen macht mir gehörig Angst. Hatte er mich wirklich vergewaltigt? Aber es hatte mir auf ein absurde Weise gefallen. Anders kann ich meinen Orgasmus nicht erklären. 

Und er schweigt, überlässt mich eine Zeit lang meinen Gedanken und murmelt dann ein, "Du gehörst zu mir, Darling.", bevor er endgültig auflegt. Das wohlbekannte Tuten lässt mich aus meinen Gedanken aufwachen und erneut schüttle ich meinen Kopf, bevor ich mich erschöpft auf den Fußboden fallen lasse.

Wir sind ein Paar. Zumindest war ich dieser Annahme. Doch zuerst rutscht ihm die Hand aus und nach Entschuldigungssex fesselt er mich schlafend an sein Bett um mich zu vergewaltigen. Vergewaltigen, schon wieder dieses Wort. Zweifel machen sich in mir breit, war es das wirklich? Eine Vergewaltigung?

Hätte ich nun mein Handy da, würde ich sicher die Definition googeln. Wie unglücklich, dass es bei ihm liegt und mein Laptop schon vor einer Woche den Geist aufgegeben hat.

Erneut entschließe ich mich dazu, meine Nachbarin um Hilfe zu fragen. Ich brauche Gewissheit. Ich muss meine Möglichkeiten wissen und abwägen können. Tränen steigen mir in die Augen, als mir die Möglichkeit, ich könne ihn anzeigen, in den Kopf schießt.

Doch ich liebe diesen Mann.

LiebesvergängnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt