WENN ER STIRBT | ✔︎

3. Du fehlst *überarbeitet*

Ich weiß nicht, wie viele Tage vergangen sind seit sie dich verpackt wie ein Geschenk in die Arme deines neuen Besitzers gegeben haben. Geschenkpapier aus dunkelbraunem Eichenholz. Arme, die sich mit jedem handvollen Wurf Erde um dich geschlossen haben. All die bunten Blumen können dem Erdhügel nicht nehmen, was er ist. Dein Grab.

Ich weiß nicht, wie viele Tage vergangen sind seit du zu dem wirst, das dich umgibt. Ich habe aufgehört, die Tage zu zählen, weil sie nichts mehr bedeuten in meiner Zeitrechnung. Die Unendlichkeit nach deinem Leben, nach deinem Tod. Unendlich langsam, unendlich quälend, unendlich einsam.

Mein Leben besteht nur noch aus den Momenten, die ich an deinem Grab verbringe, in denen ich unsere Vergangenheit in meinen Gedanken wieder und wieder durchlebe. Früher habe ich das mit unserer Zukunft gemacht; habe mir vorgestellt wie es sein könnte. Aber was würde mir das noch bringen.. Ich könnte eine Zukunft planen, doch mit wem könnte ich sie erleben? Habe ich überhaupt eine Zukunft? Wenn ich keine Zeit mehr habe, kann es auch keine Zukunft mehr geben. Und genau so fühle mich mich. Zeitlos, zukunftslos, aussichtslos. Das Schicksalslos nahm mir dich und jetzt bin ich dich los. Bin losgelöst vom Leben, das ich einst liebte. Los. Wie herzlos kann man sein..

Ich drücke ein letztes Mal meine Lippen auf den Briefumschlag und verstecke ihn zwischen Kränzen und Blumen, grabe seine weiße Ecke in die dunkle Erde. Die Erde, unter die dich das Leben gebracht hat.

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Ich hasse dich. Das ist es, was mir jede Sekunde durch den Kopf geht. Wieso lässt es sich so viel leichter sagen als ein 'Ich liebe dich'? Denn das ist, was ich meine. Ich liebe dich. Und ich wollte, dass du mich auch liebst.

Erinnerst du dich an meine Computermaus, damals? Auf die du genau das geschrieben hast? "I love you. Für immer und ewig." Erinnerst du dich an den Tag? Ich erinnere mich gut, als ob es gestern gewesen ist, noch eher heute. Du hattest deinen grauen Kapuzenpullover an, der, dessen Kapuzeninnenseite schwarz ist und an den es sich zu kuscheln lohnt, weil er so unglaublich weich ist. Du hast mich veräppelt, wie eigentlich immer. Hast mich ausgelacht und dabei so wunderschön angelacht. Weil Rache süß ist, habe ich versucht, dich zu kitzeln, aber nicht bedacht, dass das deine Spezialität ist und ich musste schließlich japsend aufgeben. Statt von mir runter zu gehen, hast du von meinem Bett aus meine Computermaus zu dir herangezogen und sie unbezahlbar für mich gemacht. Ich habe mich nie davon trennen können, obwohl sie ihren Geist schon lange vor dir aufgegeben hat. Kaputt gegangen wie wir kaputt gegangen sind. Sie ziert an einem kleinen Nagel meine Wand. Weil sie der einzige Beweis dafür ist, dass du wenigstens etwas für mich empfunden haben musst.

Ich habe mit der Zeit aufgehört, zu erwarten, dass du genauso für mich fühlst wie ich für dich, dass du mich liebst. Aber ich wollte, dass du das Leben liebst. Du solltest leben! Ein Mädchen finden, das dir gibt, was ich dir nie geben konnte.

'Ich hasse dich' sind die Worte, die ich denke, weil das hier das Schlimmste ist, das du mir antun konntest! Wen kann ich denn jetzt noch lieben?

Ich hab all mein Vertrauen in das Schicksal zusammen mit dir verloren. Was bedeutet leben schon... vielleicht lebst du jetzt wenigstens das, was danach kommt. Vielleicht kannst du jetzt auch lieben, ich weiß es nicht, ich wusste es nie. Ich kannte dich doch gar nicht oder? All die Jahre bist du ein Anderer geworden und nur meine Gefühle sind stur geblieben.

Es tut so weh, dass ich dir nie gesagt habe, was du wirklich für mich bist, wie viel von meinem Leben du einnimmst, dir gehört. Ich hatte immer die Hoffnung, dass ich eines Tages eine zweite Chance bekomme, etwas in deinem Leben zu werden. Selbst die ist mir jetzt genommen worden.

Die Hoffnung, die zuletzt stirbt, ist mit dir gestorben.. Und was bleibt mir noch? Worte auf Papier, die nie ankommen werden. Aber ich bin sie los..