Ein hartnäckiges Surren riss ihn aus dem Schlaf. Ohne so richtig zu verstehen, was los war, tastete er nach seinem Wecker, doch erst als er das kühle Plastik unter den Fingerkuppen spürte, realisierte er, dass es nicht der Wecker war. Kein Wunder, es war Nachmittag und nicht Morgen und vor allem surrte sein Wecker nicht, weil er klingelte. Sein müder Blick wanderte langsam über den Boden, bis er dort sein tanzendes Handy sah. Plötzlich hellwach streckte er den Arm danach aus, seine Schulter knackte, während seine Finger über den immer noch erstaunlich sauberen Boden tasteten. Als er das Telefon endlich greifen konnte, musste er sich mit der anderen Hand auf dem Boden abstützen, um nicht aus dem Bett zu fallen.
"Hallo?" Svens warmes Lachen drang durch das Telefon. "Hallo Fabi. Na? Wie geht es dir?" Mit einem Seufzen zog Fabian sich wieder in das Bett und kuschelte sich an sein Kissen. "Jetzt geht es mir gut. Und dir? Was ist passiert? Warum warst du eine Woche nicht erreichbar?" Sven lachte erneut. "Ich freu mich auch, dich wieder zu hören. Ich hab mir eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen, als mir ein Boxsack auf den Schädel gedonnert ist. Deswegen war ich weg. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung und ich seh fast aus wie neu. Sogar das Auge ist abgeschwollen." Fabian blieb für einen Moment das Herz stehen, doch es war ein leichtes, sich zu beruhigen. "Du solltest echt mit dem Kickboxen aufhören. Ich habe mir Sorgen gemacht." Aber die waren eher darauf bezogen gewesen, dass Sven möglicherweise den Kontakt abgebrochen hatte. "Das sagt mein Chef auch immer. Mach dir keine Sorgen, Fabi, ich bin hart im Nehmen. Sowas passiert halt mal. Wie sieht es aus? Steht die Einladung immer noch? Ich bin wieder fit genug und ich habe richtig Bock, dich zu treffen." Fabian musste grinsen. "Was hältst du davon, wenn du nach dem Abendessen herkommst? Dann können wir einen Film gucken und du kannst hier pennen." und er konnte essen, ohne dass Sven dabei war. "Klingt gut. Muss ich was mitbringen? Ich nehme an, dass ich nicht bei dir im Bett pennen darf, hast du eine Matratze oder so?" Fabian biss sich auf dem Daumennagel herum und nickte dann unschlüssig, wie um sich selbst zu bestätigen. "Ich hab ein Sofa. Das ist recht bequem." Sven kicherte. "Perfekt. Dann bis später, Fabi."
Es klingelte, lange bevor Fabian mit dem Aufräumen fertig war. "Komme gleich." rief er, und versuchte zumindest zu retten, was noch zu retten war. Zumindest das schmutzige Geschirr wollte er noch in die Spühlmaschine räumen, zum Essen oder Aufsaugen würde es nicht mehr reichen. "Kein Stress, ich kann warten." Sven klang durch die Tür ziemlich gelassen und als Fabian ihm Minuten später die Tür öffnete, lächelte er. "Na du?" Hinter seiner Maske erwiderte Fabian das Lächeln und trat zur Seite, damit Sven rein kommen konnte. "Schön, dich zu sehen." Sven kam zu ihm und fuhr sich durch die Haare. "Darf ich dich umarmen?" Ein kleines bisschen verunsichert nickte Fabian und schon fand er sich in Svens Armen wieder. Sven konnte gut umarmen. Fabian fühlte sich nicht eingeengt und trotzdem geborgen und als er seinen Kopf an Svens Schulter legte, war er sich nicht sicher, ob er ihn wirklich auf das Sofa verbannen wollte. "Ich hab dich vermisst." gestand er leise. Svens Brustkorb vibrierte, als er leise lachte. "Ich hab dich auch vermisst, Fabi." Erst als Sven die Hand an seinen Hinterkopf legte und die Fingerspitzen vorsichtig in seinen Haaren vergrub, merkte Fabian, dass er seine Kapuze nicht aufgesetzt hatte. Er stieß Sven nicht von sich, sondern trat ein kleines bisschen näher, um sich an ihm fest zu halten. Sven lachte erneut leise und als er ihn ein wenig kraulte, musste Fabian feststellen, dass er es gar nicht so schlecht fand.
"Wie sieht es aus?" fragte Fabian nach ein paar Minuten der andächtigen Stille und atmete tief ein und aus. Sven roch gut. "Wollen wir nen Film gucken gehen?" Sven nickte leicht, Fabian fühlte die Bewegung in seinen Haaren. "Was gucken wir denn?" Fast war es enttäuschend, als Sven sich von ihm löste, doch Fabian sagte nichts dazu. "Weiß nicht. Vielleicht den Herr der Ringe? Die hab ich da, aber noch nie gesehen." Sven lachte und hakte sich bei Fabian unter. "Das wird eine lange Nacht. Wohin geht's?" Fabian zog seinen Gast wieder mit in das Zimmer, in dem sein Rechner und ein Sofa stand. Sven begann zu lachen. "Das Sofa stand da aber beim letzten Mal noch nicht." Fabian löste sich von ihm und machte den Rechner an. "Doch, war es. Man konnte es nur nicht sehen, weil ich es als Ablage für allen möglichen Scheiß genutzt habe. Machs dir bequem. Wenn du was dazu knabbern willst, dann sag Bescheid." Sven sah ihm über die Schulter, bevor er dann einen Schritt zurück trat. "Wenn du mir sagst was und wo, dann hole ich alles." Es beeindruckte Fabian mal wieder, wie selbstverständlich Sven sich hier einbrachte. "In der Küche. Such du dir einfach was aus."
Er hatte den ersten Film gerade gestartet, als Sven wieder kam. Er hatte zwei Gläser und eine Flasche Wasser, so wie zwei Schüsseln mit Chips und Popcorn dabei. "Wie sieht es aus? Kommst du?" Während Sven sich hinsetzte und alles auf den Boden stellte, startete Fabian den Film und setzte sich dann mit etwas Abstand neben ihn. "Soll ich jetzt den Ich-muss-mich-strecken-und-leg-unauffällig-meinen-Arm-um-dich-move machen oder darf ich dich einfach fragen, ob du dich näher zu mir setzten willst?" Fabian errötete ein kleines bisschen, bevor er sich dann ein wenig näher zu ihm setzte. Sven schloss den letzten Abstand zwischen ihnen und legte einen Arm um Fabian, der sich zunächst kurz verspannte, bevor er die Beine hoch aufs Sofa zog und den Kopf an Svens Schulter legte. So war es viel bequemer.
"Willst du auch was?" Sven hielt Fabian die Chipsschüssel hin. Er wollte, doch er schüttelte den Kopf. Ging ja nicht. Sven lächelte und neigte sich zu ihm. "Ich mach die Augen zu, ich kenn den Film ja." Murmelte er ihm zu und schon drehte er den Kopf weg. Fabian starrte ihn kurz sprachlos an, bevor er dann den Kopf schüttelte. "Nein, Danke. Ich würde lieber weiter kuscheln." Sven lachte wieder leise und drehte sich zurück zu Fabi, bevor er ihn erneut sanft umarmte. "Wie sieht es eigentlich aus? Willst Du noch darüber reden, was ich dir beim letzten Mal erzählt habe oder nicht?" Fabian musste kurz überlegen, doch als er verstand, was Sven meinte, wurden seine Hände feucht vom Schweiß. "Oder darf ich zumindest fragen, ob ich eine Chance bei dir habe?" Fabian fühlte sich sofort eingeengt. Er wollte das nicht, deswegen schob er Sven von sich und rückte ein Stück ab, um sein Atem zu beruhigen. Sven ließ ihm Zeit. "Ich..." Fabian strich sich die langen Haare aus dem Gesicht und setzte sich wieder die Kapuze auf. Er wusste nicht, ob Sven eine Chance bei ihm hatte. Und er wusste nicht, wie er Svens Gefühle einordnen sollte und vor allem wusste er nicht, wie er mit der ganzen Situation umgehen sollte.
"Fabi?" Sven lächelte ihn an, doch Fabian erwiderte es nicht. "Macht es dir etwas aus, wenn ich dich jetzt bitte zu gehen?" Sven schüttelte den Kopf. "Nein, es macht mir nichts aus. Ist schon okay. Machs gut, Fabi. Und... Ich möchte dir nur sagen, dass ich nicht möchte, dass du dich meinetwegen unwohl fühlst. Wenn es dir hilft darüber zu reden, dann möchte ich gerne darüber reden und wenn du das nicht möchtest, dann ist es auch in Ordnung. Ich fühle mich aber nicht wirklich gut damit, das Ganze tot zu schweigen." Fabian starrte ihn ziemlich sprachlos an, bevor er ein Kissen griff und sich daran klammerte. "Sehen wir uns morgen wieder?" Auf Fabians Frage zuckte Sven mit den Schultern. "Das werden wir sehen, nicht?"
Fabian blieb in seiner Starre, bis die Wohnungstür ins Schloss fiel. Erst dann nahm er die Maske ab und biss sich auf die Unterlippe, während ihm die Tränen in die Augen stieg.
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U.G.L.Y. ~ Wintersaft
Fanfiction"I'm so ugly, that's okay, 'cause so are you" (Kurt Cobain, Nirvana.) Die Tags beinhalten Spoiler