10 - Ginny

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„Der wievielte Drink war das jetzt schon, Ron?", fragte Harry entnervt über das Geplauder der Partygäste. Drei hübsche Mädchen standen im Halbkreis um Ron herum. Jetzt sahen sie lächelnd – aber nicht ohne eine gewissen Ehrfurcht – zu Harry.
„Ach, sei nicht so. Auch ein Auror muss einmal feiern." Und nach diesen Worten fuhr er fort, mit der Brünetten zu flirten.
„Noch...bist du aber kein Auror!", schärfte ihm Harry ein.
Ron hörte das, ließ es aber unkommentiert. Harry richtete sich seine rote Krawatte und machte sich vom Acker. Mit gestrecktem Kopf hielte er nach Ginny Ausschau. Doch nach wenigen Minuten wurde er von Luna aufgehalten.

„Hi, Harry."
„Oh, hallo, Luna!"
„Wohin treibt es dich? Hoffentlich nicht zu den Nargel."
„Äh...nein. Eher zu Ginny. Weißt du zufällig, wo sie ist?"
„Hab mit ihr noch nicht gesprochen."
Harry nickte. Kurze peinliche Stille.
„Und wie geht es dir sonst so?", wollte Luna wissen.
„Ach, gut, gut. Dir? Was willst du beruflich machen?"
„Auch gut. Ich hab mir vorgenommen, erst mal beim Wieder-in-Betrieb-setzen von Hogwarts zu helfen."
„Ah, du bist eine der Freiwilligen?"
„Nein, eigentlich nicht. Ich mache Werbung für die nächsten Erstklässler, dass sie nach Hogwarts kommen."
Peinlichkeit! Harrys Miene zeigte die Unsicherheit, ob er auf den Arm genommen wurde.
„Freut mich mit dir zu reden, Luna. Ich werde jetzt... trotzdem... Ginny weitersuchen." Er lächelte etwas gekünstelt.
„Oh, ja – wir hören uns!"

Nach fünf Minuten erspähte Harry eine Gruppe Gryffindores in einem anderen Raum, bei denen auch Ginny stand. Zuerst traute er sich nicht hinzugehen. Dann gab er sich einen Schubs. Eines der Mädchen nahm ihn sofort wahr und deutete mit geöffnetem Mund auf ihn.
Ginny fiel es anfangs schwer, Blickkontakt zu halten, während sie zu Harry sprach, aber mit der Zeit wurde das immer besser. Sie lachten gemeinsam. Das Mädchen zu Ginnys rechter Seite war übrigens Angelina Johnson, sie unterbreitete nachher den Vorschlag, noch mal zum Buffett zu gehen, bevor alles weg war.
„D-Du hast ein schönes Kleid", lobte Harry, als sie mit den Tellern warteten. „Danke", hauchte Ginny und fügte sehr ruhig hinzu: „Ich hab dich schon vermisst, als Ron zum Fuchsbau kam. Du warst nicht bei ihnen." Harry wollte heute von Ron nichts mehr hören. Bei der Nennung dieses Namens legte er den Kopf in den Nacken.
„Jaah, es tut mir leid. Ich wollte irgendwie alleine sein."
Ginny presste die Lippen aneinander. Sie wirkte ein bisschen enttäuscht.
„Aber Ginny -" – sie sah mit ihren leuchtenden Augen auf – „du kannst zum Grimmauldplatz kommen...wenn du willst."
Ginny überlegte scharf, was sie sagen sollte. „Ich weiß nicht, Harry, ob das geht – aber wir werden sehen!"
Um die Stimmung nicht zu trüben, fragte Harry: „Noch Lust auf ein Butterbier?"
„Na, klar. Es könnte aber heute auch etwas stärkeres sein." Ginny steckte die Hand aus und ein Flasche Campari flog in ihre Hand. „Du auch?"
„Na, wenn du trinkst, dann sag ich auch nicht nein." Er lächelte aufmüpfig.
„Übrigens: Der Pflaumen-Kuchen ist von mir."
Harry tat sich gleich ein ordentliches Stück von dem Kuchen auf den Teller, drängte sich an dem fast kopflosen Nick vorbei und wollte sich mit Ginny auf eine Steinstufe setzten, doch es kam, dass sie sich davor tief in die Augen sahen.
„Und wie ist es eigentlich so als Retter der Magierwelt?"
„Ich hasse es, berühmt zu sein", entgegnete Harry.
Ginny nickte verständnisvoll. „Willst du nicht in die große weite Welt?"
„Der Kuchen ist sehr gut."
„Lenk nicht ab!", neckte Ginny ihn.
„Ach... die große Welt braucht mich gar nicht", schmatzte der Junge.
Ginny legte ihm liebevoll eine Hand auf die Schulter. „Sie braucht dich – aber ich brauche dich mehr."
Harry wurde ein wenig rot. Er schloss die Augen. Und als er sie wieder öffnete waren Ginnys Lippen ganz nah bei seinen.

Da kam Ron schnellen Schrittes in den Raum. Er suchte nach den braunen Haaren und dem vertrauten Gesicht mit den leichten Sommersprossen. Aber Hermine war hier nicht. Stattdessen traf sein Augenschein auf etwas anderes. Harry küsste seine Schwester! Rons Augen fokussierten die zwei mit scharfem, funkelndem Blick.
„Dieser Penner! Und mir macht er bei jeder Kleinigkeit etwas vor!"
Und schon schritt er forsch auf die beiden zu. Ein Hufflepuff – Ron war ziemlich sicher, dass es Ernie MacMillan war – drehte sich zu ihm um, sah die erzürnte Miene von dem Weasley und wollte etwas sagen, doch da entriss Ron ihm das Teller mit cremigen Kuchen darauf, welches dieser in der Hand hielt.
„DER GROSSE HARRY POTTER!", spottete Ron. Harry zuckte zusammen und blickte verdutzt auf die Person, die seinen romantischen Kuss so unangenehm beendete. Auch Ginny war geschockt; sobald sie Ron sah, stieg Zornesröte in ihr Gesicht. Gute sechzig Zentimeter vor Harry blieb Ron stehen. Einige Leute starrten zu den dreien.
„Feier deine Heldentaten ruhig noch schön weiter! Aber mit uns beiden ist Schluss!!" Rons zitterndes Atmen zeugte von echter Erregtheit. Sein Blick war zudem todernst.
Harry reagierte sehr souverän: Er starrte – ebenfalls völlig ernst – sein Gegenüber an, gerade Körperhaltung, verzog keine Miene. Ein Schweigen trat ein, dass die aufgeladene Stimmung allzu spürbar machte. Immer mehr Gespräche verstummten und immer mehr Gäste verfolgten das Szenario. Dann schluckte Ron. Ginny würdigte er keines Blickes.
„Schön." Das war alles, was Harry erwiderte.
Dann reichte es Ron. Er holte mit der Hand aus und warf Harry die Torte ins Gesicht. Ein Raunen ging durch die Runde. Der Kuchen fiel zu Boden und zurück blieb eine Schicht weißer Creme in Harrys Gesicht. Ron kehrte ihm den Rücken zu und ging mit gesenktem Haupt davon.

FRIENDS OF FATE - Der letzte TodesserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt