Das dünne lang arm T-Shirt und die Leggins zurechtgezogen,
blicke ich in die verspiegelte Fensterglasscheibe. Ich bin zu früh dran, eine halbe Stunde. Schließlich wollte ich Jonathan nicht noch mehr verärgern. Und doch sträubt sich mein Inneres, schon jetzt in das Stockwerk seiner Wohnung zu fahren um ihm zu begegnen.Seufzend lasse ich mich auf die Eingangsstufen des Mehrparteienhauses fallen und lausche dem regen Verkehr der Kleinstadt. Vor mehr als einem halben Jahr hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich wirklich in einer Stadt leben würde. Meine Liebe zum Landleben, den Tieren und der Geselligkeit mit der ich aufgewachsen war, hat mich geprägt und doch zog mich die Liebe zu Jonathan in diese Stadt. Wobei mein Studium auch eine große Rolle bei der Wohnungssuche spielte.
Erleichtert über die Tatsache, Semesterferien zu haben und doch bedrückt lehne ich mich an die Hauswand und schließe meine Augen. Diesen Neuanfang hatte ich mir so viel anders vorgestellt. Gedankenverloren streiche ich mir über meine noch immer angeschwollene Wange und seufze auf.
Auch diese Beziehung hatte ich mir anders vorgestellt und noch immer auf der Suche nach einer rationalen Erklärung für seine Taten, blicke ich auf meine Armbanduhr. Vier Minuten waren seit meiner Ankunft vergangen und doch scheint die Zeit zu verfließen, der Zeitpunkt des Treffens mit Jonathans kommt immer nähre und langsam breitet sich Panik in mir aus.
"Entschuldigen Sie?", unterbricht mich eine gebrechliche alte Stimme von meiner aufsteigenden Panik. Erschrocken öffne ich die Augen. "Sie sitzen vor der Türe, gnädige Frau.", murmelt eine ältere Frau mit Krückstock und deutet anklagend auf meine Lehne. Entschuldigend springe ich auf und reiße die Haustüre auf. "Es tut mir so leid, ich war nur so in Gedanken."
Wissend nickt sie. "Möchten Sie einen Tee.", die Frau ächzt auf, während sie die wenigen Treppenstufen erklimmt, "Sie wirken sehr angespannt und nervös." Ich denke einen Moment nach, blicke noch einmal auf meine Uhr nur um zu sehen, dass ich bereits in wenigen Minuten bei Jonathan sein muss und lehne dann das Angebot ab.
"Vielen Dank für das Angebot, allerdings bin ich mit meinem Freund verabredet.", erkläre ich mein Ablehnen und ein verkniffener Zug bildet sich um den Mund der älteren Frau. "Na dann.", mit diesen Worten bewegt sie sich mit schlürfenden Schritten in Richtung Aufzug.
"Auf Wiedersehen.", verabschiede ich mich von ihr, als die Aufzugtüren hinter der zerbrechlichen Gestalt schließen. Seufzend blicke ich noch einmal auf die Uhr. Zwei Minuten vor siebzehn Uhr. Hastig nehme ich einige Stufen der Treppe auf einmal und gelange außer Atem vor Jonathans Wohnungstür an. Einen Moment zögere ich, ich möchte das nicht. Und doch ist da dieser Funken Hoffnung, er sei wieder bei Sinnen.Die Hand zum Klopfen gehoben zieht mich eine Kraft zurück. "Hey!", widerwillig reiße ich mich los. Erschrocken weiten sich meine Augen, als ich den jungen Mann aus dem Aufzug erkenne. "Wohnt er da?", sorgenvoll blickt er mich an und lässt mich in der selben Sekunde los. Wie erstarrt starre ich in die grünen Augen. "Gehen Sie nicht zu ihm. Er wird Ihnen das selbe immer und immer wieder antun.", haucht er und zeigt ein sorgenvolles Lächeln.
"Was wollen Sie von mir?", murmle ich noch immer verwirrt nicht in der Lage rational zu entscheiden. Sollte ich mich ihm anvertrauen oder einfach zu Jonathan in die Wohnung hetzten? Und da bleibt noch die Möglichkeit die alte Dame zu einem Tee zu treffen.
Mein Gegenüber atmet tief ein. "Er wird Sie wieder schlagen. Vertrauen Sie mir." Gezwungen lache ich bei seinen Worten auf. Er weiß gar nichts. "Lassen Sie mich in Frieden.", die glücklichen Augenblicke mit Jonathan schwirren in meinem Kopf, die Gesten und die Liebe. Er schüttelt entschieden den Kopf, als ich erneut die Hand hebe um zu Klopfen.
"Ich war wie er.", flüstert der Unbekannte und wendet den Blick ab, nur um hinter der nebenliegenden Tür zu verschwinden. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinem Körper und ich schüttle meine wirren Gedanken aus meinem Kopf. Sekundenspäter Mit öffnet sich die Tür von Jonathans Wohnung mit einem Klicken und eine leichtbekleidete Frau, scheinbar nur ein paar Jahr jünger als ich verlässt kichernd und mit verwischtem Make-Up die Räumlichkeit.
Entsetzt blicke ich sie an. Kaum zu bemerken scheint sie mich, als sie an mir vorbeihuscht. Vorsichtig ziehe ich die Türe auf. "Jonathan?", flüstere ich und erneut kriecht mir die nackte Angst den Rücken hinauf und umklammert mein Herz. Mit leisen Schritten schleiche ich in den Flur und ziehe die Türe hinter mir zu.
Vorsichtig blicke ich mich in der Wohnung um. Einzelne Kleidungsstücke zieren den kalten Boden und eine Mischung von verschiedenen Lachern tönt aus dem Wohn- und Essbereich. Mit zittrigen Beinen durchquere ich Flur und Eingangsbereich, bis ich die Türe mit einem leisen Quietschen aufziehe.
Erschrocken weiche ich im selben Moment zurück. In Handschellen und geknebelt sitzt eine, vermutlich minderjährige, Frau auf der Couch und zittert vermutlich vor Panik. "Noch eine von deinen Huren?", weißt ein dunkelhaarige Mann auf mich hin.
Mein Freund schüttelt den Kopf. "Ne, die ist für besondere Wünsche.", mit einem Handzeichen weißt er mich auf, sich zu ihm zu begeben, "Komm her, Darling." Schwer schluckend blicke ich in seine kalten Augen. "Was ist hier los, Jonathan?", murmle ich verstört.
"Warte doch einen Moment, ich bin gleich bei dir.", mit einem dreckigen Grinsen wendet er sich zu dem Mann. "Soll ich sie hier behalten oder willst du die Kleine?", er deutet mit dem Kopf auf das Mädchen, welches noch immer hilflos auf der Couch zittert.
Als wäre im selben Moment ein Schalter in meinem Kopf um gekracht drehe ich mich um und sprinte in sekundenschnelle aus der Wohnung. Mit schnellen Schritten haue ich die Türe hinter mir in das Schloss und blicke mich suchend im Flur um. Verzweifelt, ob ich nach Hilfe rufen soll oder einfach nur weglaufen sollte, drehe ich mich hektisch im Kreis.
Mein Blick fällt auf die nebenliegende Tür, hinter der der grünäugige Mann vor wenigen Minuten verschwunden war. Mit zwei Schritten dort angelangt klopfe ich hektisch an die Holztüre. Nach wenigen Sekunden wird sie aufgerissen.
"Grace?", fragend lehnt sich der Mann in den Türstock. "S-sie sind-", versuche ich verstört die Situation in Worte zu fassen, was geschehen war und atme hektisch ein und aus. Mit einem Fluchen im selben Moment kündigen sich Jonathan und der dunkelhaarige Mann von vorhin an und ich dränge mich an dem grünäugigen vorbei in seine Wohnung.
Fragend schließt er die Tür und ich drehe den Schlüssel zweimal im Schloss um. "Die Polizei.", murmle ich einfach nur kraftlos und lasse mich weinend auf den Boden fallen. "Hey, es ist okay. Was ist passiert?", zieht mich der Mann in seine Arme und streicht mir beruhigend über den Rücken. "Ruf die Polizei.", flüstere ich leise an seine Schulter.

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Liebesvergängnis
RandomMit einem Grollen beginnen unzählige Regentropfen mein Haar zu durchnässen und ich öffne seufzend meine Augen. Eine durchnässte Haarsträhne fällt mir in mein Gesicht und ich schiebe sie zurück hinter mein Ohr. Das Gewitter scheint mich zu überrollen...