Kapitel 4

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Sky's POV

Missmutig biss ich in das aufgeweichte Sandwich, das ich, wie auch meine letzte Mahlzeit, bei der Tankstelle besorgt hatte.
Regen trommelte auf das Dach meines Pick ups und das Radio unterbrach Celine Dions Gesang zum wiederholten Mal mit lautem Rauschen.
Entnervt schaltete ich es ab.

Es waren zwei Wochen vergangen seit ich das Dorf verlassen hatte und von meinem anfänglichen Enthusiasmus war nicht mehr viel übrig.
Das Leben auf der Flucht war weitaus weniger aufregend, als in den Filmen dargestellt wurde.

Die Motels oder Stunden Hotels, in denen ich blieb, wenn ich ein paar Stunden Schlaf und eine Dusche brauchte, waren allesamt ranzig und die Laken so befleckt, dass ich drei Handtücher unterlegen musste und ohne Decke schlief.

Ich hatte seit Wochen nichts vernünftiges gegessen und langsam protestierte mein Magen gegen die Fertigkost.
Das schlimmste aber war die Einsamkeit.

Ich interagierte nur mit Menschen, wenn ich an der Kasse Sprit und Essen bezahlte, oder an der Rezeption ein Zimmer buchte und das waren Unterhaltungen, die nicht mehr als zwei Sätze beinhalteten.
Auch mit Grayson hatte ich seit meinem Verschwinden aus dem Dorf nicht mehr gesprochen.

Ich hatte mein Handy entsorgt und mir ein billiges Prepaid Handy besorgt, aus Angst geortet oder verraten zu werden.
Nicht das ich Grayson ernsthaft misstraute, nicht nach all den Monaten in denen er geschwiegen hatte, aber dennoch.
Ich wusste zwar gerade nicht wohin mein Weg mich führte, aber ich wusste sehr wohl welches Schicksal mir bevorstände, sollte die UNG mich finden.
Ihnen würde egal sein, dass es sich um ein Unfall gehandelt hatte und dass ich nie wirklich Teil ihrer Gang war. Für sie war ich eine Hochverräterin, die ihren eigenen Bruder ermordet hatte.
Die UNG war gut in vielem, doch nicht darin Gnade walten zu lassen, so viel wusste ich mit Sicherheit.

Ich schluckte den letzten Bissen meines Sandwiches und blickte zu dem unscheinbaren Stunden Hotel, vor dem ich geparkt hatte.
Ein großer Teil in mir, wollte einfach weiterfahren, ohne Pause und so schnell wie möglich an einen Ort ankommen, an dem ich mich niederlassen konnte, aber meine schweren Lider rieten mir davon ab.
Hoffentlich gab es zum mindestens eine Kaffeemaschine.

Obwohl ich mir meine Jacke wie ein Dach über den Kopf hielt, war ich vom Regen völlig durchnässt, nachdem ich die 100 Meter zum Hotel überwunden hatte.
Der Rezeptionist, ein kahler Mann mit müden Augen, würdigte mich kaum eines Blickes, während er mir die Schlüssel in die Hand drückte.

„Toilette ist auf dem Zimmer, Gemeinschaftsduschen sind den Flur runter", brummte er, bevor er sich wieder seiner Zeitschrift zuwandte.

Gemeinschaftsduschen.
Großartig.
Damit würde meine nächste Dusche wohl warten müssen.
Mit einem Seufzen drapierte ich meine Jacke erneut über meinem Kopf und trat hinaus in die Kälte. Dabei stieß ich fast mit jemandem zusammen.
Ich hob mein improvisierten Regenschirm ein wenig an, um ein Blick auf den Schuldigen zu werfen und begegnete eisblauen Augen.

Ich verharrte in meiner Bewegung.
Erinnerungen wallten in mir auf und schlugen über meinem Kopf zusammen, wie Wellen auf einem stürmischen Meer.
Sie drückten mich in die Tiefe und raubten mir den Atem.
Bilder schossen mir durch den Kopf, von Bryce und mir, wie wir uns im Krankenhaus geküsst hatten, wie ich ihn durch den Wald gezerrt hatte, halbtot und wie wir uns in der Hütte ein stummes Versprechen gegeben hatten.
Näher waren wir einem ‚Ich liebe dich' nie gekommen.

„Tut mir leid, ist alles in Ordnung?"

Die Stimme des Jungen vor mir brach den Bann und erlöste mich aus meiner Starre.
Kurz war ich verwirrt, weil es nicht seine Stimme war.
Weil er es nicht war.

Ich wollte schreien, weinen, in dem Wald rennen, ein Loch buddeln, mich hineinlegen und darauf warten, dass alles ein Ende nahm.
Wieso konnte ich nicht loslassen? Wieso war er immer noch alles was ich sah, wenn ich in ein paar blaue Augen blickte?
Er hatte mich stehen lassen, ganz alleine, ohne sich ein einziges Mal zu erkundigen, nach allem was wir gemeinsam durchgemacht hatten.
Nach dem ich alles aufgegeben und mein Leben riskiert hatte um seins zu retten und ich konnte ihn mir trotz allem nicht aus dem Kopf schlagen?!
Es war zum verrückt werden.

„Entschuldige", murmelte ich, ohne auf die Frage des Jungen einzugehen, bevor mich an ihm vorbeidrängte und durch den Regen auf die Zimmer zulief.
Ich hatte die Jacke sinken lassen und spürte nun, wie das Wasser durch meine Haare und in meine Kleidung lief, doch ich war zu aufgewühlt um mich dafür zu interessieren.
Mit zitternden Fingern holte ich den Schlüssel hervor.
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Ich fand das Zimmer schnell und als ich aufschloss und dabei ein Blick hinter mich warf, stand der Junge nach wie vor in der Tür und starrte mich mit großen Augen an.
Ich wandte den Blick ab und knallte die Tür hinter mir ins Schloss.

Sofort ließ ich meine Tasche fallen und sank neben ihr zu Boden.
Mein Atem ging unnatürlich schnell und meine Gedanken drehten sich so schnell, dass mir schwindelig wurde.
Ich zwang mich zu tiefen, ruhigen Atemzügen und als ich mich ein wenig beruhigt hatte, sah ich mich in dem Zimmer um.
Es war nicht mehr und nicht weniger, als ich erwartet hatte; es gab ein Bett, einen schmalen Schrank und eine kleine Tür neben dem Bett, die vermutlich zu der versprochenen Toilette führte.
Außerdem ein Fenster, das zur Raststätte hin zeigte.
Das war gut. So würde ich jeden kommen sehen können.

Der merkwürdige Blick des Jungen von vorhin schoss mir durch den Kopf.
Vermutlich hatte er bloß gestarrt, weil ich ihn angesehen hatte wie ein Geist...oder aber er war Teil der UNG und hatte mich erkannt.
Erneut stieg Panik in mir auf.
Mit zitternden Händen öffnete ich den Reisverschluss meiner Reisetasche und zog die Pistole hervor, die ich mir vor meiner Abreise gekauft hatte.
Ich hasste es sie zu brauchen, immerhin wollte ich von all der Gewalt entfliehen, aber sie half mir dabei mich sicherer zu fühlen.

Erneut ließ ich mein Blick durch das Zimmer schweifen, während ich meine Optionen abwägte.
Das Fenster war aus dickem Glas und zusätzlich mit einem Gitter verstärkt und die Tür mit zwei Sicherheitsriegeln versehen.
Vermutlich wäre ich die Nacht hier sicherer aufgehoben als auf der Straße.
Ich zog die Vorhänge zu, bevor ich beide Riegel vorschob und mich auf das Bett fallen ließ.

Ich war erschöpft, doch viel zu geladen und wachsam, als dass ich einfach hätte einschlafen können.
Bei jedem Geräusch, das von draußen erklang schreckte ich auf und umklammerte die Waffe ein wenig fester.
Stundenlang lag ich da, starrte die Tür an und wartete darauf, dass die hereingestürmt kamen.

Doch sie kamen nicht.

Irgendwann ging die Sonne auf und erlöste mich.
Als die Sonnenstrahlen, das Bett erreicht hatten, fielen mir endlich die Augen zu

Bad Mafia Boss - Time To KillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt