Prolog

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Schmerz ist eine subjektive Sache. Natürlich kann man versuchen ihn zu kategorisieren: die wenigsten würden bestreiten, dass ein Papierschnitt am Finger weniger schmerzt als eine Kugel ins Bein.
Aber fragt man einen Menschen nach dem schlimmsten Schmerz, den er in seinem Leben je verspürt hat, werden die Antworten verschieden ausfallen, weil jeder Schmerz anders empfindet und jeder sich andere Verletzungen zuzieht.

Hätte man mich mit 6 Jahren gefragt, hätte ich gesagt, dass der Armbruch beim Rollschuhfahren unaushaltbar wäre.

Vor zwei Jahren hätte ich wahrscheinlich direkt an den Verrat der wichtigsten Personen in meinem Leben gedacht, die tonnenschwere Decke der Einsamkeit unter welcher man erstickt, die tausend Fragen warum mein Freund und meine beste Freundin mir so etwas antun würden.

Was ist schlimmer, körperlicher oder psychischer Schmerz?

Tja, sicherlich eine Debatte wert, aber der Moment in dem ich unter ihm lag, ein Messer in meiner Schulter und seine einst so vertrautenAugen stets auf meinen, schien die Frage für mich zu klären.

„Zieh das VERDAMMTE Messer aus meiner Schulter du Psychopath", schrie ich und brach den Moment in dem sich alles wie Zeitlupe anfühlte.
Als er sich nicht rührte, mich nur weiterhin stumpf anblickte, mit dem emotionslosen Blick den er sicherlich die letzten Monate einstudiert hatte, stieß ich ihn mit einer Kraft von der ich nicht mal wusste dass ich sie besaß, von mir runter.

Das Adrenalin das durch meinen Körper pumpte wirkte Wunder, auch wenn sich der Schmerz als ein warmes Pochen bereits ankündigte.

Ich versetzte ihm einen Tritt in die Stelle am Oberschenkel an welcher ihn vor wenigen Minuten meine Kugel getroffen hatte.

Es war keine tödliche Stelle, aber sie war genug um ihm eine Menge Schmerz und Unbeweglichkeit zuzufügen.
Ich hatte viel gelernt seit wir uns das letzte Mal sahen. Falls er überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken.
Höchstens die Art, wie er scharf die Luft einsog, deutete auf einen Anflug Verwundbarkeit hin, aber das war mir genug.

Das Messer aus fiel aus seiner Hand und augenblicklich floss Blut aus meiner Schulter, warm und klebrig.
Scheisse.

Meine Wut wuchs nur noch mehr beim bloßen Gedanken daran, dass ich wegen so etwas dummen verbluten könnte.

„Sky, du musst das nicht tun", sagte er als er sich langsam vom Boden aufrappelte. Sein Atem war schwer und flach.

Ich lachte. „Du weißt genau so wie ich dass das nicht stimmt. Und außerdem, hast du etwa Angst dass ein Mädchen dich umlegen könnte?"

„Es geht um mehr als mein oder dein Leben und das weißt du."

„Nichts was aus deinem Mund kommt hat auch nur ein bisschen Bedeutung für mich", spuckte ich zurück.

Entgegen meiner inneren Vernunft ließ ich die Wut das Steuer übernehmen und stürzte mich wieder auf ihn, diesmal unbewaffnet.
Es war ein Bodenkampf; für mehr hatte weder er noch ich die Kraft.
Jeder andere hätte es auf sich beruhen lassen, zwei Verwundete am Rande des Kollaps.
Aber ich konnte nicht.
Ich schlug auf ihn ein und auch wenn er die meisten Schläge abfangen konnte, landete ich den ein oder anderen Treffer.
Er schlug nicht zurück, doch als ich mir meines Sieges sicher war packte er in einer blitzschnellen Bewegung mein Handgelenk und verdrehte meinen Arm mit aller Kraft, sodass ich aufschrie.
Binnen Sekunden hatte er mich mit einer Wucht von sich gestoßen, die mich nach Luft schnappen ließ.
Einen Moment lang lagen wir atemlos auf dem Rücken, unser beider Blut auf den Händen des jeweils anderen.
Ich versuchte mich aufzusetzen, doch er war schneller und ich durch meine verletzte Schulter zu schwach.
Mit seiner letzten Kraft rollte er sich auf mich.
Seine Stirn fiel links neben mein Gesicht auf den Boden und seine schweren Atemzüge verrieten mir, dass auch er an seine Grenzen stieß.
Trotzdem brauchte er nichts als sein Körpergewicht, um mich bewegungslos zu machen.
Ich versuchte mich auf die Seite zu drehen, doch mit einem Arm auf meinem Brustkorb, drückte er mich zurück auf den Boden.
Mit seiner rechten Hand umfasste er mein gesunden Arm, während sich die Linke um meinen Hals legte.

Bunte Punkte flimmerten vor meinen Augen, während ich mit meinem Bewusstsein kämpfte, das mich zu verlassen drohte als sein Griff sich verstärkte.

Denk nach Sky!
Ich konnte nicht sterben, nicht hier, nicht so, nicht jetzt, wo Menschen auf mich angewiesen waren.
Meine Gedanken rasten, überschlugen sich und Panik stieg in mir auf.
Ich musste mich beruhigen.

In einem letzten verzweifelten Versuch umschloss ich sein Handgelenk mit meiner Hand, doch sein Griff war eisern.
Ich versuchte nach ihm zu treten, aber meine Beine waren unter seinen gefangen und bewegten sich nicht.
Meine Gedanken wurden immer leiser und die sich ankündigende Dunkelheit immer verlockender.
Meine Augen wurden schwer.
Das warme Licht der Kronleuchter über mir schien näher zu kommen.
Und dann hörte ich seinen Atem neben meinem Ohr und etwas in mir erwachte mit einem Schlag wieder zum Leben.

Meine Sicht wurde klarer, meine unterdrückten Atemzüge unkontrolliert und gehetzt.
„Nein", stieß ich hervor.

Meine Nägel gruben sich in sein Handgelenk, bis ins Fleisch.
Den pochenden Schmerz in meiner Schulter ignorierte ich.
„Nein", wiederholte ich.
„Guck mir immerhin in die Augen du Feigling!"
Meine Stimme gehorchte mir nicht mehr, die Worte waren kaum lauter als ein Flüstern und für einen Moment fürchtete ich, dass er meiner Bitte nicht nachkommen würde.
Denn das war es insgeheim.
Es war die Bitte mich nicht so umzubringen wie schon viele vor mir.
Ich konnte ihn mich nicht vergessen lassen, wie schon so viele vor mir.
Ich konnte nicht einfach ein weiterer Strich an seiner Wand sein, eine weitere namenlose Leiche, zerlegt von seinen Männern und vergraben irgendwo im nirgendwo.

Und ich konnte nicht sterben ohne seine Augen ein letztes Mal zu sehen.

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ROTT ROTT ROTTWEILERRRRR❤️
Ihr habt gewartet und jetzt werdet ihr belohnt. Pünktlich kurz vor dem neuen Jahr geht's nun weiter mit Sky und Bryces Geschichte :)

Bad Mafia Boss - Time To KillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt