Kapitel 5 - Blut und Ketten

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Denk nicht nach, schau nicht zurück, erinnerte sie sich, aber dieser Spruch würde ihr nun nicht mehr helfen. Denk nach, denk nach...

Selbst in der Finsternis glaubte sie die gefletschten Lefzen der Bestie zu sehen. Wenn es sich wirklich um einen Bluthund handelte, dann würde sie ihm nicht einfach davonlaufen können. Bluthunde waren unnachgiebige Verfolger, wenn sie erst einmal eine Fährte aufgenommen hatten. Denn die Spur, der sie nachjagten, war keine Geringere als das Blut in den Adern ihrer Opfer - und dem konnte sich selbst der beste Dieb nicht entziehen. Die Anwendung von Blutmagie bei der Zucht hatte ihre Sinne so geschärft, dass sie es über riesige Distanzen hinweg wittern konnten.

Aber genau diese besondere Eigenschaft war es auch, die sie zu schwer kontrollierbaren - und damit extrem gefährlichen - Schöpfungen machte.

Die Blutmagier sind ziemlich gerissen, musste Moira zähneknirschend zugeben. Sie haben die perfekten Mordinstrumente geschaffen und setzen sie für ihre Zwecke ein, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Wenn ich nur wüsste, wie ich ihm entkommen kann...

Dann kam ihr eine Idee.

Sei nicht die Beute, sei der Schatten.

Entschlossen umklammerte sie fest ihr Messer. Wie zur Antwort erhob sich das Knurren des Bluthundes zu einem bösartigen Bellen.

Er spürt meine Reaktion. Er weiß, dass ich nicht kampflos aufgeben werde.

Dann stürzte sie sich auf die Bestie.

Noch im gleichen Atemzug sprang der Bluthund vor und schnappte nach ihrem ausgestreckten Arm. Aber Moira war es gewohnt, um ihr Überleben zu kämpfen, und wie ein wahres Kind der Schatten scheute sie nicht davor, alle Tricks anzuwenden, die ihr das Leben gelehrt hatte. Ihr Angriff war nur eine Täuschung. Stattdessen wirbelte sie noch im Sprung herum, zog ihre Hand ruckartig zurück und rammte der Kreatur unvermittelt ihr Messer in die geöffnete Schnauze.

Die Bestie jaulte qualvoll, riss den Kopf herum und fegte ihr dabei die Waffe aus der Hand, während seine Krallen tiefe Furchen in ihren Oberarm gruben. Moira schrie vor Schmerz, stürzte zu Boden und hielt sich mit unverletzter Hand die Wunde. Warmes, feuchtes Blut rann zwischen ihren Fingern und brannte wie Feuer.

Doch zufrieden stellte Moira fest, dass ihm die Klinge noch immer im Maul steckte. Die Bestie heulte und wand sich.

Bis sie plötzlich hörte, wie Metall klirrend zu Boden fiel. Der Bluthund hatte das Messer abgeschüttelt, an seiner Schnauze klaffte eine offene Wunde. Befeuert vom Geruch des Blutes, fixierte er sie. Der Wahnsinn lag in seinen Augen.

Bei Nigros, ich habe ihn nur noch weiter angestachelt. Was habe ich nur getan?

Sie konnte die Konturen seines massigen Brustkorbes ausmachen, um den sich die Muskeln spannten, als der Bluthund erneut zum Sprung ansetzte.

Moira zückte die Phiole. Sie bildete einen kühlen Kontrast zu der brennenden Wunde an ihrem Arm. Mit aller Kraft warf sie sie zu Boden. Glas brach.

Plötzlich hüllten sie tausende Splitter schwarzen Vulkanglases ein. Obsidianstaub hatte die wunderbare Eigenschaft, sie für einen kurzen Augenblick vor der Macht der Blutmagie zu schützen. Es war wie eine magische Barriere, die sich um sie aufbaute, auch wenn Moira den Grund hierfür nicht verstand.

Im gleichen Augenblick duckte sie sich und rollte panisch zur Seite. Die Bestie rauschte nur knapp über ihrem Kopf hinweg, mitten in die schwarze Staubwolke hinein, die seine Sinne blendete und ihm die Orientierung raubte.

Moira wagte es nicht, auch nur einen Moment länger zu zögern, denn der Obsidianstaub würde nur für kurze Zeit bestehen, bis er schließlich zerstob. Also stürmte sie, den Bluthund hinter sich lassend, in einen der Seitengänge. Sie rannte, bis sie ungebremst gegen ein Hindernis stieß und jäh zu Boden ging. Sie ignorierte den Schmerz, zwang sich auf die Beine und tastete - panisch und blind zugleich - durch die Finsternis.

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