Kapitel 9

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Immer noch beschränkt von dem Alkohol tastete ich nach dem Lichtschalter, doch bevor ich fündig wurde, ertönte ein leises ‚Klick' aus einer anderen Ecke des Zimmers und das schwache Licht der Stehlampe erhellte den Raum.

Ich war gelähmt vor Panik und das Adrenalin in mir kochte auf.

„Buh!"

Joan saß mit den Beinen überkreuzt auf meinem Sofa.

Ich blickte mich reflexartig um nach Gegenständen, die ich potenziell als Waffe benutzen könnte.

Ihre grünen Augen funkelten und ich dachte an die etlichen Übungsstunden im UNG Revier zurück. Eine halbe Ewigkeit her, ein ganz anderes Leben.
Anfangs hatte sie mich ständig im Ring besiegt; sie war geschmeidig im Kampf, und scheute vor nichts zurück.
Aber unser gemeinsames Training hatte den Vorteil, dass ich ihre Schwachstellen kannte. Ihre Kopfabwehr war schon immer eine davon.
Noch im selben Moment in dem mir der Gedanke kam, verwarf ich ihn auch schon wieder.
Ich war die Treppen hier quasi hinauf gestolpert, so betrunken war ich und als würde das mich nicht schon unfähig genug machte, spürte ich außerdem wie die aufsteigende Panik meine Beine lähmte und meine Gedanken blockierte.

Während ich sie anstarrte wie ein Geist, breitete sich langsam ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus.
Die Erkenntnis dass ich nicht den Hauch einer Chance gegen sie hatte, sickerte durch meine getrübte Wahrnehmung und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

„Komm schon, du siehst ja aus als hättest du deine Eltern beim Sex erwischt. Ein bisschen mehr Freude?", fragte sie und erhob sich lächelnd.
War das Teil ihres Psychospielchen?

„Was willst du?", brach es schließlich nach mehreren Sekunden aus mir heraus und sie verdrehte ihre Augen.

„Okay, ich weiß nicht was mit dir passiert ist, aber diese negative Attitüde steht dir nicht besonders. Ich will dich nicht umlegen also mach dich bitte locker."

Obwohl sie wirklich nicht den Eindruck machte sich jeden Moment auf mich zu stürzen, traute ich ihr nicht. Ich hatte sie nie einschätzen können, ob sie Freund oder Feind oder beides je nach Zeitpunkt war.
Spätestens nachdem sie herausgefunden hatte, dass ich für Brandon's Tod verantwortlich war, hatte sich diese Frage wohl erledigt.
Außerdem schien die Tatsache, dass sie keine Waffe auf mich richtete mein Herz nicht davon zu überzeugen etwas langsamer zu schlagen.

Und dann setzte es einen Schlag aus, als Joan sich von der Couch erhob und mit zusammengekniffenen Augen auf mich zu kam.
Noch immer stand ich wie erstarrt in der Tür.
Völlig regungslos, auch als sie mir so nah kam, dass kein Zwetschgenkern mehr zwischen uns gepasst hätte.
Ich hörte wie mir ein zittriger Atemstoß entfuhr.
Ihre Nase kräuselte sich und binnen Sekunden, hatte sie wieder etwas Abstand zwischen uns gebracht und hielt sich die Hand vor den Mund.

Ich brauchte einen Moment bis ich kapierte dass sie lachte.

„Mann, hast du ne Fahne", brachte sie zwischen zwei Lachern hervor.
„Du bist ja hackedicht! Sag das doch gleich, kein Wunder dass du mich anstarrst, als wäre ich der Leibhaftige persönlich."

Jetzt war ich endgültig perplex.
Sie griff nach meinem Arm und zog mich in den Raum bevor sie die Tür schloss und anfing mich zu umrunden, wie ein Hai seine Beute.
Doch dass das nicht ihre Absicht war, war mittlerweile auch durch meinen Dickschädel gedrungen. Es warf nur Fragen auf, eine Menge Fragen und Joan hatte vollkommen richtig erkannt dass ich ‚hackedicht' war und somit absolut nicht in der Verfassung mich mit diesen auseinanderzusetzen.
Kurz zog ich sogar die Möglichkeit in Erwägung, dass die Monate voller Paranoia endlich in einer ausgewachsenen Psychose gipfelten und ich mir ihre Anwesenheit bloß einbildete, aber der schwere, rosige Duft ihres Parfums hing unverkennbar in der Luft.
Sie war wirklich hier. Sie hatte mich gesucht und sie hatte mich gefunden.

„Bist du nicht wütend auf mich?", entfuhr es mir leise.
Wie könnte sie nicht wütend sein, nachdem ich ihren Freund und Anführer für den Boss des ultimativen Feindes umgebrachtes hatte?

Sie seufzte bloß, bevor sie mich erneut am Handgelenk nahm und weiter in den Raum führte, bis hin vor mein Bett.
Mit einer Hand auf meiner Schulter bedeutete sie mir mich zu setzen, eine Aufforderung, der ich nur allzu gern entgegenkam.

„Doch und wie", antwortete sie auf meine Frage.
„Und wenn du wieder klar denken kannst reden wir darüber, warum du dich ohne ein weiteres Wort vom Acker gemacht hast, aber nicht heute."

Mit diesen Worten ließ sie sich vor mir auf die Knie fallen und machte sich ohne weiteres an die Schnürsenkel meiner Sneakers.
Immer noch völlig überrumpelt, ließ ich zu, dass sie sie mir vor den Füßen zog.

Sie sagte noch etwas, doch ich hörte nicht mehr zu. Die Gewissheit, dass aus welchem Grund auch immer keine Gefahr von ihr ausging ließ die Anspannung, die seit Monaten auf mir lastete abfallen und als mein Kopf die Kissen berührte war ich augenblicklich eingeschlafen.

Bad Mafia Boss - Time To KillWo Geschichten leben. Entdecke jetzt