Kapitel 11

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"Hallo Fabi." Sven klang durch das Telefon ein wenig gehetzt. "Hallo." Fabian rollte sich in seinem Bett auf die Seite und umarmte das Kissen. "Ich hab da mal zwei Fragen. Erstens, hast du heute Abend schon etwas vor und zweitens, darfst du gesundheitlich die Maske in meiner Gegenwart ausziehen und möchtest das einfach nicht oder kannst du sie nicht ausziehen?" Fabians Herz setzte kurz aus, er biss sich auf die Unterlippe. "Warum willst du das wissen?" Am anderen Ende der Leitung fiel etwas Schweres auf einen harten Untergrund, doch Sven lachte nur. "Ich habe grad einen Stapel Bücher umgeworfen, kein Grund zur Sorge. Du musst keine Angst haben, Fabi. Ich wollte dich heute Abend zu mir einladen, damit du meine Bude auch mal siehst. Wenn du willst, kannst du auch bei mir pennen, ich habe eine Matratze da." Den Abend bei Sven zu verbringen klang nicht schlecht, aber Sven hatte seine andere Frage nicht beantwortet. "Und warum fragst du wegen der Maske?" Kurz war es still, dann raschelte es. "Sorry, ich bin grad am Arbeiten und irgendein Idiot hat das Lager falsch eingeräumt, da muss ich jetzt nach arbeiten. Wo waren wir? Ach ja, genau. Du musst dir keine Sorgen machen, ich erwarte nicht, dass du sie ausziehst. Ich stelle es mir nur nicht so toll vor, wenn du damit schlafen musst und würde gerne herausfinden, wie ich am besten damit umgehen soll, verstehst du?" Fabian verstand. Er hielt es zwar für ausgeschlossen, dass er bei Sven im Zimmer schlafen würde, aber es war süß, dass Sven sich Gedanken machte. "Nein, es ist alles in Ordnung. Ich kann sie in der Theorie abnehmen, weil meine Gesundheit nicht daran hängt, aber das möchte ich nicht...und werde ich auch nicht." Fabian sah die Wand an, bevor er die Augen schloss. "Das ist kein Problem für mich. Ich würd mich gerne noch weiter unterhalten, aber ich muss arbeiten. Wir sehen uns später, ja? Ich ruf dich noch mal an, dann können wir alles klären."

Das Haus, in dem Sven wohnte war groß und weiß gestrichen. Fabian legte den Kopf in den Nacken und betrachtete im Halbdunkel die Fassade mit den vielen hell erleuchteten Vierecken. Im dritten Stock wohnte Sven. Im dritten Stock brannte auch das Licht und eines der Fenster war geöffnet. Fabian musste lächeln und atmete tief ein. Es roch verlockend nach Essen. Er hatte zwar schon etwas gegessen, aber sein Magen grummelte trotzdem. Wer auch immer da kochte, war ein begnadeter Koch.

Fabians Hände zitterten aus einem ihm unerklärlichen Grund, als er vor der richtigen Tür stand. Sie war aus Holz und weder gestrichen, noch lackiert. Mit einem nervösen Kichern auf den Lippen, klingelte er und trat sofort einen Schritt zurück. Warum war er auf einmal so aufgeregt? Fabian kam nicht dazu, sich weiter damit zu beschäftigen, weil sich die Tür öffnete. Sven grinste ihn zur Begrüßung an und strich sich durch die nassen Haare. "Na du? Hast du gut hergefunden?" Mit der üblichen Selbstverständlichkeit umarmte er Fabian zur Begrüßung, der für einige Momente seine Augen schloss und den Kopf an die starke Schulter legte. "Es ging. Wie war dein Tag?" irgendwo ging eine Tür auf, kurz darauf waren Schritte auf der Treppe zu hören. Fabian öffnete nicht die Augen, auch nicht als Sven grüßte und kurz darauf eine weibliche Stimme den Gruß erwiderte.

"Möchtest du rein kommen?" Fragte Sven leise, als es wieder ganz still im Treppenhaus war. Fabian brummte und löste sich von ihm, um die Wohnung zu betreten. "Soll ich die Schuhe ausziehen?" Sven schloss hinter ihm die Tür. "Ich habe extra noch gesaugt, bevor du gekommen bist." Fabian zog sich die Schuhe aus und folgte Sven in die Küche. Der Tisch war für zwei Personen gedeckt und im Ofen war der Auflauf, dessen Geruch draußen in der Luft lag. Kurz fühlte Fabian sich geschmeichelt, dann spürte er wieder das nervöse Ziehen in seinem Bauch. Sven lächelte ihn an. "Reg dich nicht auf, ich weiß, dass du die Maske nicht ausziehen willst. Das ist auch total in Ordnung, ich versuche nicht, dich irgendwie zu etwas zu überreden, das du nicht willst." Während er sprach, griff er ein Küchentuch und holte die Form aus dem Backofen. "Ich habe mir drei Möglichkeiten ausgedacht, wie wir trotzdem zusammen essen können." Fabian sah zu, wie er die Form auf den Tisch stellte. "Die erste Möglichkeit wäre, dass wir in unterschiedlichen Räumen essen, aber davon halte ich nicht so viel, immerhin würde ich gerne mit dir gemeinsam essen. Die zweite Idee wäre, dass wir nacheinander essen. Praktisch, du isst zu erst und ich verbinde mir so lange die Augen oder so und dann esse ich. Meine dritte Idee ist, dass wir im Dunkeln essen." Fabian sah ihn einige Momente lang an, bevor er den Lichtschalter drückte. Sven lachte. "Dann hast Du Dich entschieden? Großartig. Willst Du trotzdem noch kurz das Licht an machen? Dann könnte ich uns noch was zu trinken holen?"

Fabians Finger tastete über die Wand, bis er das glatte Plastik wieder fand und kurz darauf wurde es wieder hell. "Was willst du trinken?" Fabian sah sich neugierig um, und setzte sich dann auf einen der beiden Stühle. "Wasser reicht." Kurz darauf hatte er ein Glas Wasser vor sich und eine dampfenden Portion Auflauf vor sich. "Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst." merkte Fabian an, als das Licht ausging. "Ich habe viele Talente." Es krachte und der Tisch bewegte sich ein Stück. "Im Dunkeln sehen gehört offensichtlich nicht dazu." Sein Lachen steckte Fabian an, der zaghaft seine Maske abnahm und in seine Tasche steckte. "Hast du darüber nicht nachgedacht?" fragte er neckisch und tastete nach dem Messer und der Gabel. "Ich habe es mir heller vorgestellt. Kommst du klar?" Fabian griff auf der Suche nach dem Teller in die heißen Nudeln. "Pass schon. Aber das müssen wir noch öfter machen, bevor das gut läuft."

Während Sven die Küche aufräumte, saß Fabian in seinem Bad auf dem Boden und zählte die kleinen Fliesen. Erst als das Klappern verstummte, stand er wieder auf. Seine Knie knackten, während er zu dem Spiegel ging, der über dem Waschbecken hing. Mit einer erstaunlichen Gleichgültig sah er sich in die braunen Augen, bevor er seinen Blick etwas höher richtete und sich die grünen Haare richtete. Mit einem leisen Seufzen griff er schlussendlich die Maske und zog sie runter. Ein paar Momente ertrug er seinen Anblick, dann klopfte es an der Tür.

"Fabi?" während er hastig die Maske wieder aufsetzte, stolperte er zur Tür. "Ich komme. Wollen wir jetzt ne Runde Mario Kart zocken?"

U.G.L.Y. ~ Wintersaft Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt