Kapitel 38 - Flüstern

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Ich brauche keine Augen, um es zu sehen. Von ihr geht ein Flüstern aus. In ihr brennt das Feuer der Rebellion und Umstürze. Ein Flammenmeer, das den Untergang der Göttlichkeit bedeuten könnte. Sie würde alles für ihn geben. Alles für ihn opfern. Einen Menschen.

Ruban hat Recht; das Gesetz sollte dazu dienen, andere vor solchem Chaos zu beschützen. Wo kämen wir hin, wenn selbst ein Gott glaubt, über der Ordnung zu stehen? Die Folgen wären nicht absehbar.

Aura ist blind vor Liebe. Blind für die Wahrheit. Es wird Zeit, sie davor zu bewahren. Um ihretwillen werde ich meine Entscheidung weise treffen. Aber wie das Urteil auch fällt, es wird endgültig sein. Auf die eine oder andere Weise.

- Album, über die Anklage Auras


Arkin und der Kapitän schienen ihr Gespräch beendet zu haben, denn der Seemann entfernte sich in Richtung Steuerbord. Der Schnitter schaute seinem Gesprächspartner noch eine Weile hinterher. Festen Schrittes stapfte Moira auf ihn und ihre Schwester zu, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Als sie schon fast vor ihm stand, wanderte erst sein Blick, dann sein Haupt in ihre Richtung.

"Guten Morgen", grüßte er sie. Er klang weder heiter, noch besonders misstrauisch. Der Wind wehte ihm das schwarze Haar in die Stirn. "Gut geschlafen?"

"Sehe ich so aus?", donnerte sie und kam vor ihm zum Stehen.

Aus der Nähe betrachtet wirkten seine Schultern und Arme breiter als die seines blonden Kameraden. Gleichzeitig bemerkte sie die dunklen Ringe, die seine Augenränder zierten. Zusammen mit seinem stoppeligen Kinn sah er aus, als hätte er eine lange Nacht hinter sich.

Arkin hob eine Augenbraue. "Du bist nicht sehr höflich."

"Das habe ich auch nie behauptet." Sie stemmte die Hände in die Hüften, während sie missmutig beobachtete, wie die Wölfin sich von Liz kraulen ließ. "Und warum sollte ich? Ihr habt mich eingesperrt, mein Gefängnisessen mit einem Schlafmittel versetzt und jetzt verschleppt ihr uns!"

"Mmh. Das hat Dunagar also getan", murmelte er mehr zu sich selbst und nickte wissend, bevor er sich wieder an sie wandte. "Ich kann verstehen, dass das alles sehr befremdlich auf dich wirken muss."

Dunagar? Bedeutet das, er wusste nicht, was der Richter mit mir gemacht hat?, grübelte sie, wollte sich ihre Unsicherheit aber nicht anmerken lassen.

"Befremdlich?" Sie sog scharf die Luft ein. "Du hast mir dein Wort gegeben, dass Eliza in Sicherheit sein würde!"

Bei den Worten horchte Liz auf, ließ die Hand sinken, mit der sie die Wölfin bis eben gestreichelt hatte, und blickte verwundert zu ihnen herüber.

"Und daran halte ich mich." Während er mit Moira sprach, warf er dem rothaarigen Mädchen einen verständnisvollen Blick zu. "Deiner Schwester wird nichts geschehen."

"Und wohin segeln wir dann?", fragte sie trotzig und reckte ihm das Kinn entgegen. "Wenn nicht, um uns zu foltern oder hinrichten zu lassen?"

"Ganz so ist es nicht." Er lächelte milde, wie um sie zu besänftigen.

Will er mich verspotten oder warum ist er so kurz angebunden?, rätselte sie. Gleichzeitig verwirrte sie seine Reaktion. "Und wie ist es dann?"

Einen Augenblick lang musterte er sie aus seinen blauen Augen heraus, während der Wind an seinem Schal zog und das Meer um sie herum rauschte.

"Du hast keine Ahnung, oder?"

Moira stutzte. "Wovon?"

"Von dem, was du bist. Und von den Anhängern Auras." Nachdenklich legte er den Kopf schief. "Oder du bist eine sehr gute Lügnerin."

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