10. Eine tödliche Mittagspause

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Konzentriert sah ich in das Mikroskop und schob den Objektträgertisch vor und zurück um in jeden Winkel des Präparats zu gelangen. Frustriert brummte ich auf und schrieb eine erneute Notiz auf, um anschließend erneut hineinzusehen.

Dabei spürte ich durch meine feinen Sinne einen Windhauch über meiner Haut. Ich nahm einen mir bekannten Eigengeruch war.

„Hier steckst du die ganze Zeit." Carters sanfte Stimme ging mir sofort durchs Mark. Ich hörte wie sie neben mir zum stehen kam. „Ich dachte du wolltest dir etwas für Lili überlegen."

„Mache ich auch." ich sah auf und zu ihr hoch. „Ich schaue mir ihr Blutbild an."

„Sind dafür nicht Laboranten oder Ärzte zuständig?"

„Papperlapapp früher mussten wir das alles selber machen." ich wank ab und deutete aufs Mikroskop. „Schau hinein."

Sie zog eine Augenbraue hoch, was zugegebenermaßen eine gewissen Wirkung hatte. „Ich denke nicht, dass..."

„...komm schon." herausfordernd sah ich sie an. „Oder denkst du, du hast es nicht mehr drauf?"

Sie hob ihr Kinn. „Natürlich habe ich es drauf." sie schob die Hände aus ihrem Kittel und beugte sich schließlich vor. Und obwohl ich mich zur Seite lehnte, war ich nicht darauf vorbereitet wie nah sie mir trotzdem kam. Ihre Brust streifte meine Schultern und schickte eine Stoßwelle durch meinen Körper. Ich hielt den Atem an, während sie sich ans Mikroskop lehnte und sich die Zellen ansah. Ich biss mir auf die Lippe und beobachtete sie dabei. Versuchte den nahen Kontakt zu ignorieren, der mich dazu drängen wollte ihre weiche Haut zu berühren. „Was siehst du?"

„Nichts auffälliges. Thrombozyten sind nicht zu viele vorhanden und die Erythrozyten sehen auch nicht auffällig aus. Hast du die Leukos gezählt?"

„Ja, keine Auffälligkeiten, als würde es erst gar keine Entzündungsreaktion in ihrem Körper geben."

„Also nichts neues." sie sah wieder auf. Dabei blieb mein Blick einen Moment an ihrem Ausschnitt hängen, der in dieser Haltung zu sehen war. Doch nicht lange, denn sie lehnte sich wieder auf.

Ich sah eilig wieder in ihre Augen und entgegnete nur einen sanften amüsierten lächeln. „Bist du fündig geworden?"

Nur Kollegen!

„In ihrem Blut nicht." sagte ich also ohne eine Miene zu verziehen. Ich wusste, es war nicht das, was sie angesprochen hatte, aber es war besser nicht darauf einzugehen. „Ich habe jedoch eine Vermutung. Dazu bräuchte ich lebende Zellen." sagte ich weiter und sah in ihre grauen Augen.

Sie setzte sich neben mir auf den Stuhl. „Wieso lebende Zellen?"

„Sie verhalten sich anders." sagte ich. „Das Labor hat zwar alles mögliche untersucht, aber wenn meine Vermutung richtig ist, liegt der Ursprung nicht in ihrem Blut, sondern ihrer DNA."

Sie schlug ein Bein über das andere und berührte damit nun mein Bein. Ich wusste nicht ob sie es extra machte, aber mir war der Kontakt wahrlich bewusst.

„Wirst du mir sagen, was ich deinem attraktiven Kopf vorgeht?" sie legte den Kopf schief.

Ihre funkelten in einen Ton, den ich bis jetzt nicht an ihr gesehen hatte. Flirtete sie etwa?

„Vermutlich nicht." ich nahm den Objektträger vom Mikroskop und versuchte ihren brennenden Blick zu ignorieren. „Vermutlich erst, wenn etwas an der Sache dran ist."

„Wieso habe ich genau das erwartet?" sie lehnte sich gelassen zurück. Ich beobachtete ihre entspannte Haltung einen Moment. Wann war jemals jemand so entspannt in der Nähe einer Killerin gewesen? Eigentlich nie. Hope zählte nicht. Sie war selbst eine Bestie gewesen, wie eigentlich alle mit denen ich mich bis jetzt abgegeben hatte. Niemals hatte sich eine nicht-Bestie so entspannt gezeigt. Konnte eigentlich irgendetwas Carter aus der Ruhe bringen? Sie wirkte so im Gleichgewicht mit sich selbst.

Bleeding DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt