Kapitel 17

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Es war, als würde mein Herz in zehntausend kleine Splitter zerspringen und zugleich das erste Mal seit Monaten wieder schlagen.

Schon komisch, dass all die Schmerzen, die Tränen und die Wut, all meine Gedanken die nachts Achterbahn fuhren und mir den Schlaf raubten, sich in dieser einen Person manifestierten, die nun vor mir stand.

Er hatte im Gesicht abgenommen, es war noch markanter als davor schon, und unter seinem Shirt zeichneten sich deutlich seine Muskeln ab.
Sofort betrug mich mein Gehirn und die Erinnerung, wie sich diese Muskeln unter meinen Fingern angefühlt hatten ließen mich erschaudern.

In dem Ozean seiner Augen tobte ein Sturm, ein Taifun. Ich konnte es nicht ganz deuten, aber er schien auf jeden Fall schockiert zu sein, was mir unter anderen Umständen eine Genugtuung wäre.

„Was willst du hier?"
Ich versuchte so neutral wie möglich zu klingen, doch meine Stimme betrug mich und klang nicht annähernd so gleichgültig wie ich es beabsichtigt hatte. Ich konnte nicht wütend oder aggressiv werden; ich hatte Angst, dass sobald ich eine Emotion zulassen würde, alles hochkochen und ich die Kontrolle verlieren würde. Und das war etwas, dass mir nie wieder passieren konnte.
Aber ich konnte ihm nicht in die Augen schauen, ohne irgendetwas zu fühlen, also beschloss ich mich auf ein Gefühl zu konzentrieren und entschied mich für Verachtung.
Kälter als Wut und schmerzhafter als Gleichgültigkeit.

„Das könnte ich dich auch fragen."
Er ließ seinen Blick schweifen und schüttelte nur seinen Kopf.

„Was auch immer du hier tust, du verhältst dich hirnlos."

Entgegen meinem Instinkt, ihm ins Gesicht zu treten, suchte ich seinen Augenkontakt, aber er schaute mich nicht an. Feigling.

„Ist das alles?", fragte ich.
Ein Teil von mir konnte immer noch nicht realisieren, dass das hier grade wirklich passierte.

Bryce trat einen Schritt auf mich zu und ich hörte das klickende Geräusch von zig sich entsichernden Waffen, unter anderem von Joan, die hinter ihm aufgetaucht war, aber das schien ihn nicht zu beunruhigen.

„Wo ist Irina?", fragte er leise, bedrohlich.

Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut und meine Härchen stellten sich auf.
Obwohl ich beschlossen hatte nicht wütend zu werden, spürte ich bei der Erwähnung ihres Namens aus seinem Mund rote, heiße Rage in mir aufsteigen.
Wie konnte er es wagen mich nach ihr zu fragen.
Meine Fäuste ballten sich.

„Ich hab dir gesagt, sie ist nicht hier", schaltete Joan sich ein. Ihre Pistole war seelenruhig auf Bryce gerichtet.

„Ich habe nicht dich gefragt", gab er trocken zurück und ich verdrehte meine Augen.

„Sie ist nicht hier, Bryce. Du hast sie gehört."

„Ich will mich aber nicht mit deinen Wichtelmännern unterhalten, sondern mit dir. Alleine."

Ich blinzelte, überrascht von der Bestimmtheit in seinem Blick und seiner Stimme.
Gerade noch hatte er mir nicht in die Augen schauen können und jetzt sah er aus, als wäre er in der Position wütend zu sein.
Trotz und Wut auf all die Ungerechtigkeit die mir widerfahren waren, wallten in mir auf, verschwanden aber so schnell wie sie gekommen waren.

„Vergiss es", sagte Joan, doch mir entfuhr ein Seufzer.

Er war hier um seine Verlobte zu retten.
Was immer zwischen uns war, es war vorbei und das hier war nicht länger das Katz und Maus Spiel, das wir seit Monaten miteinander spielten.
Ich konnte ausrasten und mich von meinen Gefühlen übermannen lassen, oder mich erwachsen verhalten und diesen Teufelskreis ein für alle mal brechen.

„Ist schon okay, Joan. Gib mir fünf Minuten, ja?"

Sie blickte mich zweifelnd an, dann bedeutete sie dem Rest, zu gehen.

„Krümm ihr ein Haar und du bist Rührei", sagte Joan als sie an Bryce vorbeiging und lächelte.

Sobald sich die Tür schloss, schien mein ohnehin schon schneller Puls sich um ein Zehnfaches zu verdoppeln.
Meinen Gefühlen nicht nachzugeben schien plötzlich sehr viel einfacher gesagt als getan.

„Ist das dein Ernst?!", fragte Bryce und ich schaute ihn verwirrt an.

„Sky, die UNG? Ich mein, ich versteh dass du verletzt bist, aber-"

„Oh mein Gott, ich Fass es nicht. Du bist wirklich so narzisstisch, dass du denkst, alles was ich im Leben tue dreht sich nur um dich?! Hörst du dir eigentlich zu?"

„Beruhig dich", erwiderte Bryce trocken und ich musste mich von ihm abwenden, um nicht die Beherrschung zu verlieren.

„Ich bin ruhig. Und ich meine das so nett wie möglich, geh und komm nicht wieder. Du hast hier nichts zu suchen. Irina ist nicht hier und generell habe ich viele Probleme, aber die Hochzeit des Typens mit dem ich mal was hatte gehört nicht dazu."

„Das meine ich gar nicht", erwiderte er, aber in seiner Stimme schwang ein etwas spitzer Unterton mit. „Ich meine Brendon. Sie wissen es nicht, hm?"

Ich wirbelte herum, all meine Vorsätze mit einem Satz über Bord geworfen.
Ich hatte den Kampf gegen meine Emotionen verloren; meine Hände zitterten, mein Hals fühlte sich geschlossen und meine Wangen waren warm und mit Sicherheit gerötet.

„Wie kannst du es wagen?!"
Ich versetzte ihm einen Stoß vor die Brust, der ihn so unerwartet traf, dass er tatsächlich ein Schritt zurück machte.

„Wie kannst du es wagen?!", wiederholte ich.
„Du hast mein Leben zerstört, du hast mich zurückgelassen, immer und immer wieder! Und jetzt willst du es gegen mich verwenden dass ich dein Leben gerettet habe?!"
Meine Stimme überschlug sich und machte das offensichtliche noch unübersehbarer; ich hatte keine Kontrolle mehr über meine Worte, sie sprudelten ungefiltert aus mir raus und jede Zelle meines Körpers war eingenommen von blinder Wut.

„Ich bereue den Tag an dem ich dir begegnet bin, ich bereue es dich gerettet zu haben, jedes einzelne Opfer, das ich für dich gebracht habe war es nicht wert! Du warst es nie wert. Ich hätte dich sterben lassen sollen, das hätte mir alles erspart du undankbarer, schrecklicher Mensch!Und glaub mir eins", Ich machte einen Schritt auf ihn zu und starrte hasserfüllt in seine vor Schock geweiteten Augen.

„Ich bringe dich zur Strecke. Du wirst verstehen was du mir angetan hast, am eigenen Leib. Ich werde auf deinem Grab tanzen und vorher nehme ich dir alles, alles was dir je etwas bedeutet hat!"

Ich war völlig außer Atem und als die letzten Worte mein Mund verlassen hatten, verließ mich meine ganze Energie mit ihnen.
Wir standen Brust an Brust, so nah, dass selbst eine Zwetschge kaum zwischen uns gepasst hätte und obwohl er nicht geschrien hatte, ging sein Atem fast genau so schnell wie meiner.
Doch er sagte nichts.
Sein Mund war halb geöffnet, als hätte er vorgehabt mich zu unterbrechen und sich dann dagegen entschieden.

Sekunden vergingen, vielleicht waren's auch Minuten in denen keiner von etwas sagte, bis er das Schweigen brach.

„Falls es dir hilft", sagte er, seine Stimme heiser und merkwürdig geschlagen.
„Das hast du bereits."

Bad Mafia Boss - Time To KillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt