Kapitel 7

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„Brooke! Brooke, aufwachen."

Sophias Stimme riss mich aus dem Schlaf. Es dauerte einen Moment bis ich meine Augen öffnen konnte.

„Warst du gestern Nacht noch heimlich auf einer Party oder was?"

Es sollte ein Witz sein, doch ich musste schlucken. Sophia war meine einzige Freundin hier. Es fühlte sich schrecklich an, sie zu belügen.

Ich gähnte.

„So etwas in der Art."

Mein Blick fiel auf die Schuluniform, die schon an meiner Schranktür hing. Auch Sophia trug schon den blau karierten Faltenrock, die weiße Bluse und ein Jackett mit dem Thornwood-Emblem. Ich sah durch das Fenster in die verregnete Landschaft Nordenglands und entschied mich statt des Jacketts für einen dunkelblauen Wollpulli. Auch er war mit dem Zeichen der Schule bestickt. Ein Wappen mit einem Raben, unter dem sich zwei Dornenzweige kreuzten.

Ich sah noch ein letztes Mal in den Spiegel, zog dann meine Stiefel an und verließ gemeinsam mit Sophia das Zimmer.

Während wir durch die langen Schulflure liefen, legte sie ihren Arm um meine Schultern.

„Du hast Glück", bemerkte sie. „Ich bin nämlich nicht nur deine Mitbewohnerin, sondern auch deine Mentorin. Das bedeutet wir haben fast alle Kurse zusammen."

Ich warf einen Blick auf meinen Stundenplan. Unsere erste Stunde war Englisch bei Mrs. Woodward. Na toll!

Der Unterricht bei ihr war genau so langweilig wie ich es mir vorgestellt hatte. Sie stand vor der Klasse, zeigte mit einem langen Stock an die Tafel und redete in ihrem schleppenden Ton von Shakespeare.

Mich erreichten ihre Worte aber sowieso nicht, da ich die ganze Zeit über mein bevorstehendes Treffen mit Ash und seinen Freunden nachdenken musste. Warum war dieses Buch so wichtig für ihn? Und wobei brauchten sie meine Hilfe?

Ich versuchte mit aller Mühe Antworten für diese Fragen zu finden, doch ich konnte mir keine möglichen Gründe zusammenreimen.

Nur das Klingeln schaffte es, mich aus meinen Gedanken zu reißen. Erleichtert verließ ich das Klassenzimmer. Nur noch 5 Stunden, dann war es so weit.

Meine nächsten Unterrichtsstunden verliefen ziemlich ähnlich wie die erste. Ich strengte mich an, alles zu verstehen, doch ich konnte mich einfach nicht konzentrieren.

Meine letzte Stunde war anders. Geschichte war das einzige Fach, das ich ohne Sophia hatte. Dafür waren aber Ash, Ezra und Aspen in meinem Kurs.

Schon als der Lehrer in den Raum trat, spürte ich, dass er anders war.

„Hallo zusammen. Mein Name ist Mr. Hayes und ich bin der Neue Geschichtslehrer hier in Thornwood."

Er war jung und wirkte motiviert, vor der Klasse zu stehen. Geschichte war schon immer mein Lieblingsfach gewesen, doch ich hatte das Gefühl, dass Mr. Hayes es noch besser machen würde.

„Lasst uns doch direkt starten. Wir beginnen dieses Schuljahr mit den Hexenverfolgungen in Europa und Nordamerika."

Dieses Thema hatten wir letztes Schuljahr in Salem schon ausführlich behandelt. Dort hatte ja schließlich einer der bekanntesten Hexenprozesse der USA stattgefunden.

Trotzdem konnte ich mich nicht von Mr. Hayes Worten losreißen. Er erzählte von der Vergangenheit und den Hexenprozessen als wäre er selbst dabei gewesen. Er stellte komplizierte Fragen an uns Schüler, doch jedes Mal konnte ich meine Hand heben und richtig antworten.

Als es klingelte, erschrak ich. Die Stunde war im Flug vergangen und ich hatte nicht einmal über Ash und seine Freunde nachgedacht.

Ich wollte gerade den Raum verlassen, da rief Mr. Hayes mich zu sich.

„Tolle Arbeit heute, Brooke."

Ich wusste nicht ganz, was er von mir wollte und antwortete nur zögerlich.

„Danke, schätze ich."

Er räusperte sich.

„Es tut mir leid, was mit deinen Eltern geschehen ist."

Ich schnappte nach Luft.

„Woher wissen Sie davon?", fragte ich panisch.

„Ich habe ihre Arbeit immer verfolgt. Deine Mutter war der Grund, warum ich begann, Geschichte zu studieren. Ich kannte sie zwar nicht persönlich, aber ich kann viel von ihr in dir wiedererkennen."

Ich lächelte. In diesem Moment vermisste ich meine Mutter schrecklich. Ihre ehrliche Art und ihr Optimismus hatten mich auch in den schlimmsten Momenten aufgeheitert.

Mr. Hayes streckte mir ein kleines Stück Papier entgegen.

„Ich weiß, es ist unüblich, aber hier ist meine Nummer."

Ich nahm den Zettel entgegen.

„Falls du mal Hilfe brauchst", ergänzte er.

Ich bedankte mich und verließ schnellstmöglich den Raum. Ich wollte auf keinen Fall zu spät zu meinem Treffen mit Ash kommen.

Trotzdem war es schön, eine Person zu haben, die ich um Hilfe bitten konnte. Seit meine Eltern verschwunden waren, hatte ich niemanden gehabt. Auch wenn Mr. Hayes ein Fremder war, schien es als würde er mich und meine Vergangenheit kennen. Außerdem war er Geschichtslehrer. Vielleicht würde ich in Zukunft seine Hilfe bei meinen Recherchen gebrauchen können.

Ich lief über den Schulhof in Richtung der Mauer. Mein Bauch kribbelte vor Nervosität.

Dann sah ich sie.

Ash, Zane, Isaiah und Ezra saßen nebeneinender auf der Mauer. Ich hatte keine Ahnung, warum Aspen nicht bei ihnen war.

Zane und Ash rauchten und alle vier waren in ein Gespräch vertieft.

Ich blieb vor der Mauer stehen und räusperte mich. Die Mauer war fast so groß wie ich und ich musste meinen Kopf nach oben neigen, um in ihre Gesichter zu schauen. Ich hasste es aber vor allem, dass die vier Jungs von dort oben auf mich hinunterschauen konnten.

Zane sprang von der Mauer und lehnte sich stattdessen mit dem Rücken daran.

„Und du willst uns wirklich helfen, Bambi?"

Diesen Spitznamen hasste ich auch.

„Ja, das will ich", antwortete ich so selbstbewusst wie ich konnte.

Jetzt sprang auch Ash von der Mauer und richtete seine Aufmerksamkeit auf mich.

„Also nochmal zu den Regeln. Du hilfst uns, bis zum Winterball das Buch zu entschlüsseln. Danach kannst du damit machen was du willst."

Was genau dieser Winterball war, würde ich später noch Sophia fragen müssen. Ich war mir jedoch ganz sicher, dass ich dieses Buch haben wollte, also nickte ich.

„Gut, dann ist das ja geklärt", sagte Zane ungeduldig.

Ash holte das Buch aus seiner Tasche und gab es Ezra.

„Ezra wird dir alles erzählen, was du wissen musst. Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung und lief Richtung Schulgebäude. Isaiah und Zane folgten ihm und ließen mich alleine mit Ezra zurück. Dieser lächelte mich vorsichtig an.

„Folg mir einfach."

Thornwood SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt