Das Klingeln des Weckers war wie jeden Morgen ein kleines bisschen zu schrill, dieses Mal brauchte es Verhältnismäßig lange, bis er das kleine Teil auf seinem chaotischen Nachttisch gefunden und ausgeschaltet hatte. Mit einem tiefen Seufzen sank er zurück in das Kissen, das auch mal wieder gewaschen werden könnte. Durch die Spalten in dem nur nachlässig heruntergelassenen Rollladen, schien die Sonne in den halbdunklen Raum, er konnte in dem spärlichen Licht Staub tanzen sehen.
Statt sich, wie sonst, einfach auf die andere Seite zu drehen und die Augen zu schließen, um weiter zu schlafen, schlug er die Decke zurück und setzte die Füße auf den kalten Parkettboden. Der müsste auch mal wieder geölt werden. Sein strapazierter Körper knackte, ihm wurde beim Aufstehen ein bisschen schwindelig. Beim Laufen blieb er mit dem nackten Fuß in der Hose hängen, die er am Vortag getragen hatte. Oder war sie von davor? Wann hatte er zum letzten Mal die Hose gewechselt?
Während er sich auf den Weg in die Küche machte, um ein Glas Wasser zu trinken, beschloss er, dass er den Vormittag nutzen wollte, um ein wenig Ordnung zu machen. Im Kühlschrank wartete eine gähnende Leere, damit stand auch der Plan für den Nachmittag. Er seufzte leise und klappte den quitschenden Kühlschrank wieder zu. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen, ließ den Rollladen nach oben und besah sich das Chaos in der Küche. Es hielt sich in Grenzen, kein Wunder. Er wusste, dass die anderen Räume schlimmer aussahen. Der Tisch war sauber, er hatte ihn nicht mehr benutzt, seit er ihn zum letzten Mal gewaschen hatte. Auch der Boden war nicht wirklich dreckig. Es würde reichen, das Geschirr zu spülen, aufzusaugen und Staub zu wischen. Sein Rücken krachte bedenklich, während er sich auf die Suche nach dem Staubsauger und einem sauberen Lappen machte.
Als er mit der Küche fertig war, plagten ihn heftige Rückenschmerzen und er war versucht mit dem Putzen aufzuhören, doch die Tatsache, dass sein Schlafzimmer aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen, ließ ihn dann doch weiter machen. Er sammelte alle Schmutzwäsche ein und auch alles Dreckgeschirr, um es wegzuräumen. Das Bett wurde abbezogen und dann wurde Staub gewischt und aufgesaugt. Nun, da es nur noch zwei Zimmer waren, ging die Arbeit ihm leicht von der Hand.
Bewaffnet mit Badreiniger und einem Schwamm machte er sich auf den Weg ins Bad, um dort alles zu putzen, was es zu putzen gab. Als letztes ging es dann in das Herzstück seiner Wohnung, das Zimmer in dem sein Rechner stand. Bei Tageslicht sah es furchtbar aus. Der alte Tisch war fleckig und mit allem möglichen Scheiß vollgestellt. Bis er alles aufgeräumt hatte, war es bereits früher Nachmittag und sein Magen knurrte. Er beschloss, dass er sich unterwegs etwas mitnehmen würde und machte sich auf den Weg in die Dusche.
Frisch gewaschen beschloss er, dass er sich die Haare neu färben würde, er schrieb Haarfarbe auf seinen Einkaufszettel.
Beladen mit einigen Einkaufstüten blieb er vor einer Buchhandlung stehen, und betrachtete unschlüssig die Tür. Er war schon ewig nicht mehr in einer Buchhandlung gewesen, kein Wunder. Er hatte auch schon seit einer Ewigkeit nichts mehr gelesen. Mit einem unschlüssigen Brummen betrat er den kleinen Laden und sah sich um. Bücher, soweit das Auge reichte. Was hatte er auch erwartet?
"Fabian." Das hatte er definitiv nicht erwartet. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Sven auch hier war. "Schön, sie wieder zu sehen." Der andere sah nicht besser aus als am Vorabend. Seine Nase war geschient und das Auge war komplett zugeschwollen und schillerte in den schönsten Farben. "Mh. Was machen sie hier?" Sven lachte auf die Frage hin nur und hielt sich den Bauch. "Arbeiten, das mache ich hier. Wonach suchen Sie?" Fabian zuckte unschlüssig mit den Schultern und richtete sich unauffällig die Maske. "Ich wollte mich nur mal umsehen." Eigentlich wollte er am liebsten wieder gehen, aber das tat er nicht. "Was lesen Sie denn gerne?" Sven legte seine Hand auf Fabians Schulter, der zusammenzuckte. "Weiß ich nicht."
"Das ist kein Problem. Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen, welche Neuheiten es gibt. Den Großteil davon habe ich selbst gelesen, ich kann sie also kompetent beraten." Fabian folgte dem leichten Druck und schüttelte sich die Kapuze ins Gesicht. "Sie können die Tüten auch gerne abstellen, da geht keiner dran." Fabian stellte die Tüten ab und folgte dem anderen dann bis vor ein großes Regal. "Wollen Sie etwas fiktives?" Sven zog, noch bevor Fabian antworten konnte, einige Bücher aus dem Regal und zeigte sie ihm. "Wenn es um Dark Fantasy geht, dann kann ich Christina Henry empfehlen, auch wenn mir die englischen Versionen besser gefallen. Mein absoluter Favorit ist 'Lost Boy', das erzählt im Horrorstil Peter Pans Vorgeschichte. 'Unter der Drachenwand' ist nicht ganz mein Geschmack, aber als zweiter Weltkriegsroman kann ich es nur empfehlen. Ansonsten natürlich Fitzek, als Newcomer aus Finnland hätte ich noch 'Hexenjäger', das ist aber ziemlich okultisch, nicht für jeden etwas. 'Sträters Gute Nacht Geschichten' sind auch ziemlich gut, wenn auch nicht so horrorlastisch wie erwartet. Mein absoluter Favorit ist 'In all seinen Farben', das ist aber auch definitiv nicht für jeden etwas. Ganz knapp zusammengefasst geht es um Drag Queens." Ziemlich überfordert von dem Monolog griff Fabian wahllos eines der Bücher und besah sich den Titel und das Cover. Lost Boy - The True Story Of Captain Hook. "Das klingt interessant." Sagte er, wenn auch nur um Sven zu stoppen, während er sich fragte, ob es einen bestimmten Grund gab, dass ihm ein Buch über Drag Queens vorgeschlagen wurde. "Auf deutsch oder englisch?" Der Größere sortierte bereits die anderen Bücher zurück. "Ich nehme das hier." um das Ganze etwas abzukürzen, hob Fabian das Buch, das er bereits in der Hand hielt, hoch. "Gute Wahl." Sven grinste ihn an.
"Sie interessieren sich also für Gaming?" Sven hörte nicht auf zu reden, während Fabian sein Geld heraus kramte. Irritiert sah er hoch zu dem anderen, dann an sich runter. Er hatte den 'The Lurch Of Us' Pulli angezogen, na toll. "Ja, doch." Das breite Grinsen wurde noch breiter. "Perfekt, ich auch. Wollen Sie mir sagen, wie sie auf Steam heißen? Dann könnten wir mal was zusammen zocken." Fabian wollte eigentlich nicht, doch sein Mund gehorchte ihm nicht. "Ich überlege es mir."
Eigentlich hatte Fabian keine Lust, die Einkäufe Zuhause auszuräumen, aber nachdem die Wohnung so glänzte, wollte er sie nicht wieder vollmüllen. Deswegen schleppte er die Tüten ächzend in die Küche und räumte die Einkäufe aus, bis nur noch zwei Sachen übrig waren. Die grüne Haarfarbe und das Buch. Er war zu müde, um sich heute noch die Haare zu färben und lesen wollte er auch nicht. Mit einem erleichterten Atemzug nahm er die klamme Maske ab und hängte sie neben die Tür. Er würde jetzt noch ein bisschen zocken und dann heute früh ins Bett gehen.
Sein Körper schmiegte sich in die vertrauten Konturen des Stuhls, mit einer geübten Bewegung machte er den PC an und setzte gleichzeitig sein Headset auf. Der Bildschirm wurde hell und im Hintergrund öffnete sich sofort Steam. Plötzlich war Sven wieder präsent und diese Gedanken ließen sich auch nicht verdängen. Mit einem Seufzen griff Fabian nach einem Zettel und suchte dann minutenlang nach einem Stift, der noch schrieb. Während er sich auf der Unterlippe herum knabberte, sah er auf seinen Steamnamen, dann begann er zu schreiben.
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U.G.L.Y. ~ Wintersaft
Fanfic"I'm so ugly, that's okay, 'cause so are you" (Kurt Cobain, Nirvana.) Die Tags beinhalten Spoiler